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Kaum jemand hat vermutlich gerade die Energie dazu, doch es ist notwendiger denn je: Wir müssen uns nicht nur gegen die neuen studifeindlichen Offensiven wehren, sondern auch bereits bestehende Missstände wirksam bekämpfen.

Text: Hannah Wahl

Eine ewige Pandemie, Ausgangsbeschränkungen, ein Terror-Anschlag in Wien, das Jahr 2020 ist wohl das, was man nett ausgedrückt als “zach” beschreiben würde. Es verlangt uns so einiges ab und wir sind angestrengt bemüht, das Jahr gut herumzubringen. Trotzdem knabbern Social Distancing, die steigenden Covid-19-Infektionszahlen, Fernlehre und/oder Homeoffice, um nur paar Sachen zu nennen, an der emotionalen und psychischen Verfassung. Viele Studierende haben zudem ihren Nebenjob verloren und kämpfen mit Zukunftsängsten.

Leistung oder Rausschmiss!
Eigentlich sollte man besonders jetzt ein Auge für die Probleme von Studierenden haben und sich überlegen, welche Form von Unterstützung geleistet werden kann. Zum Beispiel, indem man auf sie hört, ihnen endlich zwei neutrale Semester zugesteht und sie damit zumindest während der Pandemie vom Leistungsdruck und vom Druck, genügend Geld für allfällige Studiengebühren aufzubringen, befreit. Stattdessen müssen sich Studierende auch jetzt vor Angriffen durch neoliberale Politik und kapitalistische Marktwirtschaft schützen. So sieht der Entwurf für das neue Universitätsgesetz (neben anderen Schnapsideen) vor, in den ersten beiden Studienjahren 24 ECTS-Punkte zu liefern; ansonsten wird man rausgeschmissen. Und dass, obwohl ein leitender Grundsatz der Unis doch angeblich soziale Chancengleichheit ist. Blöd für uns Studierende, wenn das ignoriert wird und man stattdessen einen Kurs der sozialen Selektion verfolgt, der dafür sorgt, dass wir noch ein paar Ängste mehr haben.

“Nur” 24 ECTS…

“Wo ist das Problem, sind ja nur 24 ECTS”, schrieb mir neulich eine Jus-Studentin auf Instagram, nachdem ich mich über die geplante UG-Novelle mokiert hab. Wunderbar, es gibt glücklicherweise Studierende, die es ohne Probleme schaffen, ihre Fächer planmäßig zu schaukeln. Nicht jede*r ist so privilegiert und kann, mit ausreichend finanzieller Unterstützung, sein Studium Vollzeit und ohne Ablenkungen verfolgen. Aber was ist mit Studierenden, die Vollzeit oder Teilzeit arbeiten müssen, Betreuungspflichten haben oder aus persönlichen oder gesundheitlichen Gründen nun mal nicht so schnell studieren können? Was ist mir all jenen, die, Gott bewahre, nur “nebenbei” studieren und nicht wissen, wie viel sie jedes Semester schaffen? All jene, die wegen Mehrfachbelastungen nicht innerhalb der Mindeststudienzeit abschließen können, erhalten dann als nettes Geschenk auch noch Studiengebühren, damit sie sich noch schwerer tun. Wer denkt sich was aus?

Auch Uniko-Chefin Sabine Seidler ist vorne mit dabei, wenn´s darum geht, den Leistungsdruck auf Studierende zu verschärfen. Das machte sie im Standard-Interview, das sie während der Corona-Pandemie gab, deutlich, indem sie betonte, Studierende hätten die “Verpflichtung, auch irgendwann einmal zum Abschluss zu kommen”. Was Frau Präsidentin nicht sieht, sind unsere individuellen Lebensrealitäten, die besonders während der Corona-Zeit enorm herausfordernd sein können. Würde sie die kennen, wäre ihr klar, dass noch mehr Leistungsdruck nicht zum Anstieg der Absolvent*innenzahlen führt, sondern nur die Drop-Out-Quote erhöht.

Für ein neutrales Studienjahr für alle – jetzt!

Reden wir doch einmal über ein neutrales Studienjahr! Ein Studienjahr, in dem man sich über andere Dinge Sorgen machen kann, als über seine Studienleistung. Eines, in dem man macht, was man schafft und keine Begründung liefern muss, wenn man weniger Leistung bringt. 2020 ist Grund genug. Das österreichische Universitätssystem wird davon nun wirklich nicht zusammenbrechen. Außerdem wäre ein neutrales Studienjahr ein gutes Zeichen, um zu zeigen, dass der Regierung nicht nur die Wirtschaft am Herzen liegt, sondern auch die Hochschulbildung. Da das sehr unwahrscheinlich passieren wird, Wissenschaftsminister Faßmann hat bereits verkündet, der Staat könne jetzt nicht für alles einspringen, sind die Rektor*innen nun gefragt, ihren Studierenden entgegenzukommen.

Die Unis müssen wieder brennen

Der unfaire Entwurf zum neuen Universitätsgesetz ist nur der jüngste Angriff auf Studierende. Schon lange gibt es Grund genug für eine neue unibrennt-Bewegung, die sich für die ersatzlose Abschaffung von Studiengebühren und allen möglichen Zugangsbeschränkungen einsetzt und damit den freien Hochschulzugang verteidigt, für die Aufstockung und Erweiterung des Stipendiensystems kämpft und auf die Unterstützung in allen studierendenrelevanten Lebensbereichen (Wohnen, Mobilität, Gesundheit, etc.) besteht. Darüber hinaus muss es eine neu aufflammende Studierendenbewegung mit der fortschreitenden Ökonomisierung und Entdemokratisierung der Universitäten aufnehmen und ihre Ausfinanzierung einfordern.

Anstatt Studierenden ein neutrales Studienjahr zuzugestehen, bestehen offensichtlich keine Skrupel, auch während der Corona-Pandemie neue, Barrieren für Studierende zu errichten. Wir müssen uns nicht nur dagegen mit verfügbaren Kräften wehren, sondern auch den Kampf gegen die bereits manifesten Missstände wieder aufnehmen. Die Unis müssen wieder brennen!

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