Drei Wochen nach Beendigung der Besetzung im Unipark führte ich mit einer Aktivistin, die vorne mit dabei war und sich für diese Unterhaltung Rosa nannte, ein Interview über das Erlebte, das dadurch Erreichte und wie es um die Bewegung generell steht. Hier kann der der dazugehörige Bericht nachgelesen werden.
Interview von Georg Pidner
Zur vergangenen Aktion
Wie fandest du die Besetzung?
Gut, war lustig. Also dafür, dass wir in der Vorbereitung nicht davon ausgegangen sind, dass es so lange dauern wird, haben wir die vier Wochen erstaunlich gut gefüllt. Es sind neue Menschen hinzugekommen, es ist ganz viel entstanden, es haben sich ganz coole Projekte ergeben, viele neue Freundschaften sind entstanden. Also insgesamt bin ich sehr zufrieden. Auch, wenn es manchmal stressig war, war es insgesamt sehr gut.
Was war dein schönster Moment?
Ich glaube, es hat ganz viele verschiedene schöne Momente gegeben. Einen schönsten kann ich gar nicht sagen. Schon die kleinen Dinge, wie ganz spontan ein Banner malen, das dann im FLINTA*[Frauen, Lesben, Intersexuelle, Nichtbinäre, Trans und Agender]-Safer-Space aufgehängt wird und unter dem ich dann jeden Tag schlafen gegangen und aufgewacht bin oder nach einer Feier, wie alle wieder gemeinsam nach Hause gehen in die Besetzung. Gemeinsam Ideen spinnen, Projekte erfinden. Also mehr so ganz kleine Dinge und weniger ein großer Moment.
Was war ein schlimmer Moment?
Ich glaube, ein schlimmer Moment für mich persönlich war am zweiten Besetzungstag, weil ich da ultra durch war und weil die Struktur, die wir in der Vorbereitung aufgebaut hatten, dann nicht so funktioniert hat, aber wir haben das als Gruppe relativ schnell geschafft, da wieder rauszukommen und die Struktur anzupassen, sodass die Arbeitslast wieder auf verschiedene Menschen verteilt war und nicht einzelne voll ausbrennen.
Ich hatte das öfter während der Besetzung, aber am zweiten Tag war es am schlimmsten. Aber dadurch, dass es dann in der Gruppe gut gegangen ist, das zu ändern und aufeinander zu schauen, war es bei den anderen Malen weniger schlimm, weil ich gewusst habe: Ich muss da nicht allein durch oder nicht nur ich habe diese Gefühle so.
Hattest du Aha-Erlebnisse, die dich nachhaltig geprägt haben oder von denen du glaubst, dass sie dich prägen werden?
Mit so radikalen Aktionen können ganz schon krasse Sachen verändert werden, auch auf diese Uni-Strukturen bezogen. Also eine Besetzung machen und dann mit diesen Menschen ins Gespräch kommen, mit denen man sonst nie reden würde. Nur halt dadurch, dass man halt was macht, was sonst nicht so eine normale Aktion ist. Das war irgendwie schon so ein Aha-Moment. Also was Krasses machen und dann nehmen einen die Menschen ernst und es folgt daraus ein Prozess.
Was waren die größten Schwierigkeiten oder Herausforderungen während der Besetzung? Wahrscheinlich das bereits Angesprochene mit der Lastenverteilung?
Ja. Dass die Gruppe auch stark variiert hat, dass die Menschen unterschiedlich viel Zeit in der Besetzung verbringen konnten. Das war so das Herausforderndste. Manchmal auch Kommunikationssachen zwischen Menschen, die viel da waren und weniger, und die Kommunikation zwischen den verschiedenen Arbeitsgruppen.
Wie fandest du die Art, wie etwa in Wien vorgegangen wurde? Es wurden zum Beispiel „Hörsaal Swarming[s]“ organisiert, um „die Uni in Ihrem Alltag zu stören und auf den derzeitigen Krisenstatus und seine Dringlichkeit aufmerksam zu machen“.1 Ich vermute, dass viele Studierende und Bedienstete die Besetzung nach wenigen Tagen nicht mehr wirklich wahrgenommen haben.
Ja. Ich finde das grundsätzlich cool, was die in Wien gemacht haben, weil das nochmal krass Aufmerksamkeit anzieht. Wir hatten andere Standorte, die vielleicht überhaupt nichts von dieser Besetzung mitgekriegt haben und selbst am Unipark war es, glaube ich, immer noch relativ einfach, das zu ignorieren. Das ist grundsätzlich ein cooles Mittel, um auch mehr disruptiv zu sein. Ist bei uns auch an personellen Ressourcen gescheitert. Also deswegen haben wir so etwas auch nicht gemacht.
Aber es ist doch schon im Vorhinein darauf ausgelegt worden, so wenig wie möglich den Uni-Betrieb zu stören. Schon mit der Auswahl des Ortes, der Räume und mit dem, dass mensch zuvorkommend mit dem Rektorat war – das schon von Beginn an.
Ja, aber ich glaube, es schließt sich nicht aus, zwischendurch störende Aktionen zu machen, weil es doch einen Unterschied gibt zwischen längerer Disruption und einmal kurz eine Vorlesung zu stören. Man kann trotzdem insgesamt eine sehr friedliche Besetzung machen, aber auch einzelne Aktionen mit mehr Aufmerksamkeit.
Wie, glaubst du, könnte das für die nächsten Aktionen oder nächsten Semester-Generationen erreicht werden?
Mehr mobilisieren und halt auch Menschen haben, die sich nur um die Mobilisierung von Menschen kümmern.
Glaubst du, dass das nun im Aufbau sein kann?
Ja. Also das ist was, worauf wir beim nächsten Mal mehr achten werden. Das ist nicht was, was andere Menschen, die eh schon viele Aufgaben haben, nebenher machen können. Also da braucht es einfach welche, die da krass dahinterstehen und ihre Hauptenergie darauf fokussieren – zu schauen, wie man neue oder mehr Menschen dafür motivieren kann.
Ergebnis
Was sagst du zum Ergebnis allgemein und insbesondere zur Abschlusserklärung mit dem Rektorat?
Ich finde es auf jeden Fall mega cool, dass wir eine Abschlusserklärung haben, dass das Rektorat die Besetzung, als Aktionsform, auch als legitimes Mittel, um Veränderungen anzustoßen, einfach so akzeptiert hat und dass es um diesen Dialog gegangen ist. An anderen Unis ist das ja nicht passiert, voll viele sind einfach geräumt worden. Wir hätten uns erhofft, dass darin mehr Veränderungen angestoßen werden, aber ich denke, es ist ein Anfang, dass sowas mal drinsteht. Diese zwei zusätzlichen interdisziplinären Lehrveranstaltungen und dass die Studienergänzung Klimawandel und Nachhaltigkeit in allen freien Wahlfächern angezeigt werden, sind auch ein guter Start. Es ist jetzt erst der Anfang, um diese Veränderungen anzustoßen und es wird weitergehen. In welcher Form auch immer, werden wir noch sehen, aber ich bin echt voll zufrieden mit dem Ergebnis.
Was hätte noch mit in die Erklärung reinkommen können?
Das mit den sechs ECTS in jedem Studiengang – das wäre schön gewesen, aber das kann halt nicht das Rektorat entscheiden. Das ist aber auch noch nicht gegessen. Da werden weitere Gespräche mit dem Senat folgen. Das Ding ist halt: Das Rektorat ist halt gegen diese verpflichtenden ECTS und vielleicht, wenn wir das mehr auf die Art und Weise formulieren können, dass die Menschen einfach nicht die Möglichkeit haben, innerhalb ihres Studiums sich damit zu beschäftigen, weil es keine freien Wahlfächer gibt.
Etwa in Jus, soweit ich weiß.
Ja, genau. Andererseits finde ich es, ich habe in letzter Zeit ein bisschen darüber nachgedacht, auch krass weltfremd, wenn das Rektorat sagt: Nein, wir wollen keine verpflichtenden Lehrveranstaltungen für alle zu diesen Themen. Das ist eine krasse Realitätsverweigerung, die Menschen nicht darin ausbilden zu wollen, was auf uns zukommt und es wird auf uns alle zukommen. Egal ob jetzt irgendeine Jus studiert oder Materialien und Nachhaltigkeit oder Linguistik. Wir alle müssen irgendwie in unserem Leben dann mit diesen Krisen leben und mit dem, was sie bringen.
Da kann ich gut einhaken und dazu wird es wohl noch längere Kritik in der Uni:Press geben. Was glaubst du, was das für einen Effekt hat, wenn Jusler:innen, künftige CEOs von Ölkonzernen, die früher mal in ihrem Studium sechs ECTS in irgendeinen Klima- und Nachhaltigkeits-LV gehabt haben, wo jetzt noch nicht einmal geklärt ist, was der Inhalt sein wird? Mensch kann zu Nachhaltigkeit theoretisch jeden Unsinn lehren. Ob das dann so einen großen Unterschied macht, denn es gibt dann trotzdem kapitalistische Sachzwänge und so weiter.
Ja klar, das sollen systemkritische, interdisziplinäre Lehrveranstaltungen sein, die die sozialökologische Krise und ihre Zusammenhänge thematisieren und nicht nur so: Ja, Blah, Blah, Nachhaltigkeit, Greenwashing-Scheiße. […] Ich finde es halt ein bisschen weltfremd, die Menschen da nicht da zu informieren zu wollen in der heutigen Zeit. Ich habe persönlich den Kommentar gekriegt: Ich zahle unglaublich viele Steuern und will nicht, dass das irgendwie für so systemkritische Lehre ausgegeben wird, whatsoever, und da denke ich mir so: Ja, aktuell werden deine ganzen Steuern halt für klimaschädliche Subventionen ausgegeben – ist dir das lieber? Für so viel Zeug ist Steuergeld da und dann ist bei sowas Schluss. Das ist eine krasse Prioritätenfrage.
Was ist deine Meinung dazu, dass Themen und Forderungen außerhalb der Uni, also welche, die sie nicht direkt betreffen, maximal angesprochen, aber nicht forciert wurden? Im Vorhinein wurde ja die Konfrontation mit der Stadt- und Landespolitik – aus Ressourcengründen, wie es hieß – abgesagt.
Ich hätte es cool gefunden, wenn es mehr Raum gekriegt hätte, andererseits denke ich, ist es vielleicht auch, wie du gesagt hast, aus Ressourcengründen, dann nicht passiert. Es ist auch okay zu sagen: Das sind jetzt gerade unsere Grenzen, wir gehen da nicht drüber und schauen, dass wir das in einem anderen Rahmen realisieren, weil es gibt Landtagswahlen. Ich denke, da machen irgendwelche Menschen wieder irgendwelche lustigen Projekte, um da nochmal auf diese Krise aufmerksam zu machen und auch auf unsere Forderungen, weil das sind keine völlig neuen in Stadt und Land. Das sind welche, die andere Gruppierungen auch stellen, zum Beispiel Fridays for Future oder das Aktionsbündnis [für Mobilitätswende Salzburg, Anmerkung].
Bewegungsorganisation und Aussichten
Wie fandest du die interne Organisierung? Du hast es eh vorher schon ein bisschen angesprochen.
Eigentlich gut, manchmal schwierig, weil Aufgaben sehr stark von Einzelpersonen übernommen worden sind, weil sehr wenige Menschen Zeit auch dafür hatten. Andererseits war es auch sehr cool, weil dann wieder neue Menschen dazu gekommen sind, uns unterstützt haben oder Unterstützung durch Essen kochen oder externe Menschen. Insgesamt haben wir uns gut organisiert. Wir sind aber im Nachhinein schon in einem Prozess, wo es darum gehen wird, wie wir Menschen, die dazukommen wollen, möglichst gut einbinden und wir dieses Kerngruppending auflösen, weil wir uns dann doch gut kennen.
Was Probleme aufwirft?
Ja, es kann schon für Menschen, die eigentlich Lust hätten auf die Gruppe, vielleicht schwierig sein, wenn sie das Gefühl haben: Alle kennen sich schon und sind voll close und trauen sich dann vielleicht nicht, Teil davon zu sein.
Wie hast du die Bewegung in Österreich wahrgenommen und wie global?
Dadurch, dass ich mich um Vernetzungssachen gekümmert habe, habe ich eher noch mehr mitgekriegt, aber ich weiß nicht, ob das auch bei anderen angekommen ist, die nicht so viel damit am Hut hatten, sich nicht so intensiv damit beschäftigten. Es ist halt ein Problem, dass diese Besetzungen halt intern sehr ressourcenintensiv sind und dass es dann halt schon krass ist, nochmal Ressourcen aufzuwenden, um Vernetzung zu machen, auch wenn man voll viel voneinander lernen kann und voneinander übernehmen kann. Die Verbindung zur eigenen Ortsgruppe ist dann doch stärker und dann setzen sich Menschen doch eher dort ein. Der Rest steht dann eher hinten nach. Was auch okay ist.
Wie würdest du den Austausch beschreiben?
Ich war dafür zuständig und mir war das auch wichtig. Es war für mich manchmal schwieriger, manchmal leichter – auch österreichweit. Wir haben uns aber schon gut vernetzt und wenn es wieder Aktionen gibt, ist es leichter, weil wir diese Strukturen schon aufgebaut haben. Jetzt war mehr so kennenlernen, schnuppern, Strukturen aufbauen und wenn es dann eine Aktion gibt, funktioniert es einfach.
Wie kann es mit der Bewegungsorganisation Erde Brennt in Salzburg weitergehen?
Ich habe einerseits davon erfahren, dass es im Frühjahr wieder Aktionen geben könnte, andererseits, dass sich die Gruppe eventuell auflöst.2 Eine Person hat die Vermutung geäußert, dass viele wieder bei AMS [Aktionsbündnis Mobilitätswende Salzburg] weitermachen. Was glaubst du, was wahrscheinlicher ist?
Ich glaube, vielleicht kann man auch für verschiedene Themen verschiedene Gruppen gründen. Klar gibt es personelle Überschneidungen zwischen Erde Brennt und anderen. Ich denke aber, das Zentrale ist, dass insgesamt die Gruppe an Menschen, die aktiv sein wollen, wächst. Also die Bewegung – die Anzahl an Menschen, die sich zusammen für oder gegen Sachen einsetzen wollen. Je nachdem, was ansteht, wenn wer eine Idee in eine Richtung hat und worauf die Menschen Lust haben, werden sich Menschen neu zusammenfinden, neue Gruppen gründen, bei anderen wieder weitermachen, wenn es da Projekte gibt. Die Menschen, die bei ein paar Sachen dabei waren, können sehr gut auf das aufbauen, was passiert ist. Es muss nicht unbedingt in dieser Personenkonstellation weitergehen und das schließt gleichzeitig nicht aus, dass es so wird. Alles ist offen und das, was passiert, passiert. Die Menschen machen da weiter, wo sie mitmachen wollen oder was es halt auch gibt. Bei so einer Uni-Besetzung, wenn man das macht, ist es ja auch ein Angebot, sich zu engagieren und wenn dann Leute darauf Lust haben, dann kommen sie dazu und werden dann vielleicht auch Teil der Bewegung. Entweder wollen sie danach auch noch weitermachen, wieder bei einem anderen Projekt, whatever, was halt daherkommt, haben selber ein Projekt, oder halt nicht.
Glaubst du, dass es bemerkbar größer geworden ist? Könntest du es in Größen beschreiben?
Ja, auf jeden Fall. Verdoppelt.
Möchtest du selbst noch etwas ansprechen?
Insgesamt haben wir sehr viel gelernt, also alle zusammen. Es haben sich so Zusammenhänge ergeben, was so Organisation oder die Gruppe, die eigenen Fähigkeiten angeht und wir werden weitermachen. Es hat sich noch nie so sehr wie ein Anfang angefühlt für mich.
Das ist jetzt der Anfang?
Das ist der Anfang. […] Das fühlt sich inzwischen sehr real an, wo wir tatsächlich Veränderungen anstoßen können. Mönchsberggarage war ja nice so und irgendwie crazy, aber auf einer ganz anderen Ebene. Da war es viel weniger in unserer Hand, aber jetzt war es so: Okay, wir machen was, wir wollen was umsetzen und dann passieren aufgrund unseres Protests auch konkrete Veränderungen.
Verweise:
1: Telegram-Kanal von Erde Brennt Wien vom 21. November 2022: https://t.me/erdebrennt_uni/109.
2: „Erde brennt! Salzburg”: Studierende besetzen Uni (Interview)“ in Klasse gegen Klasse am 29. November 2022: https://www.klassegegenklasse.org/erde-brennt-salzburg-studierende-besetzen-uni-interview/.
Fotocredits: Moses Hillig