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Was für Auswirkungen eine gewaltvolle, narzisstische Beziehung auf die Psyche hat, ist einem anfangs nicht ganz bewusst. Solch ein Trauma kann einen ein Leben lang prägen. Ich wünschte mir, ich hätte mir niemals so viel gefallen lassen und hoffe, dass mir so etwas nie wieder passiert.

Von Anna Plaßnig*

Mit ständiger Angst zu leben ist, denke ich, einer der emotional schlimmsten Zustände, die man haben kann. Denn die Angst frisst dich. Und je länger du mit ihr lebst, umso mehr merkst du, wie es dir psychisch schlechter und schlechter geht. Ich lebe seit über eineinhalb Jahren mit ständiger Angst. Jetzt fragst du dich bestimmt wieso.

Eine gewalttätige, narzisstische Beziehung begleitet mich seit zwei Jahren und ich komme einfach nicht aus ihr raus. Wieso? Ganz einfach, weil er jedes Mal, nachdem er zugeschlagen hat, der Mann ist, in den ich mich verliebt habe. Und ein Narzisst kann einen so gut um den Finger wickeln. Nun denkst du dir bestimmt auch, wie kann man nur so naiv sein und immer wieder darauf reinfallen? Ja, das denke ich mir auch immer wieder, aber nur jemand, der selbst in einer toxischen Beziehung war, kann es verstehen, wieso man immer wieder auf diese Person reinfällt.

Jedes Mal nachdem ich es einige Wochen geschafft habe, ihn zu vergessen, kommt er wieder an und versucht mich mit jeglichen Mitteln zurückzuerobern. Dieser Mensch ist so krank, wenn ich euch nur ein bisschen über ihn erzähle, werdet ihr denken, ich hätte das alles erfunden… aber fangen wir mal an…

Anfangs war die Beziehung mehr als perfekt. Wir waren fast jeden Tag zusammen, er zeigte mir, wie sehr er mich liebte, und dass er nur mich im Kopf hat. Ich lernte relativ schnell seine Familie kennen und ich war immer öfter und öfter bei ihnen zuhause, bis ich schlussendlich unbewusst dort eingezogen bin. Ich hatte meine eigene Wohnung und dadurch, dass ich nie zuhause war, vermietete ich sie nach Rücksprache mit meinem Vermieter. Ab da fing mein Albtraum an. Ich war sozusagen eingesperrt in einer Wohnung mit ihm und konnte nirgends hin, weil niemand wusste, was hier eigentlich abgeht, und meine Wohnung besetzt war.

Er veränderte sich von einem Tag auf den anderen um 180 Grad. Er fing an, mich zu kontrollieren, ließ mich nirgends ohne ihn hingehen und unterstellte mir ständig irgendwelche Sachen. Er schnappte sich immer mein Handy und sperrte sich damit stundenlang ins Bad. Er kontrollierte alles, was nur geht, meine ganzen Social-Media-Accounts, meine Mails, meine Telefonate, sogar meine Youtubeplaylist (und behauptet dann, ich würde traurige Lieder hören, weil ich wegen anderen Männern Liebeskummer habe), lud verschiedene Apps herunter und unterstellte mir dann, ich sei dort angemeldet und schriebe mit anderen Männern. Er kontrollierte meine Standorte und meine letzten Suchanfragen in Google Maps. Wenn er mir nicht geglaubt hat, dass ich einen Standort wegen dem und den Grund gegoogelt habe, fuhr er mit mir dorthin und läutete an den Türen. Er hatte ständig Zugriff auf meinen Standort, also konnte er immer sehen, wo ich genau bin… Manchmal stand er dann einfach da, wo ich gerade war, um zu kontrollieren, ob ich eh nicht mit irgendeinem Mann dort bin. Dann fing er an, mir zu unterstellen, ich hätte ein zweites Handy oder eine zweite Simkarte, mit der ich mit anderen Männern Kontakt habe. Aber das war alles nur der Anfang…

Seine Wutausbrüche kamen immer öfter und irgendwann wurde er handgreiflich. Ich weiß noch ganz genau: das erste Mal war, weil ich mir seinen Namen nicht tätowieren wollte, da riss er den Rückspiegel im Auto aus und schlug mir damit ins Gesicht. Ich hatte ein blaues Auge und er drohte mir, wenn ich etwas sage, würde ich ihm solche Probleme machen und ich könnte dann nicht mehr bei ihm in der Wohnung bleiben. Also ließ ich mir eine Ausrede bei jedem, der fragte, einfallen. Mit der Zeit fing er an, immer paranoider zu werden und schizophren.

Nach einiger Zeit wurde meine Wohnung wieder frei und ich zog zurück in mein eigentliches Zuhause. Jedoch besonders wohl habe ich mich dabei nicht gefühlt. Ich fing an, Ängste zu entwickeln. Jedes Mal wenn ich wohin ging, machte ich Fotos, damit ich ihm sozusagen beweise, dass ich auch wirklich dort bin und auch wirklich das mache. Ich fotografierte auch immer die Personen, mit denen ich war, aber ich konnte mir trotzdem ständig irgendwelche Vorwürfe anhören.

Eines Tages stand er vor meiner Türe und randalierte. Er bildete sich ein, durch meinen Türspion einen Mann zu sehen. Mein Hausmeister rief mich an und fragte mich, ob dieser Mann vor meiner Türe zu mir gehört, wenn nicht würde er die Polizei rufen. Ich sagte ihm, dass er zu mir gehört, wir aber gerade streiten und ich nicht möchte, dass er zu mir rein kommt. Während ich mit dem Hausmeister telefonierte, läutete es an der Türe und der Lieferservice stand unten, weil ich mir eine halbe Stunde zuvor was zum Essen bestellt habe. Ich fragte den Hausmeister am Telefon, ob mein Freund noch vor der Türe steht und er sagte Nein. Also hab ich die Türe geöffnet, um mein Essen entgegenzunehmen. Auf einmal schoss er in die Wohnung rein und verprügelte mich vor jedem. Er schlug mit Fäusten auf mich ein und ich fiel zu Boden. Ich habe es irgendwie geschafft aufzustehen und versuchte davonzurennen, aber er zog mich an den Haaren wieder zurück in die Wohnung. Erst als mehrere Nachbarn meine Schreie hörten und mir zu Hilfe kamen, hörte er auf. Der Hausmeister sagte, er hätte die Polizei gerufen, jedoch wurde ich nie von ihnen diesbezüglich befragt. Also denke ich nicht, dass er die Polizei rief. Ich schlief einige Tage dann bei einer Freundin, wo ich mich sicher fühlte. Er hat sich tagelang nicht bei mir gemeldet, bis sich nach paar Tagen sein Bruder meldete und mir sagte, er sei in der geschlossenen Psychiatrie, weil er auf einen Tankwart losging. Ich rief in der Psychiatrie an, um zu erfahren, was passiert ist, aber sie durften mir keine Auskunft darüber geben. Als ich schließlich mit ihm geredet habe, sagte er zu mir, ich wüsste ganz genau, was war und dass alles wegen mir passiert sei.

Ich habe mit der Ärztin ausgemacht, sie würde mir Bescheid geben, wenn er rauskommt. Also ging ich wieder zurück in meine Wohnung, in der ich mich endlich einige Tage sicher fühlen konnte, weil ich wusste, dass er nicht rauskommen kann.

Ich wusste, dass er Drogen nimmt. Aber ich wusste nicht, dass er ein Abhängiger war. Er konnte das so gut verheimlichen, so dass seine Familie jahrelang nichts mitbekommen hat. Er schob sein Verhalten schlussendlich immer auf die Drogen, dass er durch sie zum Halluzinieren anfange und dass er es nie wieder machen wird. Er will ein Leben mit mir und nicht mit Drogen und will es endlich schaffen clean zu werden. Er konnte das so überzeugend rüberbringen und ich glaubte ihm und wollte ihm wirklich helfen und beistehen. Irgendwie tat er mir leid und irgendwie wurde es normal, dass ich mich so behandeln ließ. Weil er ja „ohne die Drogen gar nicht so ist“.

Eines Tages gingen wir zusammen zu Verwandten und plötzlich wollte er ganz schnell weg und wir fingen wegen irgendeinem Vorwurf zu streiten an. Ich ging also zu Fuß nach Hause und er nahm mein Auto. Als ich zuhause ankam, nahm ich ein gemütliches Bad, um etwas runterzukommen. Plötzlich bekam ich einen Anruf von der Polizei, dass ich mein Auto abholen müsse, denn es hat einen Totalschaden. Ich wusste nicht was los war, nahm aber sofort ein Taxi und fuhr zur Polizei. Sie sagten mir, dass mein Partner eine Amokfahrt gemacht hat und fast einige Menschen zusammengefahren hätte. Der Hubschrauber habe ihn mitten in einem Feld aufgehalten. Ich war extrem schockiert darüber und fragte mich zum ersten Mal, wie tief ich eigentlich da rein gesunken bin und dass ich einfach nicht mehr mit diesem Menschen zusammen sein wollte.

Ich rief seinen Anwalt an, der ihm helfen sollte und rausfinden sollte, was passiert ist. Ihm wurde erlaubt mit seinem Anwalt zu reden, aber er glaubte, die Polizei würde ihn verarschen und es ist gar nicht sein Anwalt. Er fing an, seinem Anwalt komische Fragen zu stellen, wie „Woher kennen wir uns genau? Bei welcher Verhandlung haben Sie mich vertreten? “ etc.

Nachdem er an diesen Abend wieder in die geschlossene Psychiatrie eingesperrt wurde, beschloss er, dort einen kalten Entzug zu machen. Ich dachte mir wirklich, wow jetzt wird alles anders. Jetzt gibt es keine Drogen mehr und kein Halluzinieren. Es stellte sich heraus, dass er an dem Tag, an dem er eine Amokfahrt machte, sich eingebildet hat, ich wäre in einem Hotel mit einem Mann und er wollte dorthin, als er am Weg war, verfolgten ihn aber ganz komische Menschen, die wie von der Mafia aussahen. Irgendwie hatte ich ja doch ein bisschen Mitleid mit ihm, weil er extrem krank ist. Einige Wochen nach diesem Vorfall war er wieder der ganz alte Mensch, den ich kennen gelernt habe. Wir hatten eine so schöne Zeit miteinander und er nistete sich irgendwie unbewusst bei mir ein. Ab da ging wieder alles von vorne los.

Eines Abends waren meine Freundinnen bei mir und als sie nach Hause gingen, hörte ich, wie jemand bei mir über den Balkon einbrechen wollte. Ich schob den Vorhang auf die Seite und sah dort einen Menschen stehen. Ich rief ihn an, aber sein Handy war ausgeschaltet, also rief ich vor Angst die Polizei. Die Polizei konnte ihn an meinem Balkon auffinden. Es stellte sich heraus, dass er sich eingebildet hat, ein Mann wäre bei mir gewesen.

Eines Tages sagte er zu mir, er würde sich mit Freunden treffen. Er ging und ich ging eine Runde um den Block spazieren. Als ich wieder zuhause ankam, machte ich mir etwas zu essen, ich ging duschen und schaute fern. Nach ungefähr einer Stunde hörte ich jemand aus meinem Schlafzimmer meinen Namen schreien, als ich hinrannte, um zu schauen, was da los ist, kroch er unter meinem Bett heraus. Er lag bestimmt für über eine Stunde darunter und behauptete, es hätte sich wer aufs Bett gesetzt und er konnte nicht heraus kommen. Sowas hat er schon mal gemacht, aber da stand er in meinem Schrank über eine Stunde versteckt.

Es waren noch so viel mehr Vorfälle, beispielsweise dass er bei meiner Nachbarin eingebrochen ist und von ihrem Balkon zu meinem rübersprang, um zu schauen, was ich mache. Ich würde es so gerne schaffen, aus dieser geisteskranken Beziehung zu kommen, aber die Angst hindert mich, es zu beenden. Ich habe zu große Angst davor, dass er mir was antun wird, wenn ich mich trenne, denn dazu ist er definitiv in der Lage. Dieser Mensch ist extrem unberechenbar. Ich habe mir auch schon an mehreren Anlaufstellen Hilfe geholt und es besteht eine einstweilige Verfügung, jedoch wird ihn das nicht daran hindern, mir etwas anzutun. Ich gehe in eine Therapie, wo ich all diese Wunden in mir heilen versuche, doch das ist noch ein extrem langer Weg. Ich hoffe, ich werde auch bald wieder gesund sein und so ein glückliches Mädchen wie ich damals war! Ich will nicht mehr mit dieser Angst leben, denn sie frisst dich und macht aus dir einen anderen Menschen, als du eigentlich bist.

Mädels, ihr solltet sofort von Anfang an auf bestimmte „red flags“ achten, denn irgendwann seid ihr so tief drinnen und ein Ausstieg wird extrem schwer! Lasst euch nicht von eurer rosaroten Brille blenden, solche Menschen sind hochgefährlich! Ich hoffe wirklich, dass ich es heil herausschaffe und dass mir nie wieder so etwas Schreckliches passiert wie in den letzten zwei Jahren!

* Der Name wurde von der Redaktion geändert

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