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Da wird es ruhiger am Adventmarkt. Eine kalte Brise bläst. Der Student zeigt einen vielsagenden Blick. 

Student: Es gibt ihn … es gibt den Sinn. 

Mephisto: Welchen Sinn siehst du? Worin soll es Sinn geben? 

Der Student steht wie ein armer Tor da. 

Mephisto: Sprich nur weiter! Ich hör’s doch, das Echo der Beschönigungen.  

Der Student überlegt. 

Mephisto: Bekommt’s dir nicht wohl, was ich entlarve? 

Student: Auch Innehalten kann erfüllend sein. 

Mephisto lacht. Der Student versucht, sich auf anderes zu konzentrieren. 

Mephisto: (kommt ganz nahe zu ihm, lauernd) Was suchst du hier? Ruhezeit? Ach was, den Schein … denn wahre Einkehr passt schlecht in den Wein. 

Der Student schaut auf. Er fasst einen Entschluss. 

Student: (drückt das Buch Mephisto in die Hand) Dieses Buch ist völlig veraltet. Roter Rock und hämisches Lächeln … wer sollte das noch für bare Münze nehmen? 

Mephisto: (sieht nach vorne) Oh, bedenke deine Worte. 

In dem Moment tritt der Nikolaus in Sicht. Er trägt einen weiten Mantel – und ein heiteres Lächeln auf dem Gesicht. 

Kinder kommen hinzu und der Nikolaus verteilt Geschenke. Mephisto sieht zu und mischt sich dann ein. Der Student hebt die Augenbrauen. 

Mephisto: (kommt auf den Nikolaus zu) Mit wolligem Sack, der prächtig schwillt, 
seht, wie allerhand Tand daraus quillt! 
Ein pralles Versprechen, so anregend pur, 
doch bricht’s, sobald man entlarvt die Natur. 

Der Nikolaus lacht kräftig. 

Mephisto: (höhnisch) Sein Lachen dröhnt hohl, sein Bart künstlich rein, 
Ein Trugbild für Kinder, substanzlos, gemein! 
Was bist du, o Narr, als ein Märchen für Toren? 
Ein Heiliger einst, doch vom Geschäft erkoren! 

Mephisto tippt die Mitra des Nikolaus an, sodass sie schief steht, der Nikolaus greift ein, damit sie nicht zu Boden fällt. Dann kehrt Mephisto ihm den Rücken zu. Der Nikolaus nimmt eine stramme Haltung ein. 

Nikolaus: (ruhig) Mephisto, wie treffend, dich hier zu sehen, 
Wo Herzen leuchten und Wünsche stehen. 
Die Schenkung der Gaben ist Vorbild allein, 
Zeichen der Liebe – wärmend und fein. 

Mephisto: (leicht gereizt, aber tückisch) Zeichen der Liebe? Pah!  
Ein flüchtig Ding, ein falscher Glanz!  
Ein Tropfen Zucker in weiter Distanz.  
Doch gut, alter Mann, spiel weiter dein Spiel,  
solang man’s schluckt … bleibt man labil. 

Nikolaus: (forsch) Was zählst du, Dämon, in dieser Welt als Gewinn, 
Außer Trug und Zweifel samt Schmerzen mithin? 

Mephisto wird ungeduldig, fahrig und packt den Nikolaus am Bart. Mephisto reißt ihm den Bart vom Gesicht. Die Kinder erstarren. 

Mephisto: Eine prächtige Zierde, Nikolaus! So echt wie die Gaben in deinem Sack. Eine weitere Täuschung. 

Nikolaus nimmt das Stück und versucht seinen Bart wieder anzubringen. 

Student: (durchaus ehrfürchtig) Ein Meister des Zynismus wie Ihr, Mephisto, mag vielleicht die Schwächen der Menschen kennen – aber habt Ihr je die Stärke der Güte erfahren? Oder fürchtet Ihr, dass ein einfaches Geschenk mehr Macht hat als all Eure List? 

Mephisto grinst. Der Student hat den Teufel als den Teufel erkannt.  

Nikolaus: (ohne Bart) Sein Herz – ach, falls er eins hat – ist schon lange versteinert.  

Mephisto: Du gabst Gold für die Armen als edles Geschick, 
Doch nun ist dein Werk nichts als Rummel und Trick. 
Dein Sinn ist profan, zum Geschäft verkommen, 
Kein Licht, kein Segen ist heut willkommen. 

Student: Mephisto, ist Güte nicht bloß eine Maske, hinter der sich das gleiche Begehren versteckt, das auch Ihr bedient?  

Mephisto: Ein Geschenk – nichts weiter als in Wahrheit Leeres. 

Nikolaus: Junger Mann, da ist was dran! Was wär das Leben schon, wenn wir alles so reibungslos erreichten? Wahrhaftiges braucht Zeit. So wie man ein Stück Land urbar macht, muss man auch die Menschen bereit machen für ein achtsames Lebenskonzept. 

Mephisto: Ich muss wieder gehen! 

Student: Und das Buch? 

Mephisto: Ach, du kannst es behalten – es hat auch vor 200 Jahren schon euereins in den Bann gezogen.  

Mephisto verschwindet. Die Stimmung wird eine Stille. 

Tobias: (laut lesend, mit nachdenklichem Ton) 
„Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust, 
Die eine will sich von der andern trennen…“ 
(er sieht nachdenklich auf) 
Das ist es! Diese innere Zerrissenheit, dieser unstillbare Durst nach mehr – als hätte Goethe mir aus der Seele gesprochen. Was für ein unfassbares Werk! 

Stille. 

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