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Salzburg mag zwar in vielerlei Hinsicht provinziell sein. Doch was verschwörungstheoretisch-obskure, rechtsextreme Umtriebe angeht, zeigte sich die Stadt in der jüngsten Vergangenheit von ihrer avantgardistischen Seite. Deshalb soll an dieser Stelle ein kurzer Situationsbericht erfolgen, der die aktuellen Entwicklungen versammelt. So grundverschieden und unvereinbar diese Bewegungen, Strömungen, Akteure, usw. – vor allem von außen gesehen – anmuten mögen, so wenig passt oftmals ein Blatt Papier zwischen deren ideologischen Standpunkte.

Eine Durchsicht von David Mehlhart

Corona–Rebellen

Das Tragen eines MNS kann mitunter sehr nerven. Ebenso, dass man nach der letzten Vorlesung nicht noch schnell auf ein Bier gehen kann, oder dass der Kontakt – das kann man jetzt sehen wie man will – zu anderen Menschen massiv reduziert werden muss. Alles nicht lustig und auf Dauer auch sehr belastend, aber probate Mittel, wenn man einer Pandemie Herr werden will. Es liegt auch in der Natur der Sache, dass Entscheidungen einer Bundesregierung wie etwa die Erwähnten Maßnahmen nicht nur breite Zustimmung erfahren, sondern auch kritisch gesehen und hinterfragt werden. Beinahe flächendeckend konnte man mitansehen, welch kuriose Blüten die Diskussion um die verordneten Hygiene-Maßnahmen treiben können. Dazu beitragen tun vor allem die sogenannten Querdenker oder Corona-Rebellen.

Zu diesem Behuf gründete sich dieses Jahr der Verein „Heimat, Kultur und Friedensbewegung Salzburg“. Dieser stellt eine zentrale Koordinationsstelle für die Aktivitäten der Salzburger Corona-Rebellen dar, die sonst naturgemäß sehr verstreut auf den diversen Social-Media-Kanälen ihren Unmut äußern. Laut Selbstbeschreibung auf der Webseite, ist das Vorrangige Ziele dieses Vereins, „dass jeder Mensch eine körperliche, seelische und geistige Heimat finden und in Frieden die eigene Kultur leben kann – Menschenkreise statt Machtpyramiden!“ Diese Kurzbeschreibung spiegelt auch sehr schön wider, aus welchen Milieus und Szenen sich die Mitglieder speisen. So schafft man es nicht nur Menschen, die sich der Esoterik, dem New Age Spiritualismus usw. (seelische Heimat, Menschenkreise) verbunden fühlen zu mobilisieren, sondern ebenso jene aus dem bürgerlich-konservativen bzw. rechtsextremen Lager (Heimat). Komplementiert wird diese Melange von Menschen, denen irgendwann im Verlauf ihres Lebens eine linke Sozialisation (Machtpyramiden) im weitesten Sinne zuteilwurde. Möglicherweise will man zukünftig auch Kräfte aus dem autonomen Spektrum mit ins Boot holen. Denn die nächste Kundgebung ist für den 13.12.2020 anberaumt, was ja durchaus als verklausulierte Einladung aufgefasst werden kann.

Live in Action konnte man das Wirken aber vor allem die „Buntheit“ des Vereins zum ersten Mal am 18. Oktober am Residenzplatz erleben.

Bei einer beinahe 5 Stunden dauernden Kundgeben wurde ein buntes Potpourri an Redebeiträgen, Musikstücken und Performancekunst (?) den interessierten Zuschauer_innen geboten. Ähnlich wie man es aus einschlägigen Facebook- oder Telegramgruppen kennt, waren die Themen breitgefächert. Darüber hinaus waren diese weder inhaltlich sonderlich konzise noch in ihrem Verhältnis zu den restlichen Beiträgen. Es sprachen Lehrer, die sich Sorgen um das psychische Wohlbefinden ihrer Schüler_innen machten vor Gastronomen, die kurz vor dem Bankrott stehen. Wie so oft in diesen Kontexten, stellte das Ausmachen der Probleme und Missstände kein Problem dar. Wurde jedoch der Versuch einer Analyse oder das Formulieren von Lösungsansätzen unternommen, glitt man schnell in radikal-egoistische, verschwörungstheoretische oder eugeniknahe Erklärmuster ab. Auch konnte man Zeuge werden, wie ein sorgsam gehegtes Argument liberaler Kommentator_innen, wonach Bildung der Anfälligkeit für Verschwörungstheorien entgegensteuert, live widerlegt wurde. Nämlich als Frau Dr. Christa Grabner, die auf der Webseite der Uni Salzburg als Lehrbeauftragte am Fachbereich Anglistik angeführt ist, eine Analyse der hiesigen Medienlandschaft vortrug, die zwischen der Forderung nach mehr Liebe und legitimer Kritik am Facebook Contentmanagement oszillierte. (Abgewürgt wurde die Rede dann von einer mutmaßlichen Scientology Anhängerin, die sich von Grabners sektenkritischen Ausführungen angegriffen fühlte.) Weiters wurde auf dem Flyer auch mit einem sogenannten Wirtschaftsökonomen“ geworben.

Daneben ist man äußerst unempfindlich im Umgang mit rechtsextremer Ideologie. Es befand sich etwa der Rechtsaußen FPÖler Reinhard Rebhandl im Publikum. Auch Menschen, die eine Binde mit Davidsstern trugen, waren auf Fotos zu sehen. Damit soll impliziert werden, dass man unter den Corona-Maßnahmen gleichsam leide, wie Juden und Jüdinnen während der Zeit des Nationalsozialismus. Diese Analogsetzung ist klar antisemitisch, da sie die Schrecken der Nazi-Barbarei relativiert werden. Auf der Bühne selbst zog der erste Redner und Obmann des Vereins, Merlin Eilers, parallelen zwischen der Bücherverbrennung am Residenzplatz 1938 und der Kundgebung und stilisierte sich so zum Widerstandskämpfer, der um Leib und Leben fürchten muss, wenn er seine Meinung äußert. Dieses Problem, dass Begriffe wie Diktatur, Faschismus o.ä. oftmals sehr unbedarft und losgelöst von ihrem spezifischen historischen Gehalt verwendet werden, sieht man bei den Corona-Rebellen an mehreren Stellen. Der Infotext der Telegramgruppe „Salzburg wacht auf“ (rund 320 Mitglieder) spricht ebenfalls von „Widerstand“, der gegen „diktatorische Maßnahmen“ geleistet werde muss und die kommende Kundgebung firmiert unter dem Titel „Wehret den Anfängen“.

Videos von dieser Kundgebung, aber auch von ähnlichen Events aus der Region, kann man auf dem YouTube Kanal „Krypto TV“ (2260 Abonnenten) nachschauen. Betrieben wird dieser von Roman Michael Tippler. Dieser erfüllt mithilfe dieser Berichterstattung auf seinem Kanal eine gewisse Integrationsleistung für die Corona-Rebellen. Dem geneigten Zuschauer, der geneigten Zuschauerin wird dort eine breite Palette an Content geboten. Dieser reicht von Ufologie und „Grenzwissenschaften“ über Pendel-Tutorials bis hin zu Vorträgen über Permakultur. Beiträge zu TTIP stehen neben fahrlässigen Analysen der „Identitären Bewegung“ und diese wiederum neben Mitschnitten von Meditationsrunden im Furtwängler Park. Es gibt getreu nach dem Motto „man muss ja mit jedem reden“ sprichwörtlich alles. Alles außer eine klare Linie eben. Da kann es dann schon einmal vorkommen, dass das meistgeklickte Video (knapp 70.000 Aufrufe) der Vortrag eines Herren ist, der sich selbst Harvey Friedman nennt, in dem dieser vorgeblich über Banken und Finanzkrisen reden will, aber eigentlich in ein 75-minütiges antisemitisches Gezeter verfällt.

Bei aller gebotener Kritik an politischen Maßnahmen, insbesondere denen einer rechtskonservativen Partei wie der ÖVP, muss man sich im Klaren sein, welche Klammern es sind, die die Corona-Rebellen zusammenhalten. Und auch wenn die vermeintliche Kritik nicht selten den richtigen Nerv trifft, harmlos und friedfertig daherkommt, sind es oft antisemitische Narrative oder Verschwörungstheorien, die herangezogen werden, um aktuelle Geschehnisse einzuordnen oder zu bewerten.

Rechtsextremismus in Salzburg

Traditionellerweise passieren zwei Dinge bei innenpolitischen Machteinbußen der FPÖ, wie sie sich im Zuge der Ibiza-Affäre ereigneten. Zum einen wagen Mandatar_innen Ausritte in rechtsextreme Gefilde, bei denen sie jegliche Berührungsängste über Bord werfen. Zum andern kommt es zu einer Intensivierung der Tätigkeiten rechtextremer Kräfte jenseits der Parteien. In Österreich sind diese recht überschaubar und bestehen im Grunde aus den deutschnationalen Burschenschaften und der sogenannten „Identitären Bewegung“ (IB) bzw. der Gruppe die „Die Österreicher“. Bei letzterer handelt es sich um einen Versuch des Rebrandings „IB“ aus dem Jänner 2020, wobei Personal und Inhalte en gros gleichblieben (es ist die Webseite der IB nach wie vor abrufbar). Lediglich im Auftreten gibt man sich etwas zahmer und bürgerlicher. Grund hierfür war vor allem eine Welle der Distanzierung seitens der FPÖ, die damals auch von Norbert Hofer selbst kam. Kernpunkt der Ideologie bleibt jedoch die Bestrebung einen weißen „Ethnostaat“ zu errichten. Vor allem die Abgrenzung der FPÖ von der IB bedingte diesen Schritt. Aber bei allen Lippenbekenntnissen der Freiheitlichen lässt sich dieses Knäuel an personellen, ideologischen und logistischen Überschneidungen zwischen der Partei, „IB“ und den Burschenschaften nicht so einfach auflösen.

Blickt man nach Salzburg sieht man schön wie sich diese Vernetzungen darstellen und die Partei sich und ihre Linie am Ende ad absurdum führt. Zum einen war es in der Vergangenheit schon immer wieder zu verschiedensten Kollaborationen zwischen der hiesigen Burschenschaft „Gothia“ aus Mülln, die in Salzburg wohl die aktivste ist, und der IB gekommen. Das kann man anhand von Fotos auf deren Webseite sehen, als man 2016 gemeinsam beim Grenzübergang in Freilassing demonstrierte. Mit von der der Partie war damals auch der FPÖ Politiker Reinhard Rebhandl. Dieser war auch bei oben erwähnten „Corona-Demo“ vor Ort.

Seit Ende August bespielt die Gothia auch wieder ihre Social-Media-Kanäle intensiver. Die Inhalte bleiben aber gleichsam geschichtsrevisionistisch und reaktionär. Und wirft man einen Blick auf die Followerlisten sieht man dort das Who is Who des deutschnationalen Milieus sowie der Neuen Rechten. Kurios anmutend ist auch ein Foto aus dem Jahr 2005 auf deren Webseite, dass die „Gothen“ bei einer Reise zeigen soll. Soll deswegen, weil die Bildunterschrift – gehalten in Fraktur – als Ort „Deutsch-Südwest“ angibt. Nun lässt sich ein solches Land aber auf keiner Karte und keinem Globus finden. (Sachdienliche Hinweise bitte an die Redaktion mailen!) Daneben veranstaltete man Mitte November eine Vernissage des „Künstlers“ Odin Wiesinger. Seines Zeichens Lieblingsmaler des FPÖ Parteichefs Norbert Hofer. Dieser zeichnet vornehmlich männliche Männer bei sehr männlichen Tätigkeiten, wie beispielsweise Fechten.

Jüngst wurde diese Verstrickunsgsposse um eine neue Episode erweitert und strafte die offizielle Parteidiktion Lügen, hinsichtlich dem Verhältnis der FPÖ zur „IB“ und ihren Protagonisten. Ende November wurde Roman Möseneder in den Vorstand der Parteijugend der Salzburger FPÖ, dem „Ring freiheitlicher Jugend“ (RFJ), bestellt. Möseneder ist ob seines junges Alters eine fixe Größe der österreichischen Rechten und mit einem sehr gut sortierten Adressbuch, das sich von der AfD über den rechtsextremen Verleger Götz Kubitschek, Musiker der Neuen Rechten bis hin zur Landesobfrau der FPÖ Marlene Svazek, erstreckt ausgestattet. Fotos, die das belegen, existieren im Internet zuhauf. So etwa von einem Infostand im August diesen Jahren auf dem er mit Martin Sellner posiert. Oder vom ersten Treffen des Salzburg Ablegers von „Die Österreicher“ Ende Oktober mit Edwin Hintersteiner, ehemaliger Chef das „IB“ in Salzburg. Kurz danach tauchten auch vereinzelt Flyer dieser Organisation in Salzburg auf. Angedeutet hatte sich dies aber schon länger, als auf etwa der Twitter-Account des RFJ mit Sujets bespielt wurde, die inhaltlich sowie ästhetisch von einer Nähe zu „Die Österreicher“ bzw. der „IB“ zeugten.

 Diese Änderungen im Vorstand des RFJ wurden in Salzburg parteiübergreifend verurteilt. Auf der Seite der FPÖ, wo nun alle Hemmungen gefallen zu sein scheinen (böse Zungen würden wohl behaupten, diese habe es sowieso nie gegeben), führte das zu pubertär anmutenden Trotzreaktionen. Sowohl Svazek selbst als auch vom Stadtparteichef Andreas Schöppel gaben via Social Media und Parteiaussendung Rückendeckung. Das Statement von Schöppel war generell etwas kurios. In diesem gab er Auskunft, dass er kein Problem hinsichtlich der Vorstandswahl erkennen könne, da diese ja demokratisch abgelaufen sei. Weitere prominente Unterstützung kam auch vom Generalsekretär der FPÖ, Michael Schnedlitz, via Instagram. Dieser gab darüber hinaus in einem Videointerview mit dem rechtsextremen Medium „info-Direkt“ (online seit 28.11.2020) an, dass man die Distanzierung der FPÖ gegenüber der „IB“ für nichtig erklären solle und die Grenzen der Zusammenarbeit einzig und allein das Strafrecht darstelle. Was auf den ersten Blick wie ein risikoreiches Unterfangen aussieht, das sich zu einer Belastungsprobe für die Partie entwickeln könnte, dürfte wohl zu keinen größeren Verwerfungen führen. Denn am Ende kommt nur zusammen, was zusammengehört oder vielmehr nie wirklich getrennt war.

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