Zum 400. Geburtstag der Paris Lodron Universität Salzburg ist es an der Zeit, auch einmal einen Blick auf ihren Instagram-Auftritt (Username: plus_1622) zu werfen. Dieser verrät weniger über die Vergangenheit, die ja gar nicht aus 400 Jahren besteht, aber dafür vielmehr über die Gegenwart und die Zukunft, also die ohnehin wichtigere Zeit. Die Zeichen verdichten sich, dass die Uni – ganz ohne Spaß – auf Paris London Universität umbenannt werden müsste, da sie mittlerweile der City of London nähersteht, als dem Gründervater.
Karl Mags
Instagram ist die phantastische Verwirklichung des menschlichen Wesens, weil das menschliche Wesen keine wahre Wirklichkeit besitzt. Der Kampf gegen Instagram ist also mittelbar der Kampf gegen jene Welt, deren geistiges Aroma Instagram ist. Instagram ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüt einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist. Die Plattform ist das neue Opium des Volkes.*
Wer glaubt, ich hätte die geistige Größe für ein solch visionäres Zitat, das nach ca. 180 Jahren für die Beschreibung eines neuen sozialen Feldes nur minimal umformuliert werden muss, der irrt sich. Es stammt von Karl Marx, der statt Instagram noch die Religion kritisiert hat. Aber neue Ideologien knechten die Menschheit unserer Tage – unter anderem die der Digitalisierung und Technologisierung im Allgemeinen und als deren Auswuchs die (a)sozialen Medien respektive Instagram im Besonderen. Die PLUS als Universität agiert ebenfalls in diesem über weite Strecken geistlosen Kosmos. Bevor aber überhaupt der Auftritt der PLUS auf Instagram beleuchtet werden kann, müssen einige Gedanken über das Feld der Universität und das Feld der (a)sozialen Medien, v.a. Instagram, angestellt werden. Es stellt sich dabei die Frage, ob diese zwei gesellschaftlichen Felder überhaupt kompatibel sein können.
Das Feld der Universitäten
Spätestens ab der Moderne (damit ist hier die Zeit ab der französischen und industriellen Revolution gemeint) lassen sich Universitäten als Motoren und Zentren des Fortschritts begreifen. Und natürlich waren auch schon die universitären Hochschulen der frühen Neuzeit und insbesondere die der Aufklärung maßgeblich an den Zivilisationsschüben beteiligt, die erst zur Moderne geführt haben – egal, ob durch die Natur- oder die Geisteswissenschaft. Nachdem die sakrale Benediktiner-Uni Salzburg ja 1810 aufgelöst und erst 1962 als weltliche Institution neugegründet wurde, könnte diese – wenn überhaupt – erst seit knapp über einem halben Jahrhundert als modernes Zentrum gelten. Man müsste sich also die Frage stellen, ob die PLUS je eine Institution im Sinne der modernen Ideen von Unis war, wenn man bedenkt, dass vor 1810 die Kirche großen Einfluss geübt hat und seit Neuestem die Digitalisierung/Technologisierung und damit die kapitalistische Wirtschaft diese Position einnimmt, wie man noch sehen wird. Es lässt sich ohne Probleme für jede beliebige Epoche ein gegenseitiges materialistisches Abhängigkeitsverhältnis zwischen Gesellschaft und Uni nachweisen. Die beiden genannten großen Revolutionen, welche spätestens unsere Zeit des modernen Kapitalismus eingeleitet haben, sind nur zwei extreme Beispiele dafür. Das Feld wird also stets von anderen gesellschaftlichen Faktoren (etwa der Wirtschaft oder der Politik) mitbeeinflusst.
Zwei moderne Ideen von der Universität sollen aber auch mit ins Spiel gebracht werden. Die erste Idee ist die der Autonomie der Unis, die auch in der Verfassung der Republik Österreich festgeschrieben ist. Im Artikel 81c (1) steht wörtlich: „Die öffentlichen Universitäten sind Stätten freier wissenschaftlicher Forschung, Lehre und Erschließung der Künste. Sie handeln im Rahmen der Gesetze autonom und können Satzungen erlassen. Die Mitglieder universitärer Kollegialorgane sind weisungsfrei.“ Es handelt sich hier natürlich um Idealismus (zu finden z.B. bei Schelling, dem deutschen Idealisten, nicht dem ehemaligen Finanzminister), der aber Niederschlag im Gesetz findet. Ohne dieses Ideal zu bewerten, soll es hier so stehenbleiben. Die Frage, wie autonom die PLUS wirklich ist (und überhaupt sein kann), soll aber später an der Verstrickung mit (a)sozialen Medien zumindest ansatzweise beantwortet werden. Vielleicht zeigen sich ja Widersprüche zwischen Ideal und Wirklichkeit.
Die zweite Idee, die möglicherweise schon näher an einem tatsächlichen Wesen (wenn man so will) einer universitären Hochschule dran ist, ist jene von der Funktion der Forschung und Lehre (siehe auch in der Verfassung oben). Eine Uni hat also zwei wesentliche Aufgaben, nämlich erstens, Wissen durch Forschungsprozesse zu generieren und zweitens, generiertes oder sich in der Erarbeitung befindliches Wissen weiterzugeben. Beides soll natürlich im Sinne der Autonomie geschehen, also unabhängig davon, ob andere soziale Akteur*innen Interesse daran haben, dass dieses oder jenes Wissen nach ihren Vorstellungen generiert bzw. gelehrt wird.
Nun stellt sich die Frage, ob die PLUS diesen beiden Idealen entspricht. Man braucht nur auf die neu designte Website gehen und wird verblüfft feststellen, dass die Uni der Industriellenvereinigung Salzburg für die gute Zusammenarbeit dankt. Der Dank basiert sicher auf Gegenseitigkeit. Dass nämlich einer der wenigen Instagram-Posts, wo es um eine Auszeichnung der genannten Kerntätigkeiten der Uni geht, einer vom „renommierten“ Bankenverbandspreis fürs Salzburger Unternehmensrecht ist, schlägt in dieselbe Kerbe (Posting vom 15.12.2021). Auf umgekehrte Weise dankt die Finanz der Uni hier mit Preisen für ihre „gute Zusammenarbeit“ und die Uni zeigt ihren Stolz. Interessant ist hierbei aber nicht nur der Inhalt, sondern auch die (a)soziale Interaktion. Auf die öffentliche Frage in Form eines Kommentars von einer oder einem der wenigen Interessierten (abgelesen an den schwachen „Gefällt“-Zahlen, 208 bei nicht einmal 8000 Follower*innen der Seite, und den auch sonst wenigen Kommentaren, sofern es überhaupt welche gibt), ob es da auch Frauen im Team (des Gesellschaftsrechts; Anm. des Autors) gebe, brauchte die Administration des Instagram-Accounts scheinbar so lange, bis die ursprünglich fragende Person noch einmal nachgehakt hatte. Ehrlich gesagt wirken die Anzugträger im Bild – froh über ihren tollen Preis – auch nicht so, als ob sie die Frage interessiere.
Das Feld der (a)sozialen Medien und Instagram
Es war nun schon kurz vom Instagram-Auftritt der PLUS die Rede. Keine Sorge: Es gibt auch etwas erfreulichere Posts als solche von einem Reproduktionswettbewerb des Kapitals und des Patriarchats. Aber vorerst ist noch die Frage interessant, was dieses Instagram überhaupt ist? Im Grunde wird mit (a)sozialen Medien ortsungebunden das menschliche Grundbedürfnis nach sozialen Kontakten und Kommunikation befriedigt. Es ist den globalisierten Menschen möglich, zu kommunizieren, egal wo sie sich befinden. Das konnten auch schon andere Kommunikationskanäle, aber neu ist die multimediale und synästhetische Kommunikation: Text, Ton, Bild, Video; das teilweise alles in Kombination. Auch die Geschwindigkeit ist im Vergleich zu anderen Kommunikationsmitteln revolutionär. Es findet also eine multimediale und digitale Vernetzung rund um den Globus statt, wobei sich Menschen über ihre Wirklichkeit austauschen. Facebook etwa war hier der erste namhafte global agierende Anbieter.
Mit Instagram tritt dann eine anfangs insbesondere auf Fotos spezialisierte Plattform ins Feld ein. „Instant“ (also: sofort) sollte den User*innen die Möglichkeit zur Verfügung stehen, Momente ihres Lebens zu teilen. Ein weiterer entscheidender Unterschied zu bisherigen Netzwerken ist die Möglichkeit der sogenannten Filter, die den Fotos spezielle Effekte hinzufügen. So entstand eine ganz neue Wirklichkeit, ein digitaler Kosmos, der von vielen Nutzer*innen als irdische Wirklichkeit rezipiert wird, tatsächlich aber eine für die meisten unerreichbare jenseitige Wirklichkeit darstellt. Die destruktiven Folgen reichen so weit, dass Menschen Schönheitschirurgen konsultieren und ihnen als Schönheitsideal sich selbst, aufgewertet mit Instagram-Filtern, präsentieren (eigentlich abgewertet, weil verdinglicht durch ein Foto).** Diese hochgradig konstruierte Realität wird natürlich unmittelbar wirtschaftlich als Werbemotor erkannt und genutzt.
Und somit kann man im Horizont der Überlegungen zum dialektischen Verhältnis zwischen Uni und Gesellschaft sagen, dass die Instagram-Welt ein Resultat der wechselseitigen Beeinflussung ist. Als jüngere Erscheinung der digitalen Revolution ist dieses (a)soziale Medium eine neue Form des Opiums für das Volk. Menschen geilen sich gegenseitig an geposteten Inhalten durchzogen von versteckter Werbung auf und finden in dieser geistlosen Kontemplation ihren neuen Gott. Nachdem der Fetisch der Religion und der Warenfetisch nicht mehr erfolgreich genug waren, musste ein neuer Fetisch her, der den Kapitalismus rettet. Den Menschen musste fortan gesagt werden, was sie kaufen müssen, und was eignet sich besser als eine Plattform, die diese Funktion auf subtilste Weise durch personalisierte Werbung erfüllt – die klassische Werbung hat ausgedient. Es sei hier im Sinne des Autonomiebegriffs daran erinnert, dass so etwas wie Marketing (also die gezielte Manipulation von Menschen, die ihnen zum Teil künstlich erzeugte Bedürfnisse aufzwingt) als universitäre Disziplin gilt (natürlich auch an der PLUS). Es geht also in erster Linie für alle User darum, Aufmerksamkeit zu erzeugen und viele nicht privaten Akteure verknüpfen dies mit Werbung und Marketing. So könnte man vor dem Hintergrund dieser Ausführungen meinen, Unis, die sich selbst auf Instagram präsentieren, agieren mithilfe einer der eigenen Institution angehörigen, menschenverachtenden Disziplin (Marketing) wie auf Gewinn ausgerichtete Unternehmen. Im Sinn von Adornos Dialektik der Aufklärung schlägt eine im weitesten Sinne von der Aufklärung selbst hervorgebrachte Technologie in absolute Gegenaufklärung, nämlich zum Teil in absolute Barbarisierung um: Hass, der ja im Falle der genannten Verdinglichung des Menschen viel leichter möglich wird, Desinformation und Fake-News sind jedem bekannte und extrem bedrohliche Ausprägungen dieser (a)sozialen Netzwerke.
Die PLUS als Instagram-User
Die Universität als Motor des Fortschritts spielt also ganz allgemein auf diesem Feld eine entscheidende Rolle, die PLUS konkret wirkt auch als postender User mit. Die Frage, die sich jetzt noch stellt, ist, wie sie das tut, in welcher Form und wozu? Oben wurde ja nur die Plattform mit ihren vulgärsten Auswüchsen kurz umrissen – als Pflichtlektüre für alle kritischen Geister genauer nachzulesen übrigens bei Nymoen und Schmitt vor allem in Hinblick auf die Ideologie der Influencer. Die Uni Salzburg kann in diesem Feld als unauffälliger Mitläufer betrachtet werden. Sie postet vor allem praktische Informationen rund um den Unibetrieb, was bei instagram-affinen Student*innen – auf Nachfrage des Autors – als sehr positiv angesehen wird. Die Informationsfunktion stellt also eine zentrale Säule des Auftritts dar und kommt zumindest bei Student*innen auch gut an. Zum Beispiel wird so das Einzahlen des ÖH-Beitrags nicht vergessen – Stichwort: Die Maschine nimmt dem Menschen das Denken ab.
Interessierte werden etwa über das Studienangebot inkl. der ständig neuen, inflationären Studiengänge, Lehrveranstaltungsangebote, Öffnungszeiten der Bibliotheken oder Mensen sowie über die aktuellen Covid-Regularien uvm. an der Uni informiert. Es besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit dieser Liste und es kann hier auch nicht das vollständige Profil wiedergegeben werden. In letzter Zeit sind jedenfalls die wiederkehrenden Themen 400-Jahr-Jubiläum oder die Zukunft der Uni mit den Unterthemen Diversität und Digitalisierung auffällig. Postings zu den Inhalten von Forschung und Lehre (den Kernaufgaben) sind eher rar. Es wäre spannend, hier genauer zu untersuchen, welche Themen die Uni framed. Augenfällig wird in diesem Zusammenhang jedenfalls die Digitalisierung, die ja auch eines der Leitmotive, nämlich „Digital Life“, darstellt. Sichtbar ist das insbesondere durch ein Posting vom 26.1.2022. Zu sehen ist eine Fotomontage vom mittleren und oberen Teil des sogenannten Salzburger kaiserlichen Szepters. Auf der linken Seite sieht man das Wappentier des Universitätsgründers Paris Lodron (Löwe mit brezenförmigem Schweif), in der Mitte unten das Wappen des genannten Erzbischofs und in der Mitte oben eine barocke Krone. Auf der rechten Seite fügt sich ein hochmoderner Roboter in nachdenklicher Philosophen-Pose mit der Hand am Kinn halb in das Szepter. Bezeichnend für das Digitalisierungs-Framing der Uni ist dabei, dass der Roboter die Krone aufhat. Dieser blickt in Richtung eines goldenen Bildrandes, der die durch neue Technologien geprägte goldene Zukunft der PLUS darstellen soll. Die Zukunft kann nur dann golden sein, wenn der Schulterschluss mit der Kapitalistenklasse weiterhin bestehen bleibt. Die Uni stellt Wissen zur Verfügung, die Technologiekonzerne das Kapital, Wert wird akkumuliert und es entsteht ein neues, doppeltes Knechtschaftsverhältnis, anstatt das eine alte zu überwinden. Wo nach Vorstellung der genannten Aufgaben der Uni eigentlich der (rationale) Mensch mit seinem mit Wissen angereicherten Gehirn die Krone aufhaben sollte, steht zum 400-jährigen Jubiläum ein Roboter, der nach und nach das Denken zersetzen sollte – die technologische Singularität naht, wie man z.B. auch im Kleinen an der Abhängigkeit von Instagram für das Einzahlen des ÖH-Beitrags sieht. Somit ist die katholische Vergangenheit und Zukunft der Einrichtung in einem Bild vereint und damit die Idee einer angeblich humanistischen Einrichtung bzw. die Autonomie weiterhin in Frage gestellt. Was gibt es da zu feiern?
Damit ist schon ein bisschen was zur Form gesagt und es wird schnell klar, dass man sich hier dem oben beschriebenen Zeitgeist fügt und vor allem die Lebenswelt der jungen Menschen erreichen will. Information könnte nämlich strenggenommen auch ohne eine besondere Form auskommen. Genau das ist bei den Instagram-Postings der Uni aber nicht der Fall. Es geht hier also auch sehr stark um Marketing. Hinsichtlich des Jubiläums-Postings wurde schon ein durchdesigntes Beispiel näher erläutert. Insgesamt ist das Profil im Zuge einer sogenannten Corporate Identitiy mit einem Corporate Design durchgestylt (gutes Bsp.: der Biergarten-Löwe im mittlerweile nicht mehr so neuen Logo, das aber in fast jedem Posting irgendwo zu sehen ist). Auch die vier Farben der seit kurzem eingeführten vier Leitmotive strukturieren die Seite formal. Dafür, dass hier offensichtlich viel (finanzieller) Aufwand betrieben wird, um wie ein erfolgreicher Influencer zu wirken, sieht der gesamte Auftritt aber eher amateurhaft aus (zum Beispiel auch in Form der vielen i-Stock-Fotos). Soviel zum Leitmotiv „Art in Context“: Viel hat das nicht mit Kunst zu tun. Naja: damit wird vielleicht wenigstens erreicht, dass sich junge Leute wegen der eigentlichen Funktionen der Uni für ihr Instagram-Profil interessieren und nicht wegen dem Pseudo-Corporate-Design – oder auch nicht. Insgesamt ist aber das Motiv unübersehbar, sich wie ein modernes Unternehmen zu positionieren.
An dieser Stelle stellt sich die Frage nach der Autonomie der universitären Hochschule und der Erfüllung ihrer beiden Hauptaufgaben noch einmal. Man fügt sich einer Plattform aus dem Silicon Valley, die vorwiegend auf Profit aus ist, dessen eine Seite der Akteure auch auf Profit aus ist, während die andere Seite, nämlich die Mehrheit der privaten Nutzer, davon weitgehend manipuliert und verblödet wird. Natürlich gibt es Ausnahmen, zum Beispiel Künstler*innen, welche die Plattform für ihre Ansprüche einnehmen und versuchen, etwas Eigenes, und zwar im Sinne ihrer Aufgabe (etwa zu unterhalten), zu produzieren. Aber wie wird die PLUS ihren Aufgaben als Uni durch ihren Instagram-Auftritt gerecht? Was macht sie insbesondere gegen die Flut an Desinformation und Fake-News oder gegen Hass im Netz? Dem könnte sie ja auch etwas entgegenhalten, die Plattform auch für eigene Zwecke (autonome Forschung und Lehre) vereinnahmen. Was unternimmt die Uni in Hinblick auf aktuell polarisierende Themen, wie zum Beispiel die Klimaerwärmung oder die Covid-Pandemie. Diese Themen würden sogar unter die Leitmotive „Development & Sustainability“ bzw. „Health & Mind“ fallen. Was wird unter den Farben grün und blau gepostet? Nicht viel (Eigenes). Die PLUS ruft zwar zum „Fridays for Future“-Streik auf (Posting vom 24. September 2021), was liefert sie dazu aber im Bereich der Forschung und Lehre für Konzepte, um diesem bedrohlichen Szenario der Klimaerwärmung entgegenzuwirken. Gibt es insbesondere auch beforschte und gelehrte Alternativen zu den herrschenden Ideen, die auch nur auf dem mittlerweile offensichtlich gescheiterten Wirtschaftssystem, dem diese Krise ja erst zu verdanken ist, aufbauen. Diesbezüglich wird man auf Instagram nicht fündig. „Menschen, die sich vegan oder vegetarisch ernähren oder wenig Fleisch essen, stellen oft das Gemeinwohl über den Eigennutz: ,Umwelt‘ und ,Tierwohl‘ sind ihnen wichtiger als ,individuelle Gesundheit‘ und ‚Gewicht‘“ heißt es in einem Posting vom 28.1.2021. Hier wird nichts außer eine allseits bekannte moralische Forderung promotet, obwohl wir seit Brechts Dreigroschenoper wissen, dass das Fressen vor der Moral komme.*** Alles, was man findet, sind also Hinweise auf ohnehin herrschende, nicht zu Ende gedachte Diskurse, die keinem weh tun. Sich daran reibende, Widerstand leistende und Alternativen vorschlagende Beiträge ganz im Sinne einer autonomen Uni, die auch fundierte Kritik an gesellschaftlichen Schieflagen auszudrücken vermag, sucht man vergeblich. Das gilt in noch größerem Ausmaß als für die Klimakrise auch für die Covid-Pandemie, in welcher die Verschränkung von Wissen und Wirtschaft im Zuge der Impfstoffentwicklung und dem gewinnorientierten Vertrieb der Vakzine überhaupt am deutlichsten hervortritt. Die PLUS schafft es nicht, einen ihren Aufgaben gerechten Auftritt hinzubekommen, der wirklich innovativ ist und die Verblödungsmaschinerie Instagram in einen Ort des Wissens umwandeln kann. Ganz im Gegenteil: Man positioniert sich auch noch, wie zum Jubiläums-Posting gezeigt, als offensichtlicher Handlanger der herrschenden Ordnung. Was vor 400 Jahren die Religion für die PLUS war, ist heute die herrschende Wirtschaftsordnung und ihr digitalisierter Gottesdienst in Form von (a)sozialen Medien.
* Minimal umgeändert nach: Marx, Karl: Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. In: Florian Butollo und Oliver Nachtwey (Hrsg.): Karl Marx. Kritik des Kapitalismus. Suhrkamp 2018. S. 47.
** Nymoen, Ole; Schmitt, Wolfgang M.: Influencer. Die Ideologie der Werbekörper. Suhrkamp 2021. S. 76-96.
*** Brecht, Bertolt: Die Dreigroschenoper. In: Ders.: Bertolt Brecht. Ausgewählte Werke in sechs Bänden. 1. Band. Hrsg. v. Werner Hecht, Wolfgang Jeske & Jan Knopf. Suhrkamp 2005. S. 246.