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Über zwei April-Wochen hinweg gestalteten Menschen von der Klimabewegungsorganisation Erde Brennt einen Raum des Mozarteums, nutzten ihn für diverse Aktivitäten. Ich habe zwei von ihnen um mehr Informationen darüber gebeten und außerdem zur vergangenen Landtagswahl befragt. 

Interview von Georg Pidner

Wahl 

uni:press: Der Start dieser Aktion stand im Zeichen der Landtagswahl. Was sagt ihr zum Ausgang? 

Naomi: Ich stehe dem Ausgang der Wahl gespalten gegenüber. Zwar macht es Hoffnung, dass eine linke Partei, die mit sozialen Themen Wahlkampf gemacht hat, so viele neue Wähler*innen gewinnen konnte, allerdings ist die Koalition zwischen ÖVP und FPÖ, die in Aussicht steht, ein sozial und ökologisch katastrophaler Ausgang. Ich persönlich bin nicht überrascht, aber wahnsinnig wütend über das verlogene Vorgehen der ÖVP, die sich mit voller Absicht und entgegen den eigenen Aussagen für eine Koalitionspartnerin entschieden hat, deren Politik menschenverachtend und gefährlich ist. 

uni:press: Was bedeuten die neuen parlamentarischen Verhältnisse in Salzburg für die Klimabewegung und konkret für euren Aktivismus? 

Mau: Wir vernetzen uns verstärkt mit anderen Gruppen und Organisationen in Salzburg, beispielsweise bei der gemeinsamen Planung einer Großdemonstration gegen die Koalition zwischen ÖVP und FPÖ, die am 29.05. stattfindet. Eine Regierung wie diese, sollte sie angelobt werden, ist zwar scheiße, aber kein Grund, zu verzweifeln. Wir werden weiterhin auf verschiedenen Ebenen für einen Wertewandel in der Gesellschaft arbeiten. Dafür ist es uns wichtig, eine breite, vernetzte Bewegung aufzubauen.  

uni:press: Die Krone betitelte einen Bericht über eure Aktion mit „AKTIVISTEN FORDERN ,Die Politik soll uns endlich zuhören‘“ – in dieselbe Kerbe schlugen große Teile von Fridays For Future schon seit vier Jahren. Wie lange werdet ihr noch vernünftige parlamentarische Politiker:innen und Gespräche fordern? 

Naomi: Die Schlagzeile der Kronenzeitung basiert auf keiner Aussage von Aktivist*innen von Erde Brennt Salzburg. Unser Appell richtet sich an die Wähler*innen, die ihr Wahlrecht unbedingt nutzen sollten. Wahlen sind eine der vielen Möglichkeiten, um Einfluss zu üben und müssen daher auch von der Klimagerechtigkeitsbewegung ernst genommen werden, auch wenn ihr Effekt manchmal ernüchternd eingeschränkt ist. Wir werden aber weiter fordern, dass Positionen mit Entscheidungsmacht von Menschen eingenommen werden, die die Realität der sozialökologischen Krise anerkennen und entsprechend handeln und entscheiden. Das könnte mensch dann als vernünftig bezeichnen. 

Mau: Diese Aktion hatte Bezug zur Landtagswahl, unsere Ansätze sind aber insgesamt wesentlich breiter gestreut. Ein großer Teil unserer Arbeit besteht auch daraus, mehr Menschen zu informieren und zu politisieren und so ,an Bord‘ der Klimabewegung zu holen. Wandel muss von einem großen Teil der Gesellschaft mitgetragen werden, um langfristig bestehen zu können. 

Aktion 

uni:press: Was habt ihr dort genau gemacht? 

Mau: Wir wurden von Lehrenden des Mozarteums gefragt, ob wir während des Open House (Tage der offenen Tür) die Galerie im Kunstwerk (Mozarteum Alpenstraße) gestalten möchten. Da es uns wichtig ist, unseren Aktivismus auch aus der naturwissenschaftlichen Blase rauszuholen und viele unterschiedliche Menschen zu erreichen, haben wir den Raum für zwei Wochen zu unserem Wohnzimmer gemacht. Dort haben wir uns mit den Themen Klimagerechtigkeit, politischer Aktivismus und Selbstorganisation beschäftigt. 

Naomi: Während der Zeit dort fanden Skillshares, Plena und Diskussionsrunden statt. Außerdem wurde der Raum auch genutzt, um größere Transpis für Demos zu malen. Oft ist es nämlich schwer, Räume mit so viel Platz zu finden, das hat sich ganz gut angeboten. 

Mau: Genau, also es sollte, ähnlich wie in der Besetzung, ein vielfältig nutzbarer Raum werden, in dem von Austausch über Workshops und Erholung auch gearbeitet werden konnte. Anders als in der Besetzung haben wir aufgrund der räumlichen Gegebenheiten, also dass wir im Kunstwerk waren, auch mit künstlerischem Aktivismus auseinandergesetzt und den Raum auch als Ausstellungsraum genutzt. Am präsentesten war vermutlich die Bannerpatchworkdecke. Dafür haben wir Banner von verschiedenen Organisationen, die für Klima- und soziale Gerechtigkeit kämpfen, gesammelt und zusammengenäht. Wenn wir ein gutes Leben für alle wollen, können wir nicht nur Klima als einzelnen Faktor sehen, sondern müssen größer denken und Kämpfe verbinden. Das wollten wir mit dieser Arbeit sichtbar machen. 

uni:press: Haben sich eurer Einschätzung nach auch viele Menschen außerhalb der Klimabewegung die Aktion angesehen?  

Naomi: Dadurch, dass wir während des Open House da waren, haben wir auf jeden Fall Menschen erreicht, die sich sonst nicht so viel mit Klimagerechtigkeit auseinandersetzen. Während des Open House finden im ganzen Gebäude Ausstellungen der Studierenden des Departments statt und […] das ist schon immer gut besucht. Wir konnten auch mit einigen Schulklassen über die Klimakrise und Klimagerechtigkeit reden. 

Mau: Mein Gefühl ist, dass die Kunstwelt gerne einen Bogen um vermeintlich naturwissenschaftliche Themen macht und sich die Menschen dann aufgrund mangelnden Wissens nicht mit der Klimakrise und ihren Auswirkungen beschäftigen wollen. Oder sie denken, dass es eh ein Problem ist, zu dessen Lösung die Kunst nichts beitragen kann, das nicht künstlerisch irgendwie mitgelöst werden kann. Aber dadurch, dass sich die Klimakrise auf alle Lebensbereiche auswirken wird und alle Menschen davon betroffen sein werden (und es ja auch schon sind), ist es wichtig, viele Menschen dafür zu sensibilisieren, dass sie Teil der Veränderung sein können. Aktivismus ist häufig nicht so weit weg von Kunst und ich glaube gerade die assoziative und emotionale Ebene, die Kunst ansprechen kann, ist auch sehr wertvoll, um unterschiedliche Menschen ansprechen zu können und das Thema auch auf eine persönliche Ebene zu bringen. 

uni:press: Konntet ihr durch diese Aktionen neue Menschen organisieren, in die Bewegung holen? 

Mau: Das Ziel der Aktion war nicht konkret, neue Menschen für Erde Brennt Salzburg zu gewinnen. Wir wollten eher Leute erreichen, die sonst noch nicht so viel Kontakt mit dem Thema haben, also den Aktivismus ein kleines bisschen aus der Bubble holen. 

uni:press: Wie waren die Dialoge, die ihr im Zuge der Ausstellung geführt habt? Gab es Meldungen, die euch überrascht oder sogar (noch mehr) bewegt haben? 

Mau: Da wir am Mozarteum waren, hat es sich sehr organisch ergeben, auch über das Künstlerische an unserem Aktivismus zu reflektieren. Für mich persönlich war es sehr spannend, mich damit tiefergehender auseinanderzusetzen. Daraus ist dann auch die Bannerdecke entstanden. Mit einer Professorin aus dem Textilbereich habe ich mich sehr schön über das aktivistische Potential von Patchwork und Quilts unterhalten. Eigentlich ein ziemliches Nischenthema, aber wenn Spezialist*innen vor Ort sind, ergeben sich genau solche Gespräche, was ich sehr schön finde. 

Naomi: Ich hatte eine schöne Situation mit einer Schulklasse, die mit Fridays for Future Demoschilder gemalt haben. Die zuständige Lehrperson wollte noch in einen anderen Raum weitergehen, aber die Schüler*innen meinten, dass das jetzt nicht geht, weil „es geht um unsere Zukunft”. Ich glaube hinter solchen Meldungen, auch wenn sie im Moment so dahingesagt werden, steckt dann schon ein bisschen was Tieferes. Und das macht mir dann schon ein bisschen Hoffnung für die Zukunft, weil sie haben ja Recht, es geht um unser aller Zukunft. 

uni:press: Welche Themen wurden jenseits von „Klimagerechtigkeit, politischen Aktivismus und Selbstorganisation“ angeschnitten? 

Mau: Zum Beispiel haben wir uns in einem Workshop mit Referent*innen vom Afro-Asiatischen Institut (AAI) mit Intersektionalität auseinandergesetzt. Da es uns ja nicht nur um die Klimakrise geht, sondern vor allem um Klimagerechtigkeit, war dieses Gespräch sehr wertvoll für uns, denke ich. Denn wir bei Erde Brennt Salzburg sind alle weiß, sprechen alle deutsch und sind, denke ich, insofern sehr privilegiert, dass wir diesen Aktivismus so machen können, wie wir ihn machen. Das Gespräch hat mir vor allem nochmal aufgezeigt, dass es unglaublich wichtig ist, mitzudenken, dass Menschen anderswo mit ganz anderen Problemen zu kämpfen haben, zusätzlich zu den Problemen, die sich durch die Klimakrise ergeben, die sehr wenige Menschen im globalen Norden verstärken. Aber es hat mir auch gezeigt, dass wir mit unserem Aktivismus bei Erde Brennt inklusiver werden müssen. 

uni:press: Könnt ihr ein persönliches Highlight beschreiben? 

Naomi: Ich glaube, für mich war es am schönsten, zu sehen, dass wir viele Menschen neugierig machen konnten. Viele Leute haben einfach im Vorbeigehen kurz hineingeschaut und sich mit uns unterhalten. Für die meisten davon war es glaube ich der erste persönliche Kontakt mit Protest und Aktivist*innen. Ich finde es sehr wichtig, dass sichtbar wird, dass sich da ganz normale Menschen für etwas einsetzen. 

Mau: Mein persönliches Highlight war, einen Raum zu haben, der uns einfach zur Verfügung steht, um dort verschiedenste Dinge zu tun. Und dann die verschiedenen Menschen dort zu sehen, die diesen Raum für verschiedene Dinge nutzen, sei es, um sich dort zum Quatschen zu treffen, dort zu arbeiten, zu lesen oder Kaffee zu trinken. 

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