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Während die Coronakrise noch nicht einmal richtig vorbei ist, schlittern wir schon in die nächste Krise hinein: Die Energiekrise. Dabei wird immer wieder vor einem Blackout, also einen österreichweiten Stromausfall gewarnt. Was ist dran an diesen Warnrufen? Bei meinen Recherchearbeiten bin ich ständig über den Namen Herbert Saurugg gestolpert, den Präsidenten der Österreichischen Gesellschaft für Krisenvorsorge. Entgegen den Erkenntnissen aktueller Studien, laut denen ein Blackout eher unwahrscheinlich ist, wird die Diskussion von ihm, dem österreichischen Bundesheer und diversen Medien aufrechterhalten. 

Von Viktoria Bell

In der deutschsprachigen Medienlandschaft herrscht Endzeitstimmung – zwischen Berichten über den Angriffskrieg in der Ukraine und den aktuellen Coronamaßnahmen findet man überall Warnungen über einen Blackout. Was muss man zu Hause haben, wenn der Strom ausfällt? Wie verhalte ich mich richtig? Man findet hunderte Checklisten – unter anderem vom österreichischen Bundesheer – und jede von ihnen beinhaltet Ratschläge für die Leserschaft. Man solle sich etwa einen Gaskocher zulegen oder haltbare Lebensmittel für mindestens zwei Wochen kaufen, um sie im Keller zu bunkern. Auch die Supermärkte schließen sich dem Gedanken an und verkaufen Überlebenskits, damit man nicht lange nach den passenden Produkten suchen muss. Selbst der ORF, der für seine vernünftige Berichterstattung bekannt ist, springt auf den Hype auf. Nach der Serie „Alles finster“, die im Frühjahr 2022 für hohe Einschaltquoten gesorgt hatte, gab es im Herbst schon die nächste Serie, die einen Stromausfall thematisierte. „Blackout“ ist eine Miniserie basierend auf dem gleichnamigen Roman von Marc Elsberg. Obwohl das Buch schon 2012 erschienen ist, entschied man sich erst zehn Jahre später für eine visuelle Adaption – Zufall? 

Natürlich nicht – das Thema Blackout ist momentan so polarisierend wie noch nie. Angefeuert wird die Diskussion von sogenannten Experten (absichtlich nicht gegendert, da es sich nur um Männer handelt) auf dem Gebiet. Das ist einerseits das Bundesheer, das sich sowieso immer für Krisenzustände wie Krieg, Gasangriff oder Nuklearangriff vorbereitet, und andererseits der Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Krisenvorsorge, Herbert Saurugg. 

Nicht kredible Expertenmeinungen

Saurugg hat es sich zu seiner Lebensaufgabe gemacht, die österreichische Bevölkerung vor dem Blackout zu warnen. Auf seiner Website sprach er schon 2013 von einem „strategischen Schock“ – heute würde man Blackout sagen. Der Ex-Bundesheerler hält Vorträge und gibt Interviews für puls24, oe24 und Servus-TV, in denen er immer wieder den Ernst der Gefahr betont. Glücklicherweise gibt es auf seiner Website eine Literaturliste, bei der Interessierte weiterlesen können. Leider finden sich dort zum Großteil populärwissenschaftliche Bücher und Ratgeberliteratur, die sich nur peripher mit dem Thema Blackout auseinandersetzen. Zwar gibt es eine Sektion, die wissenschaftliche Studien anführt, jedoch werden diese aus dem Kontext gerissen, um Sauruggs Narrativ zu folgen. Beispielsweise findet sich dort eine amerikanische Studie, die sich mit dem Zusammenhang von Hitzewellen, verursacht durch den Klimawandel, und Stromausfällen beschäftigt. Dies kann man aber nicht mit der Energielandschaft in Österreich vergleichen. Problematisch ist, dass solche Aussagen evidenzbasierten Studien widersprechen. Das propagiert das wissenschaftsfeindliche Sentiment in der Gesellschaft weiterhin. 

Die Studie der Bundesregierung 

Anfang 2022 wurde die Studie „Sichere Stromversorgung und Blackout-Vorsorge in Österreich“ von der ARGE ITA/AIT (Institut für Technikfolgen-Abschätzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und Austrian Institute of Technology) bei einem Symposium zum Thema der Blackout-Vorsorge präsentiert. Sie wurde vom österreichischen Parlament in Auftrag gegeben und hatte zum Ziel, das Stromnetz in Österreich genauer unter die Lupe zu nehmen und die Gefahr eines Stromausfalls einzuschätzen. 

Die Studie erhob, dass die Versorgungssicherheit in Österreich sehr hoch ist. Das liegt unter anderem an der guten Koordination des gesamten europäischen Stromnetzes. Die Zusammenarbeit funktioniere hervorragend – dies kann man daran erkennen, dass Störfälle innerhalb von wenigen Minuten bewältigt werden. Aus diesem Grund schlussfolgert Gerhard Christiner, technischer Vorstand der Austrian Power Grid AG, dass ein österreichweiter Blackout äußerst unwahrscheinlich ist. Natürlich gibt es Risikofaktoren wie die Klimakrise. Die steigende Trockenheit schränkt beispielsweise die Wasserkraft ein, jedoch kann ein Netzausbau die Sicherheit weiterhin gewähren. 

Warum polarisiert das Thema Blackout also so sehr? 

Es ist schwierig zu beantworten, warum das Thema momentan in aller Munde ist. Vermutlich liegt es einerseits daran, dass bestimmte Parteien mit rechtspopulistischen Tendenzen die Angst der Bevölkerung ausnutzen. Während man vorher mit der Angst vor Geflüchteten oder der Covid-19-Impfung spielte, ist jetzt der Blackout dran. Andererseits leben wir in einem kapitalistischen System, das nur mittels Wachstum funktioniert. Die daraus resultierende Profitgier erkennt man beispielsweise an den Überlebenskits, die plötzlich verkauft werden oder dem gehäuften Auftreten von Blackout-Serien/Filmen/Büchern. 

Summa summarum: Wir schweben nicht wirklich in Gefahr. Zwar kann es passieren, dass Stromausfälle auftreten und einzelne Regionen oder Stadtteile für ein paar Stunden ohne Strom sind. Im Großen und Ganzen ist unser Stromnetz in Österreich sehr stabil. Das Thema ist momentan nur so beliebt, um Unmut in der Gesellschaft zu streuen und den Leuten Geld aus den Taschen zu ziehen.  

Infobox 

Studie der Bundesregierung: 

Institut für Technikfolgen-Abschätzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften & Austrian Institute of Technology. (2022). Sichere Stromversorgung und Blackout-Vorsorge in Österreich. Entwicklungen, Risiken und mögliche Schutzmaßnahmen. ITA-AIT-17. doi: 10.1553/ITA-pb-AIT-17

Weitere Studie zur Stromversorgung während des Ukraine-Konflikts: 

Holz, F. Sogalla, R., von Hirschausen, C., Kemfert, C. (2022). Energieversorgung in Deutschland auch ohne Erdgas aus Russland gesichert. DIW aktuell (83). Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung. Berlin. 

Website von Herbert Saurugg: 

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Roman zum Thema Blackout: 

Elsberg, M. (2012). Blackout – Morgen ist es zu spät. Blanvalet-Verlag. München. 

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