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Foto: Andreas Hechenberger

Eine Theaterrezension von Christoph Mödlhamer

„Man weiß, dass das jeden irgendwann mal…, dass das jeden treffen wird“, sagt die Jüngste von drei Schwestern gefasst. Sie erinnert dabei an ihr Meerschweinchen Felix aus Kindertagen, das an einem Hitzeschlag starb. Nur dieses Mal geht es nicht um den Felix, sondern um den eigenen Vater. Dieser liegt im Sterben. Am Sterbebett versammeln sich die drei Schwestern – die Jüngste, die Mittlere und die Älteste –  um sich zu verabschieden, sich gegenseitig zu trösten und um ihre Beziehungen untereinander sowie zum eigenen Vater zu reflektieren. Sie dachten, der Tod kommt unerwartet mitten in der Nacht. Deshalb mussten die Handys immer eingeschaltet bleiben. Es konnte doch niemand ahnen, dass es dann wirklich so schnell geht. Welchen Zug sollten sie nehmen? Den letzten heute noch? Geht sich das aus? Oder den ersten morgen früh? An einem späten Montag-Nachmittag war es dann so weit: Der Vater tot.So unterschiedlich die drei Schwestern sind, so verbindend war die väterliche Autorität, der sie sich gegenüber sahen. Was nun bleibt? Sie selbst. Die Jüngste wäre gerne glücklicher gewesen, für ihn. Sie wäre gerne selbständiger und erfolgreicher gewesen, im Beruflichen und Privaten. Die Mittlere, stets übervorteilt, legt ihr Baby neben den Vater, als Zeichen der Schöpfung und der Vergänglichkeit. Die Älteste schreibt an einer Grabrede und pflegte den Vater bis zum Schluss aufopferungsvoll. Sie sei froh, als das alles vorbei ist – nachvollziehbar. Alle drei erleben eine Zeit der Ohnmacht. Versunken in den eigenen Gedanken, ist das einzige, was ihnen bleibt, die schwesterliche Gegenseitigkeit.

Der Vater, ein Übervater, der Regeln, Vorschriften und mehr oder minder verbindliche Ratschläge für alles und jeden parat hatte; Der Vater, der selten lachte und noch seltener lobte: Er war fortan weg. Die Zeit seines Lebens erworbene Autorität bekam bereits am Sterbebett erste Risse. Ein Pflegefall, der ein Taschentuch auf dem Boden für Käse hielt und den Kartoffelbrei nicht essen wollte, da da bereits die Wölfe dran gewesen sein sollen. Ein verwirrter, altersschwacher Mann, der behauptet, er sei S-Bahn gefahren – obwohl er das bereits seit Jahren nicht mehr konnte. Der Vater – einst der Wolf in der Unterhaltung – wandelte sich von der zentralen männlichen Autorität der drei Schwestern in ein Baby: Beide müssen gefüttert, gewickelt und gewaschen werden. Beide antworten nicht mehr. „Papa? Papa! Papa?“, ertönt es mehrmals. Vergebens. Zeit für die Befreiung der drei.

Eine Bühne mit 1500 Litern Erde. Darauf drei verloren-wirkende und suchende Schwestern. Sie wühlen im Dreck. Stecken resignativ den Kopf in den sprichwörtlichen Sand – in diesem Fall: Erde. Ein simples, aber doch beeindruckendes Bühnenbild von Regisseurin Petra Schönwald, gepaart mit eindringlichen Licht- und Tonelementen verstärken die vorherrschende Stimmung auf der Bühne und in den Gesichtern der drei sehr überzeugenden Darstellerinnen: Verzweiflung. Fortan auf sich allein gestellt, erinnern sie sich an Früher, an Zuhause, an Ticks und Macken ihres Vaters. Sie sinnen sich weg in die Ferne. In den Wald, zum See, wo ihnen der Vater Schwimmen beibrachte. Und was sehen sie dort? Drei Wölfe. Wölfe, wie sie es nun sind.

Foto: Andreas Hechenberger

„Lupus in fabula“

Von Henriette Dushe. Regie: Petra Schönwald. Ein ganz diesseitiges Stück vom (Über-) Leben im Angesicht des Todes. In der ARGE Kultur Salzburg


Weitere Termine:

Dienstag 28.02.2017

Mittwoch 01.03.2017

Donnerstag 02.03.2017

Freitag 03.03.2017

Jeweils 19:30, ca. 70 Min.

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