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Napoleon, Ölgemälde, Die Krönung, David, Den 2 Dezember

Salzburg, Kapitelgasse 4. Büro von Rektor Lehnert. Der Rektor selbst steht am Fenster und blickt nachdenklich hinaus, in seiner rechten Hand lässt er nachdenklich eine Mozartkugel von Fürst durch die Finger gleiten. Die Umstrukturierungspläne haben zu tumultähnlichen Zuständen an den einzelnen Fakultäten geführt. Von draußen her hört man immer wieder das Donnern von Kanonen. Die hölzerne Flügeltür geht auf. Eine Szene die sich so oder so ähnlich zugetragen hat.

Redaktion uni:press

Martin Weichbold (außer Atem, weil er die Stufen zum Büro raufgesprintet ist). Rektor, schlechte Nachrichten, sehr schlechte Nachrichten.

Hendrik Lehnert. Mein Lieber, wie oft hab‘ ich es schon gesagt, dass meinem hanseatischen Gemüt solcherlei Aufregung nicht gut bekommt. Aber was ist los, Minjung?

Martin Weichbold. Mehrere Fraktionen innerhalb der Uni planen den Aufstand. Einige Fakultäten drohen sogar damit, sich abzuspalten, wenn die von dir angedachten Umstrukturierungen durchgesetzt werden. Allen voran die Katholen, die verbarrikadieren sich mittlerweile in der KHG und haben Angst, dass sie auch noch zerschlagen werden.

Hendrik Lehnert. Nana, da brauchen die werten Herren Gottes sich mal keine Sorgen machen. Denen drücken wir lediglich den Studiengang Christliche Kultur, Transformation & Kommunikation (Christian Culture, Change & Communication) auf’s Auge. Ich denk, so viel Modernisierung kann man diesen Kuttenbr…bru… – Martin, wie sagt ihr da in Österreich dazu? – schon zumuten. Zum anderen ist es unabdingbar, dass man da auch ein wenig Schwung in die PR bringt. Immer nur von Sakramenten, heiligen Geistern und der Erbsünde zu reden, das interessiert doch keinen, wenn wir uns ehrlich sind.

Martin Weichbold. Gewiss, Herr Rektor. Ihre Idee, aus dem Handbuch des mittleren Managements wahllos Begriffe rauszusuchen und sie unter den Fachbereichen zu verteilen wie Jesus die Fische, ist einfach famos. Ich persönlich wär‘ da niemals draufgekommen. Apropos Katholen: Ein gewisser Georg Meyr-Melnhof hat sich genau wegen diesem neuen Studiengang bei mir gemeldet…

Hendrik Lehnert (lächelt schmal ob des Lobes für seine Umbenennungspolitik). Soso, scheinbar ein einflussreicher Mann, wie mir zu Ohren gekommen ist. Unterbreite ihm bitte folgendes Angebot von mir: Er hat bei der inhaltlichen Gestaltung des Studienganges freie Hand und der soll sich da seine reaktionäre Jünger-Armee heranzüchten, wie er will. Solange er unseren Spendenstock immer vollmacht, ist mir das Blutwurst – oder wie sagt ihr da, Martin? Jedenfalls soll er sich davor noch meine Kolumne zu Diversity durchlesen.

Martin Weichbold. Einen zweiten Punkt noch, Herr Rektor, bevor ich an die Front zurückkehren muss, um die Wogen beim Personal zu glätten. Der Dr. Willi Haslauer hat mir geschrieben. Er ist jetzt auch nimmer so bös‘ wegen der TU, die wir nicht bekommen haben. Er hat aber Bedenken hinsichtlich des neuen Studiengangs Artificial Intelligence.

Hendrik Lehnert (er zerquetscht die Mozartkugel fast zwischen seinen Fingern). Was will dieser Mönchsberg-Olm denn jetzt wieder? Ich mach wirklich alles – das musst du mir glauben, lieber Martin –, damit die ÖVP mich zumindest ein wenig ins schwarze Herz schließt und mir eine zweite Periode im Rektorat ermöglicht. Sogar auf diesem komplett absurden Rupertikirtag hab‘ ich einen Liter Bier in mich hineingeschüttet. Von diesen hanebüchenen Leitmotiven, die ich mir aus den Fingern gesaugt habe, ganz zu schweigen. Ist das jetzt alles vergebens gewesen?

Martin Weichbold. Sein Anliegen war konkreter, Herr Rektor. Dr. Willi hat gemeint, wir müssen dafür sorgen, dass die Künstliche Intelligenz nicht intelligenter als der intelligenteste ÖVPler, Harry Preuner, wird. 

Hendrik Lehnert (sichtlich nervös). Martin, bekommen wir das hin?

Martin Weichbold (ist verlegen und will nicht so recht antworten). Wenn wir diese Order befolgen Herr Rektor, können wir den Fachbereich zusperren, bevor er überhaupt eröffnet wurde.

Hendrik Lehnert. Wie dem auch sei jetzt. Eine Frage hab‘ ich noch kurz, mein lieber Martin. Irgendwer hat da ja auch diesen Studiengang Ernährung, Bewegung, Gesundheit zusammengeschustert. Was genau ist das jetzt eigentlich? Als gütiger Rektor verfolge ich das Ideal, zumindest Interesse zu heucheln.

Martin Weichbold. Nun ja, Sie müssen sich das so vorstellen: Wissen Sie, was Instagram ist? Oder TikTok? Naja, auch egal. Jedenfalls gibt es dort viele, die sich dabei filmen, wie sie Liegestütze machen und Rinderfaschiertes essen.

Hendrik Lehnert. Faschiertes? Hat das etwas mit diesem Faschismus zu tun, von dem hin und wieder die Rede ist?

Martin Weichbold.  Nein, aber das ist jetzt auch egal. Jedenfalls haben wir einfach ein Jahr lang bei einer gewissen Pamela Reif mitgeschrieben und diese Mitschrift dann in ein Curriculum gegossen. 

Die Tür öffnet sich erneut und Nicola Hüsing, Vizerektorin für Forschung und Nachhaltigkeit, betritt das Büro.

Nicola Hüsing. Herr Rektor, wie Sie befohlen haben, bin ich von Fachbereich zu Fachbereich getingelt und habe versucht, die Stimmung zu sondieren aber auch subtil abzufragen, wie es jeweils um die Drittmittel und die Erfüllung der Third Mission (Anm. Der Transfer von Technologien und Innovationen in Form von Kooperationen mit der Wirtschaft) bestellt ist. Nur um ein Haar bin ich dabei lebend raus. Französische Literaturwissenschaftler haben eine Guillotine vor dem Unipark installiert, dort, wo das Skaten verboten ist und eine Doktorandin an der alten Geschichte hat mich fast dazu genötigt, ein Getränk namens Schierlingsbecher zu trinken.

Hendrik Lehnert. Nicht gut, gar nicht gut. Aber war auch nicht anders zu erwarten von diesen renitenten und angestaubten Buchwissenschaftler*innen. Wie weit, Nicola, werden es am Ende diese ignoranten Feinde des Fortschritts noch treiben im Missbrauch unserer Geduld? Wie lange noch wird ihr rasendes Ablehnen von Managementstrukturen uns verhöhnen? 

Nicola Hüsing. Herr Rektor, ich hätte einige Ideen. Darf ich Sie ihnen vortragen? Ich denke, sie könnten ein Weg aus dieser gegenwärtigen Krise sein.

Hendrik Lehnert. Nur zu, nur zu.

Nicola Hüsing. Unlängst las ich auf dem CommUNIty-Blog einen glänzenden Artikel. Nebenbei war die Einrichtung dieses Blogs samt seiner Belegschaft aus Studierenden, die man mit ECTS ködert, eine ihrer besten Ideen bisher, Eure Exzellenz, äh Herr Rektor. Jedenfalls…

Hendrik Lehnert (lächelt geschmeichelt mit hochroten Wangen). Danke, danke!

Nicola Hüsing. …las ich diesen Artikel über dieses sogenannte Van-Life. Faszinierend, diese jungen Menschen. Lassen sich beim Kauf einer alten Rostlaube gehörig über den Tisch ziehen, schrauben irgendwelche schiefen Regale rein und gurken damit zwei Wochen durch Portugal und freuen sich auch noch darüber. Und da soll noch wer über junge Menschen jammern, wenn sie freiwillig so leben wollen wie unsere Eltern nach dem Krieg.

Hendrik Lehnert. Es ist wahrlich ein Faszinosum. Aber wie soll uns ein klappriger VW-Bus nun aus dieser gegenwärtigen Krise führen? Wir sind doch immer noch eine Uni und kein Gebrauchtwagenhandel? Aber wenn ich jetzt schnell im Kopf rechne, wären bei einem durchschnittlichen Preis von 15.000 € pro Van die angestrebten 40 Millionen an Drittmittel mit 2666 verkauften Bussen erreicht.

Nicola Hüsing. Herr Rektor – mit Verlaub – aber mit so einem Erbsenzähler-Mindset kommen wir in den internationalen Rankings nicht vom Fleck. Sie müssen think biggen beziehungsweise halt big thinken. Verstehen Sie mich? Die opportunities darf man nicht so fahrlässig verstreichen lassen. Wie schon die geschätzte Kollegin und Rektorin für Finanzen, Barbara Romauer, sagt: „Der Trend geht zur unternehmerischen Uni.“

Hendrik Lehnert (sichtlich in seiner Ehre als großer Innovator verletzt). Auf was wollen Sie hinaus, Frau Hüsing? Ist das jetzt ein Pitch ihrerseits?

Martin Weichbold. Wir müssen die Leute dort abholen, wo sie sind, meinen Sie das damit, Frau Kollegin?

Nicola Hüsing (leicht genervt von der Begriffsstutzigkeit ihrer männlichen Kollegen). Genau, schön, dass ihr das langsam bemerkt. Aus diesem Grunde würd‘ ich einen ganz neuen, komplett auf die Bedürfnisse junger Studierender zugeschnittenen Fachbereich aus dem Boden stampfen. Nämlich einen Fachbereich für angewandte Van-ologie. Mit dem ganzen Klimbim und Drumherum. Das ist der interdisziplinäre Fachbereich der Stunde. Bissi Soziologie des Vans da, bissi Kostenberechnung für einen Surftrip an die Algarve dort. Garniert mit einer kräftigen Portion New-Age-Selbstfindungs-Schmafu. Das wird phänomenal!

Hendrik Lehnert (bekommt den Mund vor lauter Staunen nicht mehr zu). Wie konnte ich nur so blind sein? Natürlich ist es das. Die rennen uns die seitliche Schiebetür ein.

Martin Weichbold. G…g…g…g…grandios, Frau Kollegin. Soll ich schonmal einen Fragebogen aufsetzen, um ein Stimmungsbarometer zu erstellen?

Nicola Hüsing. Für so Schabernack ist definitiv keine Zeit mehr. Schnelles Handeln ist das Gebot der Stunde, bevor die Unabhängigkeitsbestrebungen der einzelnen Fachbereiche noch Früchte tragen und wir am Ende irgendwo mit einem befristeten Vertrag im Mittelbau versauern als Strafe. 

Hendrik Lehnert. Sie haben recht, es geht auch um nicht weniger als unser berufliches Fortkommen. Nägel mit Köpfen müssen also her. Frau Kollegin, ich würde sogar noch weiter gehen. Viel, viel weiter. Die Idee mit der Van-ologie ist genial, aber eben nicht radikal zu Ende gedacht. Wir müssen das Pferd quasi von hinten aufzäumen.

Nicola Hüsing. Sie…Sie meinen also…

Hendrik Lehnert. Ganz genau! Wir vereinen alle Fakultäten und Fachbereiche zu einem Gigafachbereich unter der Flagge der Van-ologie. Die Katholen bekommen ihren Fetischismus, der Verbrenner-Fanat Harry Preuner macht schön Umsatz mit dem Anstieg der Führerscheine, junge Menschen aus ganz Europa rennen uns die Tür ein und die Zulieferer-Branche lässt die Drittmittel ärger sprudeln als das Leck der Deepwater Horizon.

Martin Weichbold (schluckt schwer).

Nicola Hüsing. Ja das ist es, die Quadratur des Kreises.

Hendrik Lehnert (entpackt feierlich die Mozartkugel). Die Van-ologie bildet das Auge des Sturms, #Vanlife wird das alles durchdringende Prinzip der Uni – das Alpha und Omega.

Vorhang.

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