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Nach der Bürger:innenbefragung am 26. Juni wurde das Projekt zum Ausbau der Mönchsberggarage auf absehbare Zeit abgesagt. Ich habe mich mit den beiden Aktivist:innen Tom Beck und Sophie Schönamsgruber von AMS (Aktionsbündnis Mobilitätswende Salzburg) über ihr zweites Protestcamp, den schlussendlichen Wahlsieg und allgemein zu ihrer Bewegungsorganisation unterhalten. Beiträge zu diesen Themen befinden sich auch in den letzten beiden Ausgaben.

Von Georg Pidner

Was hat sich im Vergleich zum letzten Protestcamp geändert?

Sophie: Diesmal haben wir größer geplant, da auch der geplante Zeitraum ein längerer war. Wir waren mehr Menschen, die in der Vorbereitung geholfen haben und konnten auch schon auf Erfahrungen des letzten Camps zurückgreifen. [Ein Bericht über dieses befindet sich in der letzten Ausgabe 708, auf S. 55 bis 58; Anmerkung] Der Anmeldeprozess war diesmal auf jeden Fall schwieriger. Ursprünglich war geplant, das Camp im Hans-Donnenberg-Park aufzubauen, da dieser in unmittelbarer Nähe zum Ort des Geschehens, zum Krauthügel, liegt. Das wurde uns jedoch von der Stadt untersagt, da es ein Campingverbot im gesamten Stadtgebiet gibt und uns keine Ausnahmegenehmigung erteilt wurde. Auch das Argument, dass wir eine Versammlung und die Zelte lediglich Versammlungsmittel sind, hat leider nicht gewirkt, was schon ein ziemlich frecher Einschnitt ins Versammlungsrecht ist. Mangels einer Alternative haben wir dann wieder am Mozartplatz aufgebaut. Da es zum zweiten Mal ein Protestcamp an derselben Stelle gab, war die Medienaufmerksamkeit auf jeden Fall um einiges geringer.

Tom: Es ist auf allen Ebenen ein bisschen größer und auch dringender gewesen. Die ganzen Prozesse, die für uns ja fremd waren am Anfang, waren halt schon gewohnt. Zum Beispiel Nachtwachen.

Wie fandet ihr es?

Tom: Wettertechnisch sehr extrem. Da die Bürger:innenbefragung zeitlich sehr nahe war und dringend, ist es zu extremeren Meinungen gekommen. Es gab viele Passant:innen, die uns einfach das komplette Recht hier zu sein abgesprochen haben. Es gab dann wieder welche, die alles gemacht hätten, was wir gefordert hätten – da ist dann oft zu Ressourcenspenden gekommen, Essensspenden. Das war beim letzten Mal nicht so.

Was war geplant, was wurde vor Ort durchgeführt? Es wurde ja einiges angekündigt.

Sophie: Vor Ort gab es abends Musik, zweimal wurde aufgelegt, einmal ein Punkkonzert. Wir haben auch ein paar Skillshares gemacht, das war aber vor allem innerhalb der Gruppe. Da gabs von Kleidung reparieren, jonglieren bis zu Gebärdensprache ganz unterschiedliches Angebot.

Geplant wäre eigentlich noch mehr Musikprogramm gewesen, aber auch Yoga und Vernetzungstreffen mit anderen linken Organisationen, mit den Menschen der Nein-zum-Loch-Initiative sowie dem zweiwöchig stattfindenden Trinken mit Linken. Nachdem wir uns dann aber entschieden haben, das Camp frühzeitig abzubauen, sind viele der Sachen nicht mehr passiert oder dann in einem etwas anderen Format.

Ich glaube, wir hätten gerne mehr Menschen von außerhalb angesprochen, aber durch die Hitze war der Mozartplatz leider tagsüber, trotz einigen Schattenorten, kein sehr angenehmer Ort zum Verweilen, weil es extrem heiß war.

Ich habe zufällig Aktivist:innen „von überall und nirgendwo her“ vorm Frei:Raum getroffen, die für das Protestcamp da waren. Was habt ihr von diesen Begegnungen mitnehmen können?

Sophie: Einfach mal ein paar Sachen, aber ohne Reihung und auch sicher nicht vollständig: Das Gefühl, dass Menschen an sehr vielen Orten für Klimagerechtigkeit und ein gutes Leben für alle kämpfen und dass wir nicht alleine sind. Dass die Gruppe, die sich in Salzburg zusammengefunden hat, schon was sehr Besonderes ist und dass sich Menschen schon sehr wohl und aufgehoben fühlen bei uns. Ein Mensch hat uns erklärt, wie wir Plena gut strukturieren können, sodass sich alle Menschen in der Denkarbeit sehen und die nicht an einzelnen Personen hängenbleibt. 

Wie groß schätzt ihr euren Anteil an diesem Ergebnis ein?

Tom: Was die Sichtbarkeit betrifft – wir konnten einige Menschen mobilisieren, haben andere Zielgruppen angesprochen, da wir physisch präsent waren, nicht nur Medienkampagnen-wirksam.

Sophie: Wir denken, dass die Bürger*inneninitiative, die doch sehr viele Ressourcen in die Verhinderung dieses absurden Projekts gesteckt hat, und das zum Teil schon seit vielen Jahren, den größten Anteil an diesem Ergebnis hatte. Wir denken aber schon, dass auch unsere Protestcamps und die klare Ansage, dass wir den Ausbau nicht protestlos hinnehmen werden, einen Anteil beigetragen hat. Und auch ein klares Zeichen gesetzt hat, dass sich junge Menschen engagieren und nicht einfach alles gefallen lassen. Ich denke, dass wir eine eher unberechenbare Variable in der Protestlandschaft dargestellt haben, was wir ja auch mit diversen unkonventionellen Protestformen, wie der Lärmaktion oder den Protestcamps im Laufe der Zeit gezeigt haben.

In einer eurer Presseaussendungen stand: „Das Ergebnis der Bürger*innen-Befragung zeigt, dass die Bevölkerung die autozentrierte Mobilitätspolitik nicht weiter duldet.“ Glaubt ihr tatsächlich, dass mensch bei einer so geringen Wahlbeteiligung (nur 22 Prozent – nicht einmal die Hälfte der Hälfte) ableiten kann, dass „die Bevölkerung“ dezidiert eine andere Politik einfordert?

Sophie: Ich denke schon, dass ein Teil der Menschen, die zur Abstimmung gegangen sind und auch gegen den Ausbau gestimmt haben, diese Politik nicht weiter duldet und sieht, dass diese Summen anderweitig besser investiert sind.

Tom: Es ist auf jeden Fall ein gewisses richtungsweisendes Zeichen, wenn man so will.

Ich würde behaupten, dass ein Großteil der wahlberechtigen Bevölkerung eher apathisch ist – generell zu verschiedenen politischen Themen, auch zu alltagsnahen Verkehrsfragen. Habt ihr Pläne, wie ihr mehr Menschen, auch apathische Nicht-Wähler:innen, in die Bewegung integrieren könnt? Oder ändert die Wahlbeteiligung nichts an eurer politischen Arbeit und etwaigen Mobilisierungsstrategien?

Sophie: Das mit der Apathie stimmt sicherlich. Und die Gründe, warum Menschen gegen den Ausbau gestimmt haben, waren sicher unterschiedliche. Ich denke, dass es sehr wichtig ist, auch Menschen außerhalb unserer Blase zu erreichen und mit einer möglichst breiten Bevölkerung für eine sozial-gerechte Mobilitätswende und ein gutes Leben für alle zu kämpfen. Ich glaube, dass eine gute Möglichkeit hierfür ist, den Menschen Alternativen aufzuzeigen, zum Beispiel mit einem Straßenfest deutlich zu machen, wie viel Platz für Menschen es eigentlich gäbe, wenn da keine Autos parken würden.

Was hättet ihr gemacht, wenn die Wahlbeteiligung deutlich geringer ausgefallen wäre und der Bau kurz bevorstände? Also was wären eure Optionen bei anderen Ausgangsszenarien gewesen?

Sophie: Bei einer geringeren Wahlbeteiligung wäre der Ausbau wohl eher nicht abgesagt worden. Wir hätten den Baubeginn auf jeden Fall nicht protestlos hingenommen. Genaueres mag ich dazu aber nicht sagen.

Tom: Wenn das Verhältnis trotzdem dasselbe gewesen wäre, also 80-20, dann hätten wir uns schon bestätigt gesehen, dass es auf jeden Fall einen Widerstand gibt und dass der Bürgermeister gegen die Bürger:innenbefragung hinweg entscheidet.

Wie geht es nun weiter – mit der Bewegung für eine sozial-gerechte Mobilitätswende und im konkreten mit AMS?

Sophie: Wir kämpfen natürlich weiter für eine sozial-gerechte Mobilitätswende und ein gutes Leben für alle. Wie genau dieser Kampf aussieht, wird sich noch zeigen. Aber wir werden aktiv bleiben, uns weiter vernetzen, unsere Skills erweitern und teilen.

Tom: Wir müssen jetzt viel reflektieren und schauen, was wir in Zukunft angehen können. Was sicher ist, ist, dass die Gruppe eine besonders gute ist. Wir haben von Anfang an sehr auf Achtsamkeit miteinander gesetzt und nachhaltigen Aktivismus – dass wir uns dadurch nicht irgendwie kaputt machen. Das war uns besonders wichtig und deswegen glaube ich, dass die Gruppe weiter bestehen bleibt.

Was zeichnet diesen nachhaltigen Aktivismus aus?

Sophie: Ich glaube, dass wir ganz gut aufeinander aufpassen. Eine Person hat mal zu mir gesagt, dass sie es schön findet, dass alle jederzeit ihre Bedürfnisse äußern können und dass die immer gehört werden und ok sind. Das fasst es, glaube ich, ganz gut zusammen.

Was bedeutet dieser Sieg, die Absage der Mönchsberggaragenerweiterung, für euch?

Sophie: Wir freuen uns natürlich, es fühlt sich aber auch sehr absurd an und das Ende kam fast ein bisschen zu schnell für einige von uns, glaube ich. Am konkretesten bedeutet es wohl, dass wir unseren Sommer nicht in Salzburg mit Protestieren verbringen müssen, sondern uns ein bisschen erholen können und auch andere widerständische Orte, von denen uns erzählt wurde, besuchen können, um uns weiter auszutauschen und anderes kennenlernen zu können.

Tom: Ein positives Feedback, dass wir auch eine gewisse Daseinsberechtigung haben im Ganzen. Sehr viele Bürger:innen haben uns gesagt, dass Salzburg Menschen wie uns braucht und sie sowas total fördern wollen. Dass Protestcamps auf jeden Fall eine legitime Protestform sind, die viel bringen könnten – auch für andere Themen.

Was ist eure Position zum S-Link-Projekt?

Sophie: Wir haben als AMS keine Position zum S-Link. Ich persönlich finde es wichtig, dass ein System gut durchdacht ist, also dass im Fall S-Link das bestehende Obus-System gut eingebunden wird, sodass Menschen keine Einschränkungen im Angebot erfahren, nur weil es ein supertolles, neues Prestigeprojekt ist.

Wie hat sich eure Bewegungsorganisation seit der Entstehung entwickelt? Was sagt ihr zu dieser Entwicklung?

Sophie: Ich glaub, dass wir uns ziemlich krass entwickelt haben und alle im Rahmen des letzten halben Jahres sehr viel gelernt haben. Wir haben Camps organisiert und aufgebaut, verschiedene Aktionen geplant und durchgeführt, Versammlungen angemeldet, Pressearbeit gemacht, unsere internen Kommunikationsstrategien angepasst, wenn sie nicht funktioniert haben. Wir sind in den Austausch mit verschiedensten Menschen gekommen und haben uns unterstützt, wenn es Menschen innerhalb der Gruppe nicht gut ging. Wir haben gelernt, flexibel auf geänderte Rahmenbedingungen zu reagieren. Ich bin schon sehr stolz auf das, was wir geschafft haben und auch darauf, dass wir so gut zusammengearbeitet haben, ohne uns zu zerstreiten und auszubrennen.Tom: Am Anfang gab es einen riesigen Zustrom, weil wir eine Kick-Off-Veranstaltung hatten. Dann waren viele weg und dann sind aber manche wieder zurückgekommen. Danach hat sich ein Kern gebildet, der sehr sehr stark war. Das sehe ich als sehr solides Fundament, um das weiterzuentwickeln. Deswegen bin ich sehr zufrieden mit dem Ganzen. Also ich hatte bis jetzt noch keine Gruppe, in meinem Leben als engagierte Person, die sich so gut, so schnell organisiert hat und so nachhaltig miteinander umgeht.

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