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Mitte Mai, an einem herrlich sonnigen Samstag, haben Aktivist:innen ein Haus in der Franz-Josef-Straße, im Stadtteil Neustadt, besetzt. Ein Bericht mit Eindrücken vor Ort und rund um das Geschehen.

Von Georg Pidner

Mit einem Flyer wurden Passant:innen und Nachbar:innen über die Aktion aufgeklärt. Etwa, dass die die Besetzung allen für „Austausch, […] Begegnung, Vernetzung und Organisierung“ zugutekommen kann und durch diesen zivilen Ungehorsam ein Raum jenseits des Wirkens von NGOs und Parlament entstehen könnte, wo nicht um Erlaubnis gebettelt werden müsse. Die kapitalistische Verwertung des Grundbedürfnisses Wohnen wurde angeprangert und die geringen Mitgestaltungsmöglichkeiten in der Stadt, die sich lediglich auf Konsum beschränke.

Die Polizei berichtete davon, dass es 20 bis 30 Personen vorm Gebäude bei der unangemeldeten Kundgebung, die zu keinem Zeitpunkt untersagt wurde, und bei der Besetzung selbst waren. Meiner Zählung nach hielten sich zeitweise etwa zehn Polizist:innen vor Ort auf.

„Ohne Eigentum gibt es auch keinen Diebstahl“ und „Die Häuer denen, die drin wohnen“, wurde hin und wieder vom Fenster aus verkündet.

Die Feuerwehr kam, um im Ernstfall die Tür aufzubrechen. Die Besetzer:innen forderten daraufhin Solidarität ein: „Es gibt ein Recht auf Dienstverweigerung.“ Um halb vier verschwand sie wieder.

Schon während der Besetzung der „Franzi“ haben diverse Medien darüber berichtet. So kam erst durch einen Onlinebeitrag von ORF Salzburg raus, dass nicht die Strabag involviert ist, sondern der Eigentümer der frühere Skistar Marcel Hirscher ist. Prompt wurde ein Banner mit dem Schriftzug „Marcel sei 1mal leiwⒶnd“ aus einem der Fenster gehängt.

Eine Angestellte des Hotels nebenan teilte mir mit, dass sie den Außenbereich des Cafés nicht öffnen könne, weil die Situation angeblich zu stressig sei. Ein Passant war froh, dass keine Gewalt angewendet wurde. Eine andere unterstützte es und verwies darauf, dass es ähnliche Verhältnisse überall auf der Welt gäbe. Ein Aktivist, der Flyer verteilte, erzählte mir, dass ein Passant forderte, Hirschers Haus anzuzünden. Das war für ihn eine überraschende Reaktion. Angeblich hat die Polizei vereinzelt Personenkontrollen bei den Leuten, die sich vor Ort versammelten, durchgeführt.

Es gab Redebeiträge über Leerstand und Wohnungsnot. „Sollten nicht alle einen Ort zum Leben haben?“ war eine der rhetorischen Fragen, die die Aktion begleitete.

Ebenso gab es einen Redebeitrag der Initiative „Bürglkopf schließen“. Es ging um Abschiebungen, die schlechte Lebens- und Arbeitsbedingungen und allgemein die „rassistische Asylpolitik“ in Europa. In abgeschiedenen „Rückkehrberatungszentren“ – Abschiebelager – werde Geflüchteten eine freiwillige Ausreise nahegelegt. Es gehe nicht um Beratung, sondern „um Isolation, Zermürbung, Entrechtung und die Durchsetzung von Abschiebungen“. Eine Person verlas ein anonymes Statement von Betroffenen aus dem betreffenden Lager in Bürglkopf, Tirol. So werde ein Stundenlohn von 1,60 fürs Toiletten- oder Zimmerputzen bezahlt. „Das ist keine Gerechtigkeit“. „Es ist besser tot zu sein, als hier zu leben. Ich habe hier kein Leben. Ich bin gestorben.“ „It‘s an open prison.“ Vom Lager ins Dorf gehe mensch zu Fuß ganze zweieinhalb Stunden. Diese Abschiebelager seien eine Vorstufe zur Schubhaft. Dort werde das bestehende Recht ausgereizt, weil anders die Menschen nicht zur Ausreise motiviert werden könnten. Der Zugang für Aktivist:innen und Journalist:innen werde eingeschränkt. Sie würden ihnen von Schlafproblemen, Depressionen und Selbstmordgedanken berichten. Im Juli 2019 gab es einen Hungerstreik. Die Aktivist:innen wollen das Asylsystem von Grund auf auseinander nehmen. Dafür müssten sich die Menschen organisieren und weiterdenken – „neue Formen der solidarischen Praxis“ müssten entworfen und angewendet werden. So könne es nicht mehr weitergehen – „Brick by brick, wall by wall, make the fortress Europe fall.” skandierten die Anwesenden. Mit „Gegen die Festung Europa – Freiheit und Bleiberecht für alle statt Abschiebeterror und Lagersystem!“ endete der Beitrag.

Ein parlamentarischer Politiker, der vor der Franzi anzutreffen war, war der Salzburger Gemeinderat Kay-Michael Dankl von der KPÖ PLUS. Darauf angesprochen, was er von der Besetzung hält, antwortete er mir, dass er es „sehr begrüßenswert und nachvollziehbar [findet], dass junge Leute [ein] lange leerstehendes Objekt besetzen.“ „Wir wissen, es gibt über zehntausend Wohnungen allein in der Stadt Salzburg, die leer stehen. Meist aus spekulativen Gründen und das ist wohnungspolitisch ein Wahnsinn, weil das sind alles Wohnungen, die den Menschen fehlen. Und man muss sagen, Stadt- und Landespolitik haben das halt seit Jahren verschlafen oder halt bewusst weggeschaut, […] anstatt da was zu machen und darum finde ich das ein gutes Zeichen aus der Bevölkerung, wenn man da Druck macht.“ Auf die Rückfrage, wie er den Aspekt der Illegalität der Aktion sieht, kam: „Ich finde Hausbestzungen völlig ok. Das sind leerstehende Immobilien, die fehlen niemandem. In den Niederlanden war es jahrelang völlig legal, leerstehende Objekte zu besetzen und sogar zu bewohnen, weil Wohnraum ist zum Wohnen da.“

Die Gruppe hat mit der Eigentümer-Vertreterin gesprochen und kurz nach 16:00 Uhr das Haus über ein Fenster verlassen.

Auf dieses Ereignis bezugnehmend schrieb einige Tage später ein Kommentator in den Salzburger Nachrichten von „Radikalisierungspotenzial“ und dass „der wachsende Druck auf dem Wohnungsmarkt ein Katalysator für dringend notwendige Veränderungen werden“ könne. Auf die Lösungskompetenz der bürgerlich-parlamentarischen Demokratie vertrauen die Aktivist:innen wahrscheinlich nicht. Es bleibt abzuwarten, was ihre nächsten Aktionen sein werden.

Eine konkrete Konsequenz aus dieser war etwa, dass die KPÖ im Gemeinderat eine Leerstands-Erhebung einforderte.

Weitere Infos sind auf dem Instagram-Account „Leerstand bekämpfen“, der während der Aktion laufend berichtete, zu finden.

Zum Nachlesen

Salzburger Nachrichten, Gerhard Schwischei: Leistbares Wohnen wird zum politischen Pulverfass, 21. Mai 2022

Instagram: leerstandbekaempfen; ini_buerglkopf_schliessen

Facebook: buerglkopfschliessen

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