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Sie lauern an allen Ecken und Enden: die Pop-Fundamentalsiten
von der Loretto-Gemeinschaft. Mittlerweile sind sie zu einem fixen Player in der Salzburger Diözese geworden. Mit dem neuen Studium „Christliche Kultur, Transformation und Kommunikation“ wollen sie sich auch in der Uni Salzburg festsetzen und ihren Einfluss ausweiten.

Von David Mehlhart

Die Amtszeit von Noch-Rektor Lehnert war geprägt von seinen ambitionierten und teils heftig umstrittenen Strukturreformen an der PLUS. Fachbereiche wurden umgesiedelt und neue, vermeintliche zukunftsweisende, Fakultäten aus dem Boden gestampft. Im Windschatten dieser Generalsanierung erblickten auch einige neue Studien das Licht der Welt. Unter ihnen der 180 ECTS umfassende Bachelor „Christliche Kultur, Transformation und Kommunikation“; in der Eigendiktion simpel und griffg „4C“. Die vier Cs begründensich in der englischen Bezeichnung des Bachelors: „Christian Culture, Change & Communication“.

Am 17.5.2022 segnete der Senat den entsprechen- den Studienplan, welcher von der Curricularkommission Theologie im April des selben Jahres beschlossen wurde, ab. Seit dem Wintersemester 2022/23 steht dieses Studium nun der maturabesitzenden Öffentlichkeit offen. Ein Artikel der Tageszeitung der Standard vom Februar 2023 bezifferte die Inskribierten mit 31.

Warum jetzt ausgerechnet diesen Studiengang zum Thema eines Artikels machen? Noch dazu, wenn es sich mit den zwei Dutzend Studieren- den wohl um nicht mehr als einen kleinen Appendix an der hiesigen ehrwürdigen theologischen Fakultät handeln kann. Dazu kommt noch, dass die Katholik*innen selbst im kreuzbraven Westösterreich seit Jahren eine schrumpfende Noch-Mehrheit sind. Mit Blick auf die KirchenaustrittsStatistik könnte man milde meinen: Sollen sie doch machen und die letzten Lebensjahre wenigsten schön verbringen, bevor man auf der geriatrischen Station auf’s Licht wartet.

Um diesem Abwärtstrend beizukommen hat auch die Kirche erkannt, dass sich etwas ändern muss. Zum einen müssen zukünftigen Mitglieder bewusst geworben werde. Die wenigsten religiösen Karrieren werden sich verheissungsvoll von der Wiege zur Bahre erstrecken, sondern das Ergebnis von bewussten Entscheidungen der Gläubigen sein. Hier beginnen marktwirtschaftliche Mechanismen zu greifen und die Katholische Kirche muss sich in Konkurrenz zu anderen Spiritualitäts-Anbietern setzten. Zum anderen aber ändern sich auch die Aufgaben und verlangten Kompetenzen. Neben dem Kerngeschäft muss eine Kirche auch auf Entwicklungen wie etwa Social-Media reagieren und sich intern effizient aufstellen, gleich einem modernen Industrieunternehmen.

Und genau hier kommt das 4C-Studium ins Spiel. Diese klingende Alliteration deutet schon die Stoßrichtung dieses Studiums an: Zweck ist Ausbildung zukünftiger Kirchenkader, die nicht nur mit allen theologischen Weihwassern gewaschen sind, sondern auch wissen wie man ein Reel schneidet respektive einen Businessplan zusammenschustert. Und so besteht das Studium aus einem theologischen Teil (73 ECTS), einem betriebswirtschaftlichen (39,5 ECTS) und einem kommunikationswissenschaftlichen (24 ECTS). Der Rest der 180 ECTS verteilt sich auf die Abschlussarbeit und Freifä- cher, sowie das Modul „theologische Spezialisierung“. Zu diesem später mehr.

Alte Bekannte

Macht man sich online auf die Suche nach Infos zum 4C-Studium wird es bizarr. Die Uni selbst hat eine eigene Seite, die dem Studium gewidmet ist und über die gewohnte, leicht biedere Aufmachung in grün und weiß verfügt; die klassische PLUS Corporate Identity eben. Nur ist diese Seite der Uni nicht die einzige, die das Ziel verfolgt an- gehende Studierende über den Bachelor ins Bild zu setzen.

Über dem Eintrag der Uni wird eine Webseite mit der Adresse „www.4cstudies.org“ gelistet. Dass die PLUS in Sachen Digitalisierung und Öffentlichkeitsarbeit nicht zu den Jahrgangsbesten gehört ist hinlänglich bekannt. Hat man in der Kapitelgasse einfach die SEO-Hausaufgaben nicht gemacht oder sind hier gemeine Trickbetrüger am Werk, die an die Daten von Studienanfänger wollen? Klickt man darauf, landet man auf einer professionell und attraktiv gestalteten Webseite. Die Headline lautet „Kirche und Organisationen im Umbruch gestalten“.

Ganz oben auf dieser Webseite findet man ein eingebettetes Werbevideo. Wohlfühl-Gedudel, hoffnungsvolle Kamerafahrten und Professor*innen, die die Vorzüge des Studiums anpreisen. Unter dem Video wird die anfängliche Verwirrung dann aufgelöst. In dicken schwarzen Lettern steht dort zu lesen: „Als HOME Base & Church empfehlen wir dieses öffentliche Studium sehr!“ gefolgt von einem Link der – Trommelwirbel – der auf die Seite der PLUS führt (dort ist das Video nicht so schick eingebettet, sondern es öffnet sich ein lästiger neuer Tab).

HOME Base? Da war ja was! Vor knapp drei Jahren erschien an dieser Stelle ein Artikel, der die langsame aber stete Festsetzung der Loretto-Gemeinschaft in Salzburg in den Blick nahm. Die Bewegung gab es zu diesem Zeitpunkt zwar schon länger – 1987 wurde sie von Georg Mayr-Melnhof aus der Taufe gehoben – aber ein immenser Modernisierungschub machte sich zu dieser Zeit bemerkbar. Dieser ging mit der Professionalisierung der Organisationsstrukturen, Erwerb von Liegenschaften (Übernahme und Neugestaltung der Dombuchandlung) und eine Perfektionierung der Medienarbeit einher.

Reaktionäre christliche Inhalte, poppig und spektakulär aufbereitet und mit einer gehörigen Prise Coachingideologie verfeinert ist das Kerngeschäft von Loretto. Die HOME Base fungiert als Klammer, die all die verschiedenen Medienformate und theologischen wie weltlichen Kampfschauplätze zusammenfasst und koordiniert. Und mit mindestes einem Auge schielt man bereits auf die Schalt- hebel der Macht innerhalb der Salzburger Diözese.

Wer hat die Soutane an?

Dass es mit akademischen Unabhängigkeit – auch wenn sie gerne wie eine Monstranz vor sich hergetragen wird – oft nicht allzu weit her ist, ist anno 2023 nicht sehr überraschend. Unternehmen buttern Geld in Unis – Stichwort Drittmittel – und man muss in einem kompetitiven Feld konkurrenzfähig bleiben und verbiegt sich beim Rittern um Studierende bis zu Unkenntlichkeit. Von Professor*innen deren Bildung in erster Linie eine rein formale ist ganz zu schweigen.

Gegenüber dem Standard betont Alexander Zerfaß (Vorsitzender der Curricularkommission Theologie), dass die Unabhängigkeit des Studiums vollends gegeben ist, da dies, so das Argument des Theologen, durch die Ansiedelung an einer öffentlichen Universität ja gar nicht anders gehe. Einfluss den die Lorettos geltend machen könnten schließt er ebenso aus. Liest man die Darstellung der Lorettos aber, beschleicht einen das Gefühl, dass Zerfaß und seine Kolleginnen bei der Konzeption des Bachelors aber so dermaßen über den Tisch gezogen wurden. Die Lorettos gingen mit Theolginnen der PLUS Schlitten fahren und das nicht am Übungshang, sondern direkt die Streif hinunter.

Denn die Unabhängigkeit ergibt sich in erster Linie für Loretto, indem sie die Ausbildung und Abrichtung der eigenen Kader an die Uni outsourcen konnte und diese nun Unabhängig vom eigenen Budget von Statten geht. War man bis Herbst 2022 noch darauf angewiesen, eifrig Spenden zu lukrieren oder Aspirantinnen in Form der Jüngerschafts-Programme selbst zu Kasse zu bitten, um den Laden am Laufen zu halten, dürfte sich die finanzielle Situation nun erheblich entspannt haben. Nicht mehr wohlwollende Obolusse sorgen für ein Klimpern im Spendenstock, sondern feinstes öffentliches Geld wird nun über Umwege in die Strukturen von Loretto gepumpt. In dem Maß wie Zerfaß beschwichtigt und versucht den Schein zu wahren, die Uni hätte die Zügel in der Hand, preschen Vertreterinnen von Loretto selbst hervor und rücken dieses Bild aus ihrer Sicht wieder gerade. Gewissermaßen steht Aussage gegen Aussage, wenn Bernadette Lang (die, die mit Jesus verheiratet ist) gegenüber dem Standard angibt, dass „Wir sehr klaren Input geben [konnten], aus welchen Komponenten sich das Studium zusammensetzen sollte“. Dass von den 31 Studierenden, die eingangs erwähnt wurden, etwa 85% (Angabe des Standards) über eine Nähe zu Loretto verfügen, unterstreicht diesen Anspruch eindrucksvoll.

Ähnlich unverhohlen und selbstbewusst gibt man sich auch auf der Webseite. Jovial wird zwar oben noch auf die Uni verwiesen, scrollt man jedoch weiter nach unten sieht man schnell, woher der Wind weht. Bei sämtlichen E-Mail-Buttons, und von diesen mangelt es auf der Webseite beileibe nicht, sind Adressen hinterlegt, die zu in das Loretto-Miniversum führen.

Generell ist man der PLUS um einige Schritte voraus. So ist auf der Webseite auch von einem „City Campus“ die Rede, den es so in keiner Verlautbarung der Universität gibt. Gemeint ist damit wohl das immer feiner gesponnene Netz der Loretto-Bewegung, das sich zwischen Dombuchhandlung und Theologischer Fakultät durch die Altstadt zieht. Zwar hat die Uni in den letzte Jahren aufgeholt, was das Einrichten von Gemeinschaftsräumen etwa betrifft, aber die HOME Base ist eben auch hier einen paar Nasenlängen voraus mit dem lässigen Café in der Dombuchhandlung.

Reger Austausch und Selbstorganisation der Studierenden wurde durch die Bologna-Reformen einst massiv untergraben. In diese Vakuum stößt nun Loretto, die wie keine anderen wissen, wie sehr sich der zeitgenössische Mensch nach dem warmen Schoß der Gemeinschaft seht. „Lerne von den Erfahrungen Anderer. Teile das Leben. Bei gu- tem Kaffee. Bei spannenden Talks“ lautet der dazugehörige Claim auf der Webseite. Die Grenzen zwischen Universität und Loretto-Bewegung ver- schwimmen so zusehends.

Lehrplan Gottes

Das online einsehbaren Curricula trägt ebenfalls eine eindeutige Loretto-Handschrift an den entscheidenden Stellen und macht die Aussagen Zerfaß’ nicht sonderlich glaubhafter. Aber auch die Diözese dürfte mit den darin Formulierten Ideen auf lange Sicht nicht glücklich werden. Gesetzt den Fall natürlich, dass man beim Zeitpunkt der Erkenntnis nicht schon vollends von Loretto-Kader unterwandert wurde. So kommen immerhin die zum Zölibat verdonnerten Katholen einmal in den Genuss derjenigen Erfahrung, die einen ereilt, wenn sich das amouröse Abenteuer am Ende als große Selbstverleugnung entpuppt.

Die Module des Curriculums tragen klingende Namen wie „Von Gott Reden“, die schon sehr auf den theologisch-ästhetischen Charakter von Loretto verweisen. Differenzierte und abwägende Bibelexegese ist die Sache von Loretto nicht. Passagen aus dem Heiligen Buch dienen dort oft nur als Ausgangspunkt für recht plumpes Coachinggesäusel und Betriebsanleitungen für ein mittelmäßiges Leben in der Spätmoderne.

Das Modul in dem die Handschrift von Loretto am meiste durchscheint isr mit Sicherheit „Glaubenskommunikation“. Die Kernkompetenzen der Bewegung. Zu den „Learning Outcomes“ des Moduls zählt etwa ein fundiertes Wissen über „kirchliche Aufbruchsbewegungen“ und wie man die „christliche Botschaft“ mit „den Zeichen der Zeit“ vermittelt. Neben dieser spirituellen Komponente werden einem auch die Grundlagen von Eventmanagement vermittelt. Man hätte diesen Abschnitt gemäß des 8. Gebotes eigentlich gleich Loretto-Modul nennen müssen, denn Erkenntnissubjekt und -objekt sind in hier nicht mehr zu unterscheiden.

Salzburg wie es leibt und lebt

Solange das Paradies auf Erden noch nicht geschaffen wurde, werden Menschen weiterhin in dieser oder jenen form religiös sein. Das muss man an diesem Punkt wohl einfach so hinnehmen. Am wenigsten hilft hier ein Vulgär-Atheismus a la „Fliegendes Spaghettimonster“.

Wenn aber Loretto auf der 4C-Webseite schreibt, dass der „der Wunsch, Kirche & Gesellschaft proaktiv zu gestalten“ eine Voraussetzung für das Studium ist, darf das durchaus als Drohung für eine reaktionär-katholische Reconquista verstanden werden. Zwar wird man auf lange Sicht der Trend der Kirchenaustritte nicht aufhalten können. Doch darum geht es auch gar nicht primär, denn es ist viel ökonomischer und effizienter den Ball über die Qualitäts-Bande zu spielen und nach und nach die relevanten Sessel innerhalb der Diözesen zu besetzen. Ob die Kirche bei dem Versuch sich zu modernisieren von Loretto übertölpelt wurde oder ob die Zukunft der Kirche sowieso in einer Loretto-isierung besteht bleibt abzuwarten.

Salzburg jedenfalls ist einen im Kern vom Konservativismus verdorbene Stadt und das hie- sige Glaubensangebot spielt dabei eine entscheidende Rolle. Ganz gleich ob dauergrinsende und sich selbst aufgebende Anhänger*innen von Sri Chinmoy oder die Pop-Reaktionäre von der HOME Base: Sie alle vereint, die Abneigung vorm selbst- bewussten, gebildeten und auf seine Individua- lität bestehenden Menschen. Einst war Bildung der Schlüssel zu diesen Eigenschaften. Dass nun ausgerechnet die Universität – aus Naivität oder welchen Gründen auch immer – den reaktionäre Ideen der Loretto-Bewegung ein institutionelles Heim bietet und Ressourcen zur Verfügung stellt ist bittere Ironie.

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