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Positive Psychologie, Coachings und ähnlicher Unsinn gehören seit geraumer Zeit zum Repertoire der Uni Salzburg. In diesem Wintersemester kann die Beschissenheit der Welt im Zuge eines Proseminars ganz einfach per Achtsamkeit reguliert werden. Das eigene Dümmer-Werden wird dann auch mit 6 ECTS entlohnt. 

Von David Mehlhart

Alte Bekannte

Salzburg mag in vielerlei Hinsicht ein verschlafenes Provinznest sein. Diese Feststellung ist weder neu, noch sonderlich kontrovers und wird mit Ausnahme von ein paar engagierten Steppjacken-Bourgeois mit minimal Gesicht im Botox achselzuckend hingenommen. Dennoch lassen sich immer wieder versprengte Anwandlungen von Weltläufigkeit ausmachen. Die Universität ist ein prädestinierter Ort, an der man zeitgenössische Formen des Denkens und Handels, zumindest Auszugsweise und in oft arg zugerichteten Formen, bewundern kann. Die Sache hat dabei nur einen Haken: Nur weil etwas vermeintlich neu ist oder sich selbst einen progressiven Anstrich verpasst hat, muss das nicht auch für den Inhalt gelten.

An dieser Stelle wurde schon mehrfach von solchen, insgeheim reaktionären, nach außen aber  poppig-modernen Chamäleons berichtet, die durch den PLUS-Dschungel kreuchen und fleuchen. Man denke an die in Salzburg omnipräsente Loretto-Bewegung, die altvaterischen Katholizismus der Gen Z schmackhaft machen will, oder das On-Track-Projekt des Fachbereiches Psychologie, dass einem die eigene Selbstausbeutung schmackhaft zu machen versucht. Die treuen Leser*innen erinnern sich vielleicht noch an die Buchempfehlungen der Nachhaltigkeitsinitiative PLUS Green Campus, die zu einem Großteil aus halbesoterischen Schwurbelratgebern bestand.

Gleicher Nenner all dieser Phänomene ist, dass sie den durch die Widrigkeiten der kapitalistischen Vergesellschaftung geschundenen Menschen raten, sich einfach mal an die eigene Nase zu fassen, statt lang zu jammern. Grundsätzliche Kritik: Fehlanzeige! Konform zur überall anzutreffenden Ideologie des Liberalismus wird jedes, wie auch immer geartetes, Problem fein säuberlich in den Einzelnen hinein verlagert, dem dann subtil angeschafft wird, es wahlweise zu lösen oder eben daran zu Grunde zu gehen.

12-Wochen Mindfulness

Nun hat sich ein neues corpus delicti in diese Riege eingereiht, das ebenso virtuos das kritische Urteilsvermögen verpickt wie die oben genannten Beispiele. Konkret geht es um ein Proseminar, das am Fachbereich Politikwissenschaft in diesem Wintersemester angeboten wird. Das Seminar trägt den klingenden und schon Unheil verheißenden Titel „Die Innere Arbeit der Sozialen Gerechtigkeit: Ein 12-Wochen Mindfulness-Based Student Training (MBST)“ (Nummer: 999.550). Ein positives Abschließen des Proseminars verhilft einem zu knackigen sechs ECTS. Nicht nichts!

Im Gegensatz zu vielem anderen aus dem Lehrangebot der Uni kommt der Kurs überraschend praxisbezogen daher. In der online abrufbaren Beschreibung wird eingangs festgestellt, dass „[T]rotz fortwährender Bemühungen um mehr Gleichberechtigung und Vielfalt alle Bereiche unserer Gesellschaft nach wie vor von Ungleichheiten geprägt [sind]“ und „strukturelle Identitätsmerkmale (Anm.: Was immer sich auch hinter diesem Ungetüm verbergen mag) den Zugang zu und die Nutzung von Ressourcen [regeln].“ Beinahe wähnt man sich schon in einem marxistischen Lesekreis, wenn so frisch und frei von der systematischen Beschissenheit der Welt berichtet wird. 

Die Ernüchterung folgt aber auf dem Fuß. Entgegen der irrigen Annahme, dass in einem politikwissenschaftlichen Seminar eventuell die politischen Gründe solcher Missstände ergründet werden, geht es den Veranstalter*innen darum, die Studierenden auf die „psychologischen Mechanismen“ aufmerksam zu machen, die diese bedingen. Das kann man schon machen, wenn man will. Ausgehend von Sigmund Freud haben sich immerhin eine Vielzahl von Theorien entwickelt, die Auskunft darüber geben, wie Psyche und Gesellschaft vermittelt sind. 

Wenn man den Kauderwelsch der Einleitung versucht ernst zu nehmen, entdeckt man auch, dass sich bereits in den ersten fünf Zeilen ein eklatanter Widerspruch versteckt. Zuerst macht man irgendwelche Strukturen aus, spricht gar von Benachteiligung aufgrund des „sozioökonomischen Hintergrundes“ von Menschen und löst das dann auf, indem man die Gründe hierfür in der psychologischen Disposition des Einzelnen vermutet, oder wie es die Lehrenden formulieren: „Nach Absolvierung dieses Kurses sind sich die Studierenden verschiedener psychologischer Prozesse, die gesellschaftliche Ungleichheit (re-)produzieren, bewusst“. Wohin die Reise geht, deutet dieser Satz schon leicht an. Nicht nur, dass man auf inhaltlicher Ebene mit der gängigen Ideologie der steten Individualisierung konform geht, sondern auch in der Form sieht man die enge Verwandtschaft zum Managementduktus, der einem tagtäglich auf LinkedIn vorgesetzt wird und sich durch den mantrahaften Gebrauch von Vokabeln wie Prozess oder Ressourcen auszeichnet. 

Dass es den Veranstalter*innen aber eh gar nicht so sehr um Analyse und das Begreifbarmachen von Phänomenen wie Sexismus oder Rassismus geht, wird schnell klar, wenn man die Beschreibung weiterliest. Am Ende sollen die Studierenden Strategien vermittelt werden, die dabei helfen solle, in einer schlechten Welt nicht vollends verrückt zu werden. Das auserkorene Mittel der Wahl ist hierfür — Achtung Reizvokabel des Jahrzehnts! — „Achtsamkeit.“

Zen Fascists Will Control You

1979 veröffentlichte die Kalifornische Punkband Dead Kennedys den Song „California Über Alles“. In dem Lied malt der Leadsänger Jello Biafra lustvoll das Bild eines zukünftigen Amerikas, das sich durch die Willfährigkeit des damaligen liberalen Gouverneurs von Kalifornien Jerry Brown, in eine Hippie-Dystopie verwandelt hat. Diese Dystopie unterscheidet sich von anderen berühmten Dystopien, wie etwa jener im Roman „1984“ aus der Feder von George Orwell, dadurch, dass die Menschen ihr eigene Unterdrückung mit einem Lächeln auf den Lippen hinnehmen, ja sogar als gut für sich erachten. „You will jog for the master race / And always wear the happy face“ singt Jello Biafra in der zweiten Strophe. 

Die beinahe 45 Jahre alten Songzeilen wirken vor dem Hintergrund des Seminars kein bisschen angestaubt. Die sich anbahnende Resignation, ob der Erkenntnis, dass man als vereinzelter Mensch recht wenig gegen Gewalt, soziale Ungleichheit  oder den Klimawandel ausrichten kann, wird mit Hilfe des Achtsamkeitstrainings abgefangen und in vermeintlich produktive Bahnen gelenkt. Dem Individuum, dass in einer komplexen Welt, zur Machtlosigkeit verdammt ist, wird so der Anschein der eigenen, souveränen Akteursfähigkeiten vermittelt. 

Diese wiedergewonnene Handlungsmacht besteht aber — und gerade das ist die Pointe — in der Suggestion, dass das eigene Tun eine signifikante Auswirkung auf Politik und Gesellschaft hat, wie das etwa bei Fridays For Future der Fall ist. Ganz im Gegenteil: Man hat die Erkenntnis, dass sich auf politischer Ebene kein Sieg mehr erringen lässt, längst ad acta gelegt. Geklärt werden muss jetzt nur noch, wie der Einzelne mit Hilfe von Achtsamkeitsübungen emotional und psychisch damit zu Rande kommt, sich nicht vollends aus der Fassung bringen zu lassen, wenn der nächste Terroranschlag live über sämtliche Displays flimmert. Damit ist die Verlagerung von eigentlich politischen Problemen in den Zuständigkeitsbereich des Einzelnen und seiner Psyche unter den Vorzeichen der Achtsamkeit abermals geglückt. Die Befürchtung der Dead Kennedys, dassZen Fascists“ Kinder und Jugendliche in Zukunft zur Meditation zwingen, ist damit in nicht allzu weite Ferne gerückt.

Klassenbester

Dass dieser Kurs mit seiner esoterischen Schlagseite am Fachbereich Politikwissenschaft abgehalten wird, mag im ersten Moment verwundern. Schließlich sind es die hiesigen Politlog*innen, die den universitären Karren regelmäßig aus dem Dreck ziehen, wenn die PLUS in internationalen Rankings wieder abschmiert. In diesen internationalen Rankings, gegenwärtig die harte Währung in der akademischen Welt, schneidet die Uni Salzburg als ganze nicht weiter beachtenswert ab. Die Politikwissenschaft hingegen konnte sich in diesem Jahr im gewichtigen Shanghai-Ranking in den weltweiten Top 100 platzieren und ist mit Abstand der erfolgreichste Salzburger Fachbereich vor der Geographie und den Earth Sciences.

Woher also die Not, Personal und vor allem Mittel in ein mehr als pseudowissenschaftliches anmutendes Proseminar zu investieren und sich so das Renommee zu bepatzen? Hat das Vorzeigekind der PLUS womöglich Narrenfreiheit, weil es sonst nichts zu beanstanden gibt?

Am Puls der Zeit

Eher ist es so, dass man hier einen generellen Trend beobachten kann. Richtet man seinen Blick auf jene, die gegenwärtig als die Koryphäen der Innovation und Fortschrittlichkeit betrachtet werden — ganz gleich ob Firmen wie Meta oder Einzelpersonen wie Elon Musk — so erkennt man, dass Esoterik, New-Age-Getue und und eine gehörige Portion Irrationalität stets als kleines Beiwagerl mit von der Partie ist. Sektenhafte Identifizierung mit dem Arbeitgeber; Chefs, die sich als Gurus inszenieren oder Eisbaden nach Wim Hof als Teamevent. Oder eben Achtsamkeitstrainings und Atemübungen..

Unter dem Schlagwort “New Work” finden solche Praktiken und Haltungen auch zunehmend in Österreichischen Breiten Beachtung und so gut wieder jede*r, die*der in einem Lohnarbeitsverhältnis steckt, wird früher oder später mit solchem Unfug konfrontiert werden. Mehrere übergeordnete Ziele werden mit der Implementation solcher zweifelhaften Managementpraktiken verfolgt. Zum einen retuschiert man das Ausbeutungsverhältnis, das jeden Job nun einmal auszeichnet. Aus einem Vorstand und der Belegschaft wird one big family

Zum anderen — Achtung, weitere Reizvokabel! — versucht man so seinen Untergebenen einzureden, dass man lediglich die eigene Resilienz bissi stärken müsse, um dem stetig wachsenden Druck beizukommen. Für Universitäten, die ein hochkompetitives Arbeitsumfeld darstellen, in dem Scheitern und Selbstausbeutung keine Fehler im System, sondern dessen Grundlage sind, ist das eine willkommene Strategie, Aspirant*innen emotional um den Finger zu wickeln. Nicht zuletzt kommt dazu, dass man sich durch das Abhalten eines Mindfullness-Seminars als ganzheitlicher Arbeitgeber im Geiste des Silicon Valley präsentiert.

Hokus Pokus

Dass einen der Zustand der Welt verrückt machen kann, ist wohl nicht von der Hand zu weisen. Krieg, Hunger und Leid sind ubiquitär und werden es wohl oder übel auch noch für eine Zeit lang bleiben. Auch, dass die Diskussionen von Lösungen wichtig ist, kann nicht bestritten werden. Welche Form eine solche Diskussion dabei annimmt, hängt dabei stark von dem Rahmen ab, in dem sie geführt wird. Wenn der Pfarrer in der Kirche vom Weltfrieden predigt, wird sich die Mehrheit der Kirchgänger*innen einig sein, dass vor allem der Glauben eine zentrale Rolle spielt, um diesen zu erreichen.

Werden in einer Universität solche Fragen verhandelt, sollte eine Grundprämisse, die ohne wenn und aber von allen Teilnehmer*inne geteilt wird, sein, dass man sich in einer wissenschaftlichen und von Vernunft bestimmten Weise dem Problem nähert und entsprechende Methoden heranzieht. Achtsamkeitsübungen, Dyadenarbeit und das Erforschen der eigenen Emotionen (in anderen Kontexten womöglich sehr sinnvoll!) erfüllen diese Kriterien mitnichten, sofern man in naher Zukunft die PLUS nicht in „New-Age-Schwurbel-Zentrum Paris Lodron“ umbenennen will. 

2 Comments

  • Luisa Lorenz sagt:

    Was ist denn das Problem daran, dass Dinge gleichzeitig passieren? Achtsamkeit zu praktizieren widerspricht nicht systemischer Kritik. Genauso wie es natürlich auch Sinn macht, dass die Einzelteile eines Systems eine Rolle spielen dabei, wie das System strukturiert ist / funktioniert. Diese dauernde Entweder-oder-Haltung nervt. Scheint nicht so, als ob der Autor irgendeine Ahnung von Meditation hat geschweige denn Erfahrung (es ist z.B. nicht möglich jmd zum meditieren zu zwingen) und trotzdem so tut, als hätte er eine Meinung drüber, die irgendwie wichtig bzw. credible wäre. Dann spricht er von den ach so hohen wissenschaftlichen Ansprüchen, ohne je seine Definition von wissenschaftlichkeit zu erörtern und dafür zu argumentieren und tut so, als ob es einfach eine gegebene gäbe, auf die er sich beruft, die unverhandelbar und offensichtlich sei. Gleichzeitig vermisst man stark tatsächliche Kritik und wird nur mit inhaltsleeren – ja keine Ahnung Abwertungen? Weil Argumente sind das nicht – konfrontiert. Dass die Situation der Welt wütend und verzweifelt macht ist durchaus nachvollziehbar, und eine Unizeitung kann möglicherweise auch der Raum sein dem Luft zu machen. Ob und wem das ganze nützt? Auf jeden fall der wütenden Person. Drüber hinaus fraglich. Auch eine Lehrveranstaltung nur aufgrund ihres Textes zu evaluieren (wobei dieser Rant hier nichtmal eine Evaluierung ist) – schwach. Vielleicht eher: sich mit den eigenen Emotionen, dem eigenen Eurozentrismus und dem eigenen Wissenschaftsbegriff mehr auseinandersetzen, ein bisschen Wissenschaftstheorie und Methodologie der Wissenschaften studieren und vor allem sich informieren, wenn man(n) sich rausnimmt eine „Meinung“ über etwas zu haben. Und sich dann ehrlich beantworten, warum man einen solchen Text schreibt und was für wen der Mehrwert sein soll. Thesen aufstellen, super Sache. Dann aber bitte auch dafür argumentieren, gerade, wenn man sich auf Rationalität und wissenschaftlichkeit berufen möchte, ansonsten wirkts bissl heuchlerisch bzw. inkompetent.
    „Dem Individuum, dass in einer komplexen Welt, zur Machtlosigkeit verdammt ist, wird so der Anschein der eigenen, souveränen Akteursfähigkeiten vermittelt.“ klasse These, wo ist die argumentation, warum soll ich das glauben, was ist Machtlosigkeit, ist Macht immer Kontext-/ Maßstabunabhängig?
    Im letzten abschnitt wird es nach einer zähen fahrt durch wütende Hysterie auch nochmal kurz interessant: „Werden in einer Universität solche Fragen [welche Fragen genau?] verhandelt, sollte eine Grundprämisse [warum genau / zu welchem Zweck?], die ohne wenn und aber von allen Teilnehmer*inne geteilt wird, sein, dass man sich in einer wissenschaftlichen und von Vernunft bestimmten Weise [was ist eine wissenschaftliche und vernunftbestimmte Weise / wie kann man das messen?] dem Problem [was genau ist das Problem / Mit welcher Methode werden welche Probleme identifiziert?] nähert und entsprechende Methoden [die da wären?] heranzieht.“ und es wird behauptet, dass z.B. das Erforschen der eigenen Emotionen nicht in betreffende Kategorie fällt. super eine These. Nur leider wird wieder überhaupt nicht dafür argumentiert, geschweige denn erst mal geklärt, was das denn zu bedeuten haben soll bzw. was hier genau behauptet werden soll. Vielleicht lässt die Wut sich in Zukunft ja – Achtung (ich denke) Reizvokabel!!11 – channeln in eine sinnvolle und klare Argumentation, damit tatsächlicher Diskurs möglich wird. Ansonsten, sich einfach nur aufregen wollen – klar kann man machen – kommt nur bisschen doppelbödig daher, wenn man dann so rum-moralisiert und selber nix nützliches beizutragen hat. Womit ich nicht meine, dass die eigenen Emotionen ausdrücken nicht nützlich sein kann. Das kann sogar sehr nützlich sein. Jedoch ist das am nützlichsten, wenn diese klar und reflektiert ausgedrückt werden, und nicht versteckt hinter einer vermeintlichen und höchst unklaren „argumentation“.

  • Sophia Reiterer sagt:

    Statement zum Artikel „Mindfullness bis zur Besinnungslosigkeit“

    Inmitten einer kapitalistisch geprägten Welt tut es manchmal gut, einfach durchzuatmen. Das rate ich auch dem Autor des Artikels „Mindfullness [sic!] bis zur Besinnungslosigkeit“, der in der aktuellen Ausgabe der Unipress erschienen ist. David Mehlhart wirft wild mit Anschuldigungen umher, die eine neue und innovative Lehrveranstaltung an der PLUS betreffen. Die Vorwürfe reproduziere ich jetzt nicht, Interessierte werden direkt im Artikel fündig. Auch werde ich folgendem Statement die Vorwürfe nicht einzeln widerlegen. Dazu habe ich schlicht keine Lust und keine Ressourcen.

    Ich habe an der beschimpften, „New-Age-Esoterik-“ Lehrveranstaltung teilgenommen. Wer mich kennt, weiß, dass ich die Wissenschaft liebe und von der Esoterik wenig bis gar nichts halte. Ich finde, Esoterik ist durchtränkt mit brauner Ideologie und Pseudowissenschaftlichkeit. Wie geht das also zusammen? Gar nicht. Esoterik oder Pseudowissenschaftlichkeit findet in genannter Lehrveranstaltung nicht statt. Ab der ersten Einheit haben wir uns mithilfe wissenschaftlichen, peer-reviewten Artikeln mit den – ja, das stimmt durchaus – psychologischen, aber auch mit strukturellen Aspekten von Stereotypisierung, Vorverurteilung und Diskriminierung auseinandergesetzt. So viel zur Wissenschaftlichkeit.

    Der Fokus lag dann, wie der LV-Titel deutlich macht, auf der inneren Arbeit sozialer Gerechtigkeit. Vielleicht lebt der Autor des Unipress-Artikels nur im Kopf. Ich habe jedenfalls einen Körper mit – Achtung Reizvokabel: Gefühlen (Ironie off). Dass Achtsamkeit (praktiziert z. B. durch Meditationen) wirksam ist und zu mehr Begegnungsoffenheit führt und dass innere Resilienz dabei hilft, sich für eine gerechtere Welt einzusetzen, ist wissenschaftlich längst nachgewiesen.

    Aktivismus ist unersetzlich. Aktivismus wird von Menschen gemacht. Aktuelle Entwicklungen zeigen, dass Aktivist*innen oft ausbrennen, sich eine Auszeit nehmen müssen. Auch wenn das Wort Achtsamkeit ein mittlerweile oft missverstandener und missbrauchter Begriff ist, der durchaus kapitalisiert wird, so ist dies doch der Schlüssel zu Resilienz.

    Die Empörung des Autors darüber, dass die Lehrveranstaltung (in seinen Worten „der Unsinn“) mit sechs ECTS-Punkten ‚vergütet‘ wird, lässt vielleicht ein klein wenig auf eine kapitalistische Haltung seinerseits deuten. Die sechs ECTS-Punkte entsprechen dem Aufwand, den ich in diesem Semester für die LV geleistet habe – das sei nebenbei angemerkt. Sind ECTS-Punkte ein rares Gut, das nur auserwählten Pauker*innen zustehen sollte? Werden die hart erarbeiteten ECTS-Punkte im ordentlichen Regelstudium abgewertet, weil LV-Besucher*innen für tägliche Achtsamkeitspraxis, wie Meditationsübungen, ECTS-Punkte bekommen? Auch, dass plötzlich internationale Uni-Rankings herangezogen werden, um die Lehrveranstaltung zu diffamieren, stimmt angesichts der eingangs geäußerten Kapitalismuskritik verwunderlich.

    Ich finde, dass es noch viel mehr solcher Lehrveranstaltungen geben sollte und lobe die Uni Salzburg dafür, dieses innovative Format auszuprobieren. Im Kopf sind wir eh schon die ganze Zeit. Der Körper lässt sich nicht davon trennen. Warum nicht also beides betrachten – natürlich wissenschaftlich?

    Zusammenfassend kann ich sagen, dass ich selten einen so unreflektierten und uninformierten Artikel gelesen habe. Nicht nur werden falsche Aussagen getätigt (z. B., dass politische Gründe von gesellschaftlichen Missständen nicht thematisiert würden) – nein, der Autor nimmt es sich heraus, die Lehrveranstaltung auf das Übelste zu beschimpfen und deren Legitimierung infrage zu stellen. Ich kann es nicht mit abschließender Sicherheit behaupten. Ich vermute aber, dass der Autor sich nicht mehr als 10 Minuten mit der Lehrveranstaltung, dem Syllabus oder dem Prinzip Achtsamkeit im Kontext sozialer Gerechtigkeit auseinandergesetzt hat.

    Gezeichnet,
    eine in der Wissenschaft arbeitende Esoterik-Gegnerin.

    PS: Ich erlaube der Redaktion der Unipress ausdrücklich, dieses Statement in einer Print-Ausgabe der up zu veröffentlichen. Gerne kann ich dann auch noch Überarbeitungen durchführen und/oder dezidiert auf einzelne Vorwürfe im Artikel eingehen.

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