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Ein Heft machen ist die eine Sachen. Es an den Leser, die Leserin zu bringen eine andere. Warum die Verteilung und das Auflegen der uni:press an den Fakultäten mitunter auch eine politische Dimension hat und manche hiesige Bildungsmanager*innen sich wie der biblische König Salomon gerieren lest ihr hier.

Von Redaktion uni:press

Im Anschluss an die ÖH-Wahl noch ein kleine aber doch gerechtfertigte Unmutsäußerung pro domo: Jeder, derdie in den Genuss österreichischer Schulbildung gekommen ist, lernt, dass es nicht nur, wie oft so dahingesagt wird, drei Gewalten in einem demokratischen Staate gibt sondern vier. Bei den ersten drei handelt es sich im Montesquieu’schen Sinne um die Exekutive, Judikative und Legislative. Die vierte Gewalt ist die freie Presse. Deren Aufgabe ist es, den Mächtigen auf die Finger zu schauen aber auch dafür zu sorgen, dass die Bürger*innen die bestmöglichen Informationen erhalten.

Was für einen Staat gilt, gilt bis zu einem gewissen Grad auch für den Mikrokosmos Universität. Deshalb orientiert sich die uni:press an dieser Vorstellung. Vor einer Wahl bedeutet das, die Studierenden bestmöglich über diese zu informieren, sowohl in formaler (wo und wann kann gewählt werden) als auch in inhaltlicher Hinsicht (wer kann mit welchem Programm gewählt werden). Gerade bei der ÖH-Wahl mit ihrer niedrigen Beteiligung ist auch der Aspekt der „Werbung“ nicht zu vernachlässigen, den ein gedrucktes Heft hat, welches sicht- und greifbar an den Fakultäten aufliegt.

Leider teilen diese Ansicht nicht alle. Nach dem Verteilen von etwa 150 Ausgaben der uni:press #711 an einem Universitätsstandort, an dem laut Wikipedia zwischen 680 und 5600 Personen studieren, ereilte die Redaktion eine Mail, in der der Rektoratsdirektor ebenjener gemahnte, man möge in Zukunft die Hefte am Infopoint oder bei der Hausverwaltung auflegen. Denn die Aufenthaltsflächen sind frei von „Werbung und Magazinen zu halten“ so der Wortlaut der Mail.

Mehrere Punkte in dieser konkreten Mail, die aber auch als ein genereller Trend begriffen werden kann, bedürfen einer kritischen Entgegnung von Seiten der Magazinmacher*innen. Nicht nur wird das Wesen eines Studierendenmagazins völlig verkannt, sondern man leistete in weiterer Folge der zunehmenden Vereinzelung und Atomisierung der Studierenden Vorschub. Die niedrige Wahlbeteiligung ist die Kehrseite dieser Entwicklung. Aber alles der Reihe nach.

Auflegen am Infopoint

Die Hausherr*innen der einzelnen Unientitäten, von Fakultät bis hin zu den Bibliotheken, haben es gerne sauber in ihren Reichen und richten zu diesem Behuf meist Ständer und Ablagen ein, an denen sich die interessierte Öffentlichkeit mit allerlei Infomaterial eindecken kann. Die Redaktion versteht dieses Vorgehen. Alles ist an einem Ort und auf einen Blick erspähbar. Zumindest in der Theorie. Dass sich die Praxis aber gänzlich anders präsentiert, dürfte nicht weiter verwunderlich sein. Die Infopoints liegen oft an verkehrstechnisch eher schlecht gelegenen Orten. An Orten, die man bei „normaler“ Benutzung der Universitätsgebäude so gut wie nie passiert. Zudem sind diese Infopoints meist gnadenlos überfüllt und glänzen vor allem durch Chaos, da es sich meist einfach um zweckentfremdete Tische handelt. Stößt man als argloser Studi also auf so einen Infopoint, ist man eher abgeschreckt denn motiviert, das Ausgelegte zu studieren. Ob schon jemals irgendwer gezielt an einen Infopoint herantrat, um sich dort ebenso gezielt ein Medium anzueignen, darf stark bezweifelt werden.

Die Aufforderung zum Auslegen am Infopoint ist also eine bequeme Strategie, mit der man als Anweiserin mehrerlei Ziele verfolgen kann. Zum einen kann man sich als besonders demokratisch und pluralistisch wähnen, da allen Medien, gleich ob Flyer oder Magazin, der gleiche Ort zugewiesen wird. Keine Privilegien und keine Extrawünsche. Eine salomonische Lösung eben. Dass salomonische Lösungen zwar auf den ersten Blick gerecht und vor allem effizient wirken, macht sie für viele Entscheiderinnen so interessant. Genau in diesem Zug zur Entschlossenheit, den man an den restlichen 364 Tagen des Jahres bei österreichischen Entscheidungsträger*innen eh vermisst, liegt aber auch der Nachteil. Nämlich, dass zu beachtende Unterschiede einfach übergangen und sogar eingeebnet werden.

Frei von Werbung halten

An das Infopoint-Dilemma geht nahtlos in die zweite Forderung, welche in der Mail formuliert wurde, über. Man möge doch bitte keine Werbung platzieren. Ob man sich gegen Werbung ausspricht, weil man die eigene Unabhängigkeit wahren möchte oder weil man einfach die Flut an Prospekten und Flugzettel vermeiden will, ist an dieser Stelle zweitrangig. Einmal wäre ein hehres Motiv, die Universität vor tendenziösem Sponsoring zu bewahren, am Werk und einmal ein profaneres, insofern Wegräumen und Entsorgen eben Arbeitsstunden sind. Auch das wäre aus der Perspektive eines Bürokraten, einer Bürokratin nachvollziehbar. An den einzelnen Standorten der PLUS liegen Unmengen von Werbematerial. Wenn man alles zusammen auf eine Waage legen würde, das Display würde wahrscheinlich mehrere Tonnen anzeigen. Allerdings lässt sich auch hier, im Wunsc,h das eigene Reich sauber und rein zu halten, wieder diese salomonische Brille erkenne, die nur die Quantität kennt, die Qualität aber verkennt. Und genau das ist hier der entscheidende Punkt.

Die uni:press ist ein Magazin, das von Studierenden gemacht wird, um vor allem von Studierenden gelesen zu werden, und eben genau keine Werbung. Es ist nicht die banale Auflistung von Rabattaktionen, Anfahrtskizzen und schalen Werbeclaims, die Werbung auszeichnen. Es ist ein Magazin, das den Anspruch hat, die studentische Öffentlichkeit zu informieren, zum Denken zu motivieren und nicht zuletzt auch zu unterhalten. Das ist ein Unterschied ums Ganze.

Es wäre hier bitter nötig, zu differenzieren und dementsprechend zu handeln. Wenn man schon die – zumindest formal – Macht hat, darüber zu verfügen, wäre es ein sinniger Schritt, sich ein Herz zu fassen und auch normativ zugunsten von Studierenden zu entscheiden. Nicht in Bausch und Bogen alles Papierene Raus aus den Fakultäten und Bibliotheken, sondern in erster Linie die elenden Mengen an Werbematerial. Immerhin sind Universitäten, zumindest noch nicht, zu seelenlosen Einkaufszentren mutiert. Und da wurde die gigantischen Mengen an Werbeminuten, die man en passant auf Social Media konsumiert/vorgesetzt bekommt, noch nicht einmal erwähnt.

Was tun?

Die oben skizzierten Punkte hängen sich an vermeintlich kleinen und lokalen Intermezzi auf, die disparat erscheinen mögen. Da eine leicht verärgerte Mail von einem Gebäudemanager, da mahnende Worte einer Bibliothekarin, die ihr Reich frei von Schand und Schmutz halten will. Einzelfälle, die keinen klaren Zusammenhang aufweisen. Oder etwa doch?

Fälle solcher Art können als das Symptom einer Entwicklung begriffen werden, die das studentische Leben, aber auch weit darüber hinaus, seit geraumer Zeit kennzeichnen. Die Gesellschaft zerfällt in ihre Einzelteile und atomisiert sich peu a peu. Einsamkeit, das Gefühl von Isolation und Vereinzelung ist allgegenwärtig im aktuellen Stadium kapitalistischer Vergesellschaftung.1 Entwicklungen wie die Implementierung des Bologna-Systems, das Studieren verschult und immer den Blick auf die Uhr gemahnt, Curricula, die Wettrennen gleichen und horrende Lebenshaltungskosten sind hier als Ursachen unter vielen zu nennen.

Äußern tut sich das in einer Phrase, die wohl alle Salzburger Studierenden schon einmal gehört haben: „Naja, Salzburg ist halt keine Studierendenstadt“. Bei etwa 17.000 ordentlichen Studierenden ist das ein fatales Urteil.

Da und dort regt sich Widerstand gegen diese Tendenzen. Aktive StVen veranstalten diverse Events und es bilden sich seit kurzer Zeit wieder vermehrt ÖH-Clubs. Und auch das OnTrack-Projekt, welches an dieser Stelle schon sein Fett wegbekam (zurecht) leistet vor allem mit der Neugestaltung von Aufenthaltsräumen – jüngst ist einer am Rudolfskai entstanden – einen wichtigen Beitrag, einer weiteren Vereinzelung entgegenzuwirken. Auch die ÖH selbst ist sich dieser Aufgabe mehr als bewusst und setzt unermüdlich einen Schritt nach dem anderen. Nur, wenn es an der logistischen Basis wieder ein „Studentenleben“ ermöglicht wird, kann Salzburg eines Tages zu einer Studierendenstadt werden.

Auch wir in der Redaktion der uni:press sehen uns dieser Aufgabe verpflichtet. Dabei geht es uns nicht um das Verfolgen der romantischen Idee, wonach alle Studierenden der PLUS zu einer One-Big-Family verschmelzen sollen, sondern viel mehr, dass mit den Inhalten des Magazins eine Grundlange für Diskussion, Austausch und auch Streit gelegt wird. Denn wer um etwas streitet, ist noch nicht vollends vereinzelt. Gegenwärtige Social-Media-Apps und Werbung haben genau die gegenteilige Funktionsweise: Immer ausgefeiltere Algorithmen schneidern dem individuellen User den Werbeblock zurecht, der exakt passend ist. Eine gemeinsame Diskussionsgrundlage kommt so immer mehr abhanden und wird durch eine ubiquitäre Einsamkeit ersetzt.

Die Redaktion würde sich freuen, wenn sich einige Personen, die über die Türen der Fakultäten wachen, auf diesen Gedanken einlassen und dafür jenen des „woa scho imma so“ ein wenig überdenken. Die Idee der Uni als Ort des geistigen und kritischen Austausches ist noch nicht tot. Sie wird es aber mit jedem weiteren belanglosen Werbeflyer.

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