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Viele Studierende arbeiten 40 Stunden in der Woche und verdienen dabei keinen Cent. Obwohl ein Praktikum eigentlich als Ausbildungsverhältnis klassifiziert wird, werden sie als volle Arbeitskräfte eingesetzt und dabei ausgenützt. Die Ausbeutung wird von den Unternehmen damit gerechtfertigt, dass sich das Praktikum anders bezahlt mache – etwa durch Arbeitserfahrung und ECTS-Punkte. Seit Jahren erheben sich schon Stimmen gegen den Missstand, doch der österreichische Staat sieht nur zu.

Von Viktoria Bell

Ein Praktikum ist aus dem studentischen Alltag nicht wegzudenken. Wenn es nicht bereits fest im Studienplan verankert ist, wird es zumindest stark empfohlen. Da die Universität immer wieder in der Kritik steht, ihre Studierenden nur auf theoretischer, nicht aber auf praktischer Ebene auszubilden, sind Pflichtpraktika allgegenwärtig.

Leider sehen viele Unternehmen in den vorgegebenen Pflichtpraktika nur billige oder sogar kostenlose Arbeitskräfte. Laut der Arbeiterkammer befinden sich die Studierenden bei einem Praktikum in einem Ausbildungsverhältnis, nicht in einem Arbeitsverhältnis. Aus diesem Grund haben sie auch kein Recht auf Bezahlung. Wenn es gut läuft, können sie ein Taschengeld aushandeln, das vielleicht einen Teil der Miete bezahlt. In manchen Fällen trifft die Definition des Ausbildungsverhältnisses auch zu, beispielsweise wenn die Studierenden unter Supervision stehen und selbst keine wirkliche Arbeit leisten. 

In anderen Fällen sieht die Realität anders aus. Besonders in der Bildungs- und Gesundheitsbranche – vor allem in der Pflege – werden Praktikant:innen als volle Arbeitskräfte eingesetzt. Sie arbeiten selbstständig, ohne Supervision und ohne gerechte Bezahlung.

Praktikant:innen werden als volle Arbeitskräfte angestellt

So werden ganze Arbeitsplätze durch Studierende in höchst prekären Anstellungsverhältnissen befüllt. Viele müssen zusätzliche Jobs annehmen oder ihren ganzen Urlaub für die Praktikumszeit aufbrauchen, wenn sie einen bezahlten Job haben. Monatelanges Sparen steht an der Tagesordnung. Wenn man keine wohlhabenden Eltern hat, die einem das Pflichtpraktikum finanzieren, befindet man sich in einer brenzligen Situation. Unbezahlte Praktika sind ein Beweis dafür, dass in unserem Bildungssystem immer noch eine inhärente Chancenungleichheit besteht. Sie sind das Epitom der sozialen Stratifizierung von Bildung in Österreich.

Gerechtfertigt wird die Ausbeutung dadurch, dass man sich in einem geschützten Raum befindet, in dem man sich ausprobieren kann und wo auch Fehler gemacht werden dürfen. Außerdem ist ein Praktikum ein Sprungbrett in die Berufswelt, da man erste Arbeitserfahrungen macht.

Ob man ausgebeutet wird, hängt vom Studienfach ab

Die Situation ist natürlich nicht in allen Disziplinen die gleiche. In der Technikbranche, bzw. in der IT, ist es üblich, dass Praktikant:innen mittels Kollektivvertrag angestellt werden und ein ansehnliches Gehalt verdienen. Hier ist die Devise, die Studierenden zu umgarnen, sodass diese nach dem Praktikum in der Firma bleiben.

In frauendominierten Domänen, etwa in der Pflege, ist das Gegenteil der Fall. Der Sektor wird vom österreichischen Staat schon seit Jahren ausgehungert, was sich auch im Umgang mit den Praktikant:innen widerspiegelt. Hier werden die Studierenden ad infinitum ausgebeutet. So wird ihnen gleich im Berufseinstieg vermittelt, dass ihre Arbeit nichts wert ist.

Der Missstand ist schon seit Jahren im öffentlichen Diskurs

Initiativen wie #ZukunftPraktikum, die sich für eine gerechte Behandlung von Praktikant:innen einsetzen, gibt es immer wieder. Auch die ÖH fordert schon seit Jahren eine faire Entlohnung. So richtig angekommen ist aber noch nichts. Österreich schaut nur zu.

Fakt ist, dass Studierende durch unbezahlte Praktika ausgebeutet werden und in finanzielle Notsituationen geraten. Es kann nicht sein, dass das die traurige Realität in einem den reichsten Ländern der Welt ist. In Österreich sollte es keine Form der Gratisarbeit – moderner Sklaverei – geben.

Infobox 

Tipps für dein Praktikum von der Arbeiterkammer: https://www.arbeiterkammer.at/praktikum

Pflichtpraktika arbeitsrechtlich lt. der WKO:

https://www.wko.at/service/arbeitsrecht-sozialrecht/pflichtpraktikant-arbeitsrechtlich.html

Petition zur fairen Bezahlung von Praktikant:innen: 

https://mein.aufstehn.at/petitions/existenzsichernde-praktikabezahlung-fur-student-innen-im-gesundheits-und-sozialbereich

Artikel zum Weiterlesen: 

https://kurier.at/wirtschaft/karriere/unbezahlte-praktika-warum-studierende-haeufig-gratisarbeit-leisten/401416461

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