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„Musiktheater“ nennt das Nachrichtenmagazin profil die, im Rabenhof Theater uraufgeführte Adaption des Theaterstücks „Viel gut essen“ der deutsch-schweizerischen Autorin Sibylle Berg. „Wer bin denn eigentlich ich“ ist eines der ersten Lieder mit denen Kreisky-Sänger und „Austrofred“ Franz Adrian Wenzl den Abend in der, bis zum letzten Platz besetzten, Veranstaltungshalle der ARGE beginnt. Wenzl vollführt in der knapp eineinhalbstündigen Aufführung den Verfall eines mittelständischen Lebens.

Von Carolina Forstner

Ja, wer ist der Mann den der Kreisky-Sänger auf der Bühne zum Besten gibt? Harmlos beginnt der Monolog. Ein Essen für seine Frau will er kochen, die Frau die ihn einfach nicht verstehen mag, mit der er schon seit Jahren kein Bett mehr teilt. Im Selbstgespräch versunken redet sich der anfangs ruhige Darsteller in Rage und enthüllt während dem Muskat-reiben die Abgründe seiner Existenz, die sich in kaum mehr auszuhaltendem Frust aufbäumt. Empörung über das eigene Familienleben, einen Sohn der lieber Ballett tanzt, als mit ihm Zeit zu verbringen, eine Ehefrau mit der er eigentlich kein Wort mehr wechselt, ein Job als IT-Techniker in dem er sich abgehängt fühlt, eine Wohnung die nicht ihm gehört – das Geld hat einfach nicht gereicht – und nicht zu vergessen die Ausländer und Schwulen die nun seine Nachbarschaft besiedeln, umkrempeln, seine Welt von einen Tag auf den anderen verändern.

Sibylle Berg zeigt in ihrem Stück den Gegenpol zum viel besprochenen Stereotyp des „Gutmenschen“ – den „Wutbürger“. Franz Adrian Wenzl spielt ihn mit der dazugehörenden Portion Rage, die in sich in einem fulminanten Ende gipfelt, aber ich möchte ja nichts vorwegnehmen.

Neben Wenzl gibt es übrigens einen dreiköpfigen Chor und natürlich auch die dazugehörige Band Kreisky, die das Stück von Berg um sechs eigene Songs bereichert. Sie alle finden eine gemeinsame Sprache um den von der Gesellschaft unverstandenen, mittelständischen Computertechniker abzubilden.

Sibylle Berg greift in ihrem Stück hochaktuelle Themen auf: Seien es „die Asylanten“, die laut dem Hauptdarsteller das Land und nicht zuletzt seine Nachbarschaft einnehmen, der Jobverlust, die schwierige Kindheit,  zwischen Alkoholikervater und einer Mutter die ausgerechnet mit einem Mann aus Eritrea abhaut, der im Laufe des Stückes immer weiter aufgedröselte Zerfall seiner Ehe, die Trennung, oder die Wohnung die nun einem „Asylantenheim“ weichen soll. All diese Punkte bringen den Mimen dazu, seine Mauern aus Wut und Rage erbaut, immer weiter hochzuziehen, blind für die Veränderungen in der ihm umgebenden Gesellschaft. Unverstanden von eben jener

die ihn als Nazi bezichtigt, weil, so jammert der Protagonist, er sich an seine eingelernten und tradierten Vorstellungen und Rollenbilder klammert.

„Viel gut essen“ ist ein politisches Stück. Es war „der Versuch, herauszufinden, was hinter all den Schreihälsen für die Rechten steckt.“[1], sagte Sibylle Berg in einem Standard-Interview. Die Inszenierung schafft es politische Stellung zu beziehen ohne die Zuhörerschaft in einem Wohlfühlbereich einzulullen. Denn eines wird einem nach dem Ende des Stückes nur allzu klar – hinter den treffsicheren Pointen, dem Chor und den Songs verbirgt sich eine aufwühlende und kluge Studie eines menschlichen Abgrundes. Eben besagter Dreimännerchor beendet die Vorstellung mit der gebrüllten Parole: „Wir wollen eine Welt, die wir verstehen!“ Die Aufführung wird mit tosendem Applaus beendet.

[1] https://derstandard.at/2000066128143/Sibylle-Berg-Dieses-Gutmenschengeschwafel-ist-ja-richtig

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