Skip to main content

Diesen Winter fand in Salzburg tatsächlich, über zehn Jahren nach Uni brennt, wieder eine Uni-Besetzung statt. In diesem Bericht befinden sich einige Eindrücke und Einschätzungen zu diesem, für die PLUS betrachtet, historischen Ereignis, auf das eventuell noch mehr folgen wird.

Von Georg Pidner

Vom Mittwoch, dem 16. November bis Mittwoch, dem 14. Dezember letzten Jahres waren im Unipark Salzburg drei Seminarräume und Teile des davor liegenden Flurs von Klimaaktivist:innen der Gruppe Erde Brennt besetzt. In der letzten Ausgabe der uni:press befindet sich ihr damals vager Aufruf, um sich den „notwendigen Raum […] für Diskussionen über die Zukunft“1 zu nehmen. Ihr diagnostisches Framing bestand aus dem Krieg in der Ukraine, der daraus resultierenden Energiekrise, seinen sozialen Konsequenzen und der Klimakrise.

Im gleichen Zeitraum starteten und endeten dutzende ähnliche Aktionen, oder zumindest Versuche, verstreut über den globalen Norden, aber laut einer internen Auflistung auch im Kongo, in Mexiko, Kolumbien und Burundi. In Österreich gab es neben Salzburg noch welche in Innsbruck und zwei in Wien. Alle, bis auf die in der Boku Wien, hielten ähnlich lange durch. Innsbruck konnte, wie Salzburg, eine Abschlusserklärung samt Einigungen mit ihrem Rektorat als Erfolg präsentieren. 

Aus einer Position der beobachtenden Teilnahme, mit einer kritischen Distanz, aber trotzdem konkreter Mitarbeit war ich dort einige Tage und eine ganze Nacht mit wenig Schlaf. Wenn die Uni bisher quasi nur alle zehn Jahre besetzt wurde, sollte mensch dann diese Gelegenheit voll nutzen und nebenbei der aktuellen Klimabewegung, aus der ich auch komme, so nah wie möglich sein.

Wer kann schon von sich behaupten, in der Uni übernachtet zu haben, dort aufgewacht, Zähne geputzt zu haben oder (feuerschutzkonform) gegrillt, gefeiert. Das und noch viel mehr haben wohl insgesamt mehr als hundert Leute erlebt. Dazu kommen noch Besucher:innen, die es sich vielleicht nur kurz anschauen wollten oder Essensspenden brachten.

Workshops und Vorträge mit vielen Professor:innen aus unterschiedlichsten Fachbereichen und ihren teils konträren Zugängen. Mit Politiker:innen, Aktivist:innen anderer sozialer Bewegungen und linker Gruppierungen. Unkonventionelle und selbstorganisierte Wissensvermittlung, das Produzieren neuer Transparente mit mannigfaltigen Botschaften, ewige Plena-Diskussionen mit radikaler Basisdemokratie. Damit erzeugte dieser neu geschaffene Ort insgesamt, trotz der unveränderten äußeren Umstände, einen Hauch einer anderen Welt. Zwischen den Wänden, in denen so viel an Leistung abverlangt, prekäre akademische Arbeit erbracht und auf eine kalte, aber eben brennende, sterbende Erde vorbereitet wird.

Die Abschlusserklärung mit dem Rektorat und der ÖH Salzburg, das an alle Uni-Angehörigen per Mail versandt wurde, sahen die Aktivist:innen als Erfolg. Mehr dazu steht in diesem Interview, das ebenfalls in dieser Ausgabe erschienen ist.

Während der Besetzung wurde eine Petition gestartet, um den Forderungen Nachdruck zu verleihen. Sie kam auf rund 300 Unterstützer:innen. Angeblich gab es auch eine gegen die gesamte Aktionsform, jedoch ist diese nicht einmal nach längerer Recherche auffindbar. Sie wäre die einzige organisierte offene Aktion gegen die Besetzer:innen gewesen. Ansonsten gab es keine dokumentierte Form der Repression. Die Beteiligung und die Ausdauer waren unerwartet stark.

Dominic von Scientists for Future Leipzig, der im Vorfeld unterstützte, einige Tage dabei war und die Moderation der Podiumsdiskussion übernahm, sah in der Gruppe einen starken inneren Zusammenhalt, aber auch, dass sie Spaß an der Sache hatten. Als Außenstehender nahm er einen Reifeprozess während der Durchführung wahr. Der vorher ausgearbeitete Plan wurde umgesetzt, aber dennoch an die Situation flexibel angepasst und oftmals wurde doch nochmal nachgelegt. „Auf verschiedenen Ebenen war das dann doch sehr professionell und menschlich auch total gut.“, verriet er mir in einem Interview, das eine Woche vor Beendigung der Besetzung stattfand.

In Zukunft brauche es „einen klaren Zusammenhang zwischen zivilem Ungehorsam und den nicht-ungehorsamen zivilen Akteur[:inn]en, die dann Wortführer[:innen] werden.“ Es soll weniger über die Aktionsformen an sich und ihre Akzeptanz gesprochen werden, sondern stets über den Inhalt – den Klimawandel und auch die für ihn zentrale Auswirkung, das Artensterben.

In der Nacht auf den ersten Freitag konnte ich eine hitzige Auseinandersetzung miterleben. Es ging um einen Künstler, der sich spontan beteiligte und einen kontroversen Spruch auf ein Banner malen wollte. Nachdem die anwesenden Aktivist:innen ihm das verweigerten, äußerte er in einem kurzen Interview mit mir die Kritik, dass die Studierenden hier nur ihre eigene Bubble erreichen wollen. „Wir brauchen neuen Wind, es muss sich etwas ändern. Das ist eine Rhetorik, mit der du niemals großartig Emotionen erreichen [wirst].“ Seine Botschaft hätte sich gegen den „momentanen politischen Status quo“ gerichtet. Für ihn bräuchte die Situation eine angemessenere Rhetorik.2 Nach dieser Nacht habe ich ihn bei der Besetzung nicht mehr gesehen.

Aus Dominics Sicht konnten die Aktivist:innen, im Rahmen ihrer Möglichkeiten, die Dringlichkeit der Klimakatastrophe ausreichend vermitteln. Außerdem wünscht er sich die Ausweitung dieser Aktionsform. Die Besetzer:innen hätten den Druck auf die Uni effektiv und klug eingesetzt – „erst durch Öffentlichkeit, ohne innen zu stören und wenn das nicht“ gereicht hätte, hätten sie eine Eskalationsstufe hinzufügen können – vergleichbar mit der Vorgehensweise in Wien, die ich im Interview angesprochen habe. Durch die Podiumsdiskussion seien die Aktivist:innen ernst genommen worden.

In einem neuen Online-Magazin von Ökosozialist:innen resümierten zwei führende Aktivist:innen über die aufgetretenen Hürden. Etwa, dass es keine globale Koordination gab, es deshalb nicht gleichermaßen viral ging, wie damals bei Fridays for Future. Die Aktionen an sich hätten nicht genügend Disruption erzeugt. Ihr Ziel ist es, eine Massenbewegung aufzubauen, ähnlich wie die im arabischen Frühling oder bei Occupy Wall Street – „to end the fossil economy“ (S. 29).3

Was die Bewegungsorganisationen in Salzburg und Restösterreich machen werden, blieb auch im Interview in dieser Ausgabe noch unkonkret. Mit dem Beitrag auf Seite XXX könnte bis dahin Diskussion und Reflexion stattfinden.

Verweise:

1: Uni:Press #709, Seite 6 bis 7: „Erde Brennt! Uni pennt?”
https://unipress.oeh-salzburg.at/erde-brennt-uni-pennt
2: „Live-Blog zur Uni-Besetzung“ Freitag, 18. November: 00:54
https://pidner.blog/2022/11/16/liveblog/
3: Fight the fire Issue Number 3, November 2022: “end fossil: occupy” by Matilde Alvim & Noah Herfort, Page 22 – 29
https://www.fighthefire.net/3rd-issue/

Hinterlasse ein Kommentar

Skip to content