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Text: eine Lateinstudentin

Vor ein paar Semestern wurde ich, an der Salzach auf einer Bank in der Sonne sitzend, von einem pausierenden Radfahrer angesprochen. Nach einer kurzen Runde Smalltalk wusste er, was ich studiere, nämlich Latein. Dies bemüßigte den Gesprächspartner, eine Brandrede gegen mein Studienfach auf mich loszulassen – schlechte Erfahrungen mit Latein als Schulfach bildeten die Basis seines hochqualifizierten Monologs.

Offenbar hielt er diesen für dermaßen anregend – zentrale Themen waren Modernisierung, Effizienz, Zukunft und Technologisierung -, dass er mir anbot, sich meine Handynummer zu notieren, für weiteren Austausch. Meinem antiquierten Dasein entsprechend beteuerte ich, nicht über einen solchen Mobilfunkempfänger zu verfügen. So stieg der Lateinexperte eben auf sein computerisiertes Sportbike und radelte davon, um seiner Zukunft nachzujagen. Ich wandte mich etwas irritiert in die Salzburger Altstadt, wo lateinische Inschriften uns daran erinnern, dass man die Vergangenheit von der Zukunft nicht trennen kann, weil das eine das andere bedingt. 

Unser Fach formt gerade durch die Beschäftigung mit Vergangenem unsere Zukunft, das wissen viele: Der Fachbereich Altertumswissenschaften gilt universitätsintern als durch und durch daseinsberechtigt.

Freilich gibt es Leute, die sich über uns wundern. Unsere für den universitären Tag der offenen Tür in Tunica und Toga gewandeten Kolleg*innen wurden vor einigen Jahren von einem Kamerateam gefilmt und erst neulich kramte der ORF diese Aufnahmen wieder aus der Lade, um das Konzept „Orchideenfächer“ aussagekräftig zu bebildern. Doch die universitätsinterne Haltung der klassischen Philologie gegenüber ist geprägt von einer eigentlich simplen Erkenntnis: Latein und die klassische Bildung sind die Basis fast aller unserer Wissenschaften. Latinisten und Latinistinnen kümmern sich um das sprachliche Fundament unserer westlichen Kulturen.

Und doch sehen wir Studierende uns nun genötigt, eine Petition und eine Infowebsite zu betreiben, deren Ziel vordergründig der Erhalt unserer einzigen vollwertigen Professur, letztendlich aber die Rettung unserer Philologie in Salzburg ist. 

3802 Menschen aus 59 Ländern haben uns bisher ihre Unterstützung mitgeteilt und so die Überzeugung kundgetan, dass unsere Salzburger Latinistik international Unverzichtbares leistet. 3802 Menschen sind der Ansicht, dass eine Streichung unserer einzigen vollwertigen Professur mehr Schaden anrichtet, als man an Geld dadurch sparen könnte. Es sind unter diesen Personen unter anderem Universitätsprofessor*innen, Lehrer*innen, Student*innen, Schüler*innen, Kfz-Mechaniker*innen, Jurist*innen, Bildungspolitiker*innen, Künstler*innen, Mathematiker*innen, IT-Techniker*innen, Manager*innen und Mediziner*innen gelistet. Warum also müssen wir nun um unsere Zukunft fürchten? 

Die Frage ist freilich eine rhetorische, denn die Antwort ist längst bekannt. Wer noch rätselt: Fragen Sie unsere Romanist*innen, die fünf Jahre mit einer Professur weniger auskommen müssen, oder unsere Slawist*innen, die mit der Romanistik zu einem kruden Amalgam verschmolzen werden sollen, als hätten sie keine eigenständige Daseinsberechtigung! Oder unsere Linguist*innen, die dasselbe Schicksal mit der Germanistik ereilen soll! Fragen Sie jene Personen, die unsere Petition gerne unterschrieben hätten, aber aus Furcht, deshalb ihren Job an der Uni Salzburg zu verlieren, davon Abstand genommen haben! 

Die Antwort lautet: Ein neuer Rektor hat sich auf der metaphorischen Salzachbank der Uni Salzburg niedergelassen und monologisiert nun über unsere Fächer, als kenne er allein deren Wertigkeit und Wichtigkeit. Um sein Insiderwissen über die Latinität kundzutun, verschickt Lehnert übrigens nett gemeinte (?), aber inhaltsbefreite lateinische Briefe an unsere Unterstützer*innen und dekliniert dabei universitas falsch. Er spricht über Modernisierung, Effizienz, Zukunft und Technologisierung und findet, dass er und wir in einem super Dialog miteinander stehen. Doch unseren mittlerweile verzweifelten Aufforderungen, endlich auch nur einen einzigen konkreten Grund für die Streichung ausgerechnet unserer Professur zu nennen, wird er nicht nachkommen. Denn Lehnert ist in Richtung seiner Zukunft unterwegs, und dort gibt es geisteswissenschaftliche Fächer bestenfalls in amputierter Form. Über die Reputation unserer Universität in dieser Zukunft scheint sich Lehnert wenig Gedanken zu machen. Dass internationale Stimmen sein Vorgehen als geradezu peinlich für die PLUS bezeichnen, lässt Lehnert kalt.


Es ist pervers, dass es diesmal nicht ein schultraumatisierter Lateinhasser mit schlechten Manieren ist, der mein Fach als lästiges, kostenaufwendiges und ineffizientes Beiwerk zu echter Forschung betrachtet, sondern die Magnifizenz selbst. Das neue Rektorat ist im Begriff, etwas hochzuziehen, das ich nur mit einem Neolatinismus treffend betiteln kann: uniperversitas.

Rückmeldungen bitte via Fax an 0815 753-1453

Infos zur Petition:

Petition: https://www.petitions.net/securing_the_long-term_future_of_latin_and_the_csel

Status: eingereicht bei Senat, Uni-Rat und Rektorat am 02.11.2020 mit 3226 Unterschriften.

Die Petition läuft auch nach der ersten Einreichung weiter.

Weiterführende Informationen: https://petitionlatinistik.org/

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