Solange die Schulen noch nicht von Künstlicher Intelligenz (KI) geleitet und deren Unterricht zur Gänze virtuell abgehalten wird, braucht es so etwas wie Lehrpersonal. Dieses ist jedoch nicht so leicht zu finden. Wie die politischen Akteure darauf reagieren und was das tatsächlich bedeutet.
Von Christian Veichtlbauer
Blättert oder scrollt man dieser Tage und Wochen durch die Artikel der namhaften Zeitungen des Landes, kommt einem vor, das altbekannte Problem, dass in bestimmten Fächern landauf landab ausgebildete Lehrer:innen fehlen, hat sich auf alle Fächer und Regionen ausgeweitet. Nun ist es kein Geheimnis, dass das qualifizierte Lehrpersonal zur Schule gehört wie das Gehäuse zum Apfel, doch die Furcht vieler Schulen angesichts des Lehrkräftemangels ist real. Das Ministerium will indessen auf Quereinsteiger:innen setzen.
Die Situation ist in den letzten Jahren zu einem zunehmend dringender werdenden Thema geworden, da immer mehr Schüler:innen ohne angemessene Bildungschancen bleiben. Der Lehrermangel in Salzburg ist ein komplexes Problem, das auf verschiedene Faktoren zurückzuführen ist. Einer der Hauptgründe ist jedoch der demographische Wandel, der dazu führt, dass viele erfahrene Lehrkräfte in den Ruhestand gehen. Gleichzeitig gibt es zu wenige Nachwuchslehrer:innen, um diese Lücken zu füllen. Dies untermauern auch Zahlen aus dem Nationalen Bildungsbericht, wonach die Zahl der schulpflichtigen Kinder und Jugendlichen bis 2030 um mehr als fünf Prozent steigen und im selben Zeitraum rund ein Viertel der Lehrkräfte der Volksschulen und ein Drittel der Lehrkräfte an Mittelschulen in Pension gehen. Immer mehr Lehramtsstudierende brechen ihr Studium ab oder beginnen dieses erst nicht einmal. Von denen, die es dennoch absolvieren, wird der Berufsstand oft als unattraktiv angesehen, was dazu führt, dass viele Absolventinnen und Absolventen des Lehramtsstudiums sich nicht für einen Berufseintritt als Lehrer:in entscheiden. Ein weiterer Faktor, der zu diesem Problem beiträgt, sind die geringe Bezahlung und die unzureichenden Arbeitsbedingungen für Lehrerinnen und Lehrer. Viele Lehrkräfte müssen mit einem geringen Gehalt und unsicheren Arbeitsbedingungen auskommen, was sie oft demotiviert oder gar frustriert.
Der Lehrer:innenmangel in Österreich verschärft sich immer weiter, wobei diese Entwicklung nicht nur durch Pensionierungswellen der sogenannten Boomer oder die multiplen Belastungen durch die Pandemie, Krieg und Teuerung des spätkapitalistischen Systems verursacht wird. Man würde meinen, ein Job, der nach Ansicht vieler aus Ferien und freien Nachmittagen besteht, „Wenn ich 22 Stunden in der Woche arbeite, bin ich Dienstagmittag fertig.“, wäre derart attraktiv, dass die Schulen sich die Lehrer:innen nach Belieben aussuchen könnten. Stattdessen unterrichten Menschen, die entweder noch mitten im Studium stecken oder ein solches nicht bestritten haben und als sogenannte Quereinsteiger:innen dazukommen. Darüber hinaus ist auch die Überlegung längst angestellt, bereits pensioniertes Lehrpersonal aus der Pension zurück in den Dienst zu holen. Der NEOS-Anhänger Helmut Brandstätter zwitschert auf Twitter dem Gedanken entsprechend „Müssen Lehrer:innen wirklich mit 65 in Pension gehen? Ist ja nur ne Frage!“.
Der ÖVP-Bildungsminister Martin Polaschek ist scheinbar nicht nur um den ästhetischsten und modischsten Haarschnitt der gesamten Bundesregierung bemüht, sondern gönnt sich zwischendurch auch einige Ergüsse zur angeführten Problematik. Unter dem Titel „Klasse Job“ hat der besagte Minister die „größte Lehrkräfteoffensive der Zweiten Republik“ angekündigt, bei der neben einer Weiterentwicklung der Ausbildung eine neue Erzählung von Schule stattfinden soll. Das (Triggerwarnung) Recruiting neuer Zielgruppen soll mehr Personal bringen und Polaschek will hinterfragen, welche Aufgaben die Schule erfüllen kann. In der Debatte über die Lehrpläne habe sich gezeigt, dass es hier sehr hohe Erwartungen gebe, nicht alle könne die Schule erfüllen. Um mehr Personen für den Lehrberuf zu gewinnen, soll Schule außerdem als attraktiver Lebens- und Arbeitsraum positioniert werden. Österreich habe ein sehr gutes Schulsystem, das werde in der Gesellschaft viel zu wenig wertgeschätzt. So weit, so fatal.
Polaschek konstatiert weiter, dass ein intensiver Fokus bei der Strategie auch auf Personalmanagement und Recruiting liegen soll. Via www.klassejob.at sollen Interessierte passgenau erfahren, wie sie in das Schulsystem kommen und wer wo gesucht wird. Ein Bedarfsrechner zeigt, welche Fächer gefragt sind und wo besonders viel Personal gebraucht wird. Ziel müsse es laut Bildungsministerium sein, dass jeder Lehrer bereits nach dem Bachelorabschluss als Vollzeit-Lehrperson arbeitet und den Master berufsbegleitend absolviert, was natürlich ganz dem Mindset entspricht, massenhaft ECTS zu absolvieren um möglichst schnell in der Berufswelt Fuß zu fassen. Die Verkümmerung zur möglichst stupiden Ausbildung wird damit weiter rasend vorangetrieben.
Etwas handfester ist hingegen die Umstellung bei der Primarstufe von derzeit vier Jahren Bachelor- und einem Jahr Masterstudium auf drei plus zwei Jahre. Die entsprechende Novelle soll laut Polaschek 2023 beschlossen werden, 2024/25 kann die neue Ausbildung dann starten. Die Pflicht zum Masterabschluss soll im Sinne der Qualitätssicherung aber bleiben. Neben der Klasse-Job-Kampagne will Polaschek übrigens auch die mit einem Drittel recht hohe Teilzeitquote bei Lehrern angehen. Jenen, die mehr arbeiten wollen, soll das ermöglicht und Teilzeitkräfte zu mehr Unterrichtsstunden ermutigt werden. Wobei an dieser Stelle angemerkt sei, dass wir uns natürlich genau vorstellen können, was der Herr Minister unter ermutigen versteht und dabei eher von bürokratischem Maßregeln die Rede sein müsste.
Ähnlich wie hierzulande haben auch unsere Lieblingsnachbarn, die Deutschen, einen hohen Einstellungsbedarf. Mit einem Millionen-Paket will die bayerische Regierung kurzfristig Lehrer:innen aus anderen Bundesländern für den Einsatz im Freistaat gewinnen. Um den Lehrermangel in Bayern zu bekämpfen, habe die Staatsregierung daher „finanzielle Anreize“ auf den Weg gebracht, die auch „deutschlandweit wirken sollen“. Währenddessen twittert der Häuptling Bayerns und CSU-Sonderling Dr. Maggus Söder „Wir brauchen mehr #Lehrer. Deshalb schaffen wir neue Anreize für mehr Personal: Über eine #Regionalprämie mit 3000 Euro fördern wir den Wechsel in Regionen mit hohem Lehrerbedarf. Und wer als Lehrkraft nach Bayern zieht, erhält Unterstützung beim Umzug.“ Und weiter: „Kinder sind unsere Zukunft. Deshalb hat gute #Bildung für uns Priorität. Bayern beschäftigt so viele Lehrer wie nie, aber wir wollen noch besser werden. Dafür planen wir 8000 neue Stellen für Lehrkräfte und Verwaltung. Das Ziel: Mehr Empathie und Zeit für unsere #Schüler.“
Wie der ORF berichtet, befürchten Berufsvertreter:innen aus Salzburg bereits, dass viele Junglehrer:innen ins benachbarte Bayern abwandern könnten beziehungsweise dies bereits tun. Hinzukommend zu den 3000 Euro Umzugsbonus ist das monatliche Brutto-Schmerzensgeld um knapp 1700 Euro höher angesetzt. Da können wir Ösis nicht mithalten und die der ÖVP so wichtige Konkurrenzfähigkeit leidet stark darunter. Zwar erntet Ministerpräsident Söder für sein harsches Vorgehen über die Grenzen der Bundesrepublik hinaus rege Kritik, doch mit einem gezielten Schlag sind damit alle Bemühungen des hiesigen Bildungsministers außer Gefecht gesetzt. All die klingenden Wörter und ausgetüftelten Bemühungen, die sich Herr Polaschek von seinem Motivations-Wochenend-Seminar mitgenommen hat, bleiben wie es scheint klingende Wörter.
Unterdessen kann Salzburgs Bildungslandesrätin Daniela Gutschi (ebenfalls ÖVP) keine Abwanderung von Lehrpersonen in den benachbarten Freistaat beobachten. Entweder weil sie lieber den Voodoo Jürgens beim Fiedeln inspiziert oder sich mehr um Achtsamkeit und Wertschätzung bemüht, was beim Yoga-Retreat, wobei der beste Retreat jener der ÖVP aus der Regierung wäre, thematisiert wurde. Die Probleme an den Schulen sind ja wohl eher sekundär. Wie dem auch sei, der Minister Polaschek will die Abwanderungsgründe prüfen (lassen) und vorerst einmal abwarten.
Die Universität Wien wählt einen etwas konkreteren Ansatz und schlägt vor, das Studieren eines Unterrichtsfaches zu ermöglichen, um rasch gegenzusteuern. Vor allem in Fächern
wie Mathematik, Sport oder Physik sei der Mangel an geeigneten Lehrpersonen besonders akut. Mit der Reduzierung auf ein Unterrichtsfach könnte die Studiendauer extrem verkürzt werden und ein rascherer Berufseinstieg wäre möglich. Derzeit müssen alle Studierenden zwei Fächer kombinieren, um ihr Studium abzuschließen – diese Pflicht soll in Fächern mit großem Lehrer:innenmangel für eine befristete Zeit ausgesetzt werden. Diese Maßnahme wirkt recht verzweifelt, ist womöglich aber unter Anbetracht der Tatsachen als ein erstes kurzes Brandlöschen zu verstehen, wenngleich versucht wird, ein brennendes Hochhaus mit einem Eimer Wasser zu löschen, um die Metapher zu vervollständigen.
Alles in allem scheint die Situation an den Schulen in Bund und Land recht verheerend zu sein und eine Besserung ist nicht mal mit einem SWAROVSKI EL Range 10×42 Fernglas zu erspähen. Die ganze Problematik scheint so verworren wie aussichtslos zu sein, was nicht zuletzt auf den völligen Stillstand im Bildungsministerium zurückzuführen ist. In der gut geschmierten neoliberalen Politik gehören schlichtweg auch Bildungsberufe ökonomisiert. Kritisches Hinterfragen ist natürlich nicht erlaubt, denn das widerspricht der Steigerung der Effizienz ins Unermessliche. Die Kinder und Jugendlichen sollen sich bitte schön möglichst früh daran gewöhnen, dass Wachstum, Wettbewerb und Marktwirtschaft die Kenngrößen unserer Zeit darstellen, Prosit!