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Gender, Transsexual, Communication, Conversation

Der Umgang mit sexualisierter Belästigung ist ein Problem an Universitäten und Hochschulen. So auch an der Uni Salzburg. Was geschah letzten Sommer und warum reden wir nicht darüber?

Von Anna Stein, Referat für feministische Politik

Als ich in der ersten Klasse war, mochte mich mein Klassenlehrer ganz besonders. Ich hatte gute Noten und wurde immer aufgerufen, wenn ich die Hand hob. Ich war gut im Deutschunterricht und habe immer fleißig mein Putzamt erledigt. Ganz ehrlich; ich wischte die kleinen Gummiwürste seiner Radiergummis unter dem Lehrerpult nicht besonders gerne weg, aber ich wusste, dass es die Wahrscheinlichkeit auf einen angenehmen Schulalltag auf jeden Fall erhöht. In der fünften Klasse hatten wir einen Biologielehrer, der sich manchmal auf unser Pult setzte, wenn er uns eine Aufgabe erklärte. Nie im Leben hätte ich ihm gesagt, dass er das bitte nicht machen sollte, weil es sich falsch anfühlt. Sogar später noch an der Universität kriegte ich es nicht auf die Reihe, dem Professor für Strafrecht zu sagen, dass es inakzeptabel ist, vor seinen Studierenden mithilfe eines Tisches den Strafbestand der Vergewaltigung zu performen. Wtf. 

Sexualisierte Belästigung und Machtmissbrauch
Macht schüchtert uns ein. Und Abhängigkeiten machen uns mundtot. Machtmissbrauch ist Alltag. Und Machtmissbrauch findet immer da am häufigsten statt, wo es klare Hierarchien gibt. Das heißt, da wo Menschen in Machtpositionen sind und somit auch Menschen, die von ebendiesen abhängig sind, sei es finanziell, emotional, karrierebedingt usw. Grundsätzlich muss man aber auch einfach mal feststellen, dass wir in einer Gesellschaft leben, die von Herrschaft und Macht nur so trieft. Wir leben in einem engmaschigen Netz aus gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Machtstrukturen, die durchaus gewaltvoll sind. Die Gender Pay Gap, rassistische Strukturen im Justizsystem, der Medizin, dem Arbeitsmarkt usw., heteronormative Erziehungs- und Identitätspolitik, ableistische Hochschulstrukturen, you name it. Wir erfahren diese Strukturen, seit wir denken können.

Und Machtmissbrauch findet immer da am häufigsten statt, wo es klare Hierarchien gibt. Das heißt, da wo Menschen in Machtpositionen sind und somit auch Menschen, die von ebendiesen abhängig sind, sei es finanziell, emotional, karrierebedingt

In diesem Artikel wollen wir aber über einen spezifischen Auswuchs dieser patriarchalen Gesellschaft reden: sexualisierte Belästigung. Sexualisierte Belästigung an Hochschulen. Sexualisierte Belästigung an der Universität Salzburg. Ich benutze in diesem Artikel den Begriff sexualisierte Belästigung, um zu betonen, dass Sexualität in diesen Fällen benutzt wird, um Gewalt und Macht auszuüben. Sexualisierte Belästigung hat nichts mit sexuellen Bedürfnissen oder Begehren zu tun. Die Sexualität wird nur genutzt, um eine andere Person systematisch abzuwerten und auszunutzen. Diese übergriffigen Verhaltensweisen sind somit nicht sexuell, sondern werden bewusst sexualisiert. Natürlich würde ich auch gerne das Mozarteum beleuchten, nur glaube ich, dass das nochmal eine ganz andere Geschichte ist, wenn wir bedenken, dass der ehemalige Rektor Siegfried Mauser im Februar seine mehr als zweijährige Haftstrafe wegen sexueller Nötigung in mehreren Fällen antritt. Von Vergewaltigung wurde er freigesprochen. Hm.

Die Definition von «sexualisierter Belästigung» ist so einfach wie kompliziert: Fühlt sich etwas ungut an, ist es Belästigung. Das heißt, die einzige Person, die das Recht hat zu sagen, ob etwas sexualisierte Belästigung war/ist oder nicht, ist die betroffene Person. Und doch stoßen wir immer wieder auf Widerstand; sei es die gesetzliche Grundlage, die ganz klar festlegt, was sexualisierte Belästigung zu sein hat und somit unzählige Fälle außen vorlässt und Täter*innen suggeriert, dass sie fröhlich weiterbelästigen können oder die Täter*innenschützende Grundstimmung in öffentlichen Debatten, die nahelegt, wir könnten doch einfach «Nein» sagen, uns wehren, uns anders anziehen oder vorsichtiger sein. Das wird Täter-Opfer-Umkehrung oder Victim Blaming genannt. Dann ist immer wieder die Rede von «Grauzonen» im Sinne von, «so war es doch nicht gemeint» oder «ich dachte, du willst es auch» oder auch Handlungen, Gesten, Blicke, die schwer einzuordnen sind. 

Der bisher umfangreichsten Untersuchung in Deutschland zufolge, erleben 54,7% der befragten Studentinnen sexualisierte Diskriminierung während ihres Studiums.

Sexualisierte Belästigung und sexualisierte Gewalt sind eng an Machtverhältnisse und Hierarchien geknüpft. Es ist also auch naheliegend, dass Hochschulen ein fruchtbarer Boden sind für Übergriffe jeglicher Art. Eigentlich logisch. Unverständlicherweise gelten Hochschulen im öffentlichen Diskurs immer noch oft als immun gegen jegliche Diskriminierungsformen und werden als zu «emanzipiert und aufgeklärt» gesehen, als «Stätten der Wissenschaft», an denen sowas nicht passieren könnte (Open Gender Journal). Auch deswegen gibt es zu dieser Thematik leider noch nicht besonders viel Literatur oder größer angelegte Studien.

Der bisher umfangreichsten Untersuchung in Deutschland zufolge, erleben 54,7% der befragten Studentinnen sexualisierte Diskriminierung während ihres Studiums. (Feltes et al. 2012/Open Gender Journal S.5) Und natürlich wurden bei der Studie mal wieder nur «Frauen» befragt. Was mit den restlichen FLINTA- Personen ist, bleibt offen. An der Uni Salzburg wissen wir, das FemRef, nur von zwei Fällen sexualisierter Belästigung in den letzten fünf Jahren. Ernsthaft? Ich hoffe, wir sind uns einig: Unmöglich. Offensichtlich gibt es hier eine gravierende Diskrepanz zwischen unserem Wissen und der Realität. Und wir kennen wohl alle die Gerüchte vom «Schulhof» über Professor*innen, die sexistische Kommentare äußern, sich über das Gendern lustig machen, Mitarbeiter*innen, die scheinbar kein Gefühl für Nähe-Distanz haben und so Grenzen übertreten usw. Was ist also das Problem?

Wie war das nochmal letzten Sommer?
Als eine Studentin von der Uni Salzburg letztes Jahr von einem Professor sexualisiert belästigt wurde, hat sie den Mut gefunden, den Fall der Universität zu melden. Schlussendlich wurde der Professor bis auf Weiteres suspendiert und es hieß, er müsse eine Therapie besuchen, deren Ergebnis entscheiden würde, ob er wieder an der Universität unterrichten darf (salzburg.orf.at am 10. September 2021). Das ist die neueste und letzte Information, die bezüglich dieser Ereignisse im Internet zu finden ist. Der aktuelle Stand, den die ÖH dazu hat ist, dass der Täter ab dem kommenden Semester vermutlich wieder lehren wird. Jedoch wird das Vorsitzteam die Sache bei dem nächsten Jour Fixe mit dem Rektorat nochmal ansprechen.

Als eine Studentin von der Uni Salzburg letztes Jahr von einem Professor sexualisiert belästigt wurde, hat sie den Mut gefunden, den Fall der Universität zu melden.

Doch alles, was dazwischen passiert ist, ist irgendwie chaotisch und unübersichtlich. Ich erspare euch die Details. Sicher ist: Es gab Unklarheiten, wo die Betroffene Hilfe anfordern kann, so wusste die Studienvertretung (kurz StV) zum Beispiel nicht, dass sie sich an die ÖH wenden kann und so meldete sie sich ziemlich direkt beim Rektorat, welches den AKG (Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen der Universität) hinzuzog. Die Sachlage sei sehr klar gewesen, so Silvia Arzt, Vorsitzende des AKG; es gab eine Dokumentation der Taten vonseiten der Betroffenen, unter anderem WhatsApp Nachrichten, welche die Studentin von dem Täter erhalten hatte. 

Auch über die Konsequenzen des Falls ist gibt es unterschiedliche Informationen, was die Sache nicht einfacher macht. Laut Laura Reppmann (Vorsitzende der ÖH Uni Salzburg) wurde der Studentin vonseiten des Rektorats gesagt, dass sie weitere Fälle von sexualisierter Belästigung finden muss, die den Professor belasten, ansonsten könne leider nichts getan werden. Laut Silvia Arzt hingegen wurde der Studentin vonseiten des Rektorats gesagt, es wäre gut, wenn sie noch weitere Fälle fände, so oder so gäbe es aber Konsequenzen.
Laura Reppmann und Silvia Arzt sind sich aber einig, egal wer, wann wie oder wo: Sowas sagt man nicht zu einer Person, die sexualisiert belästigt wurde und noch weniger ist es die Verantwortung einer Betroffenen, diese Arbeit zu leisten. Es setzt Betroffene unter Druck und gibt ihnen das Gefühl, nicht ernstgenommen zu werden.

Die betroffene Studentin ging im Verlaufe des Prozesses an die Medien. Dem Rektorat gegenüber gab sie das als letztes Druckmittel an. Ich muss echt mal Herrn Lehnert anrufen, ich habe so viele Fragen.

Der Umgang mit sexualisierter Gewalt ist eine Gemeinschaftsaufgabe

Es ist anscheinend kein Einzelfall, dass es Unklarheiten bei der Zuständigkeit in diesem Bereich an Universitäten und Hochschulen gibt. Hannah-Sophie Schüz, Heike Pantelmann, Tanja Wälty und Nina Lawrenz vom Margherita-von-Brentano-Zentrum der Freien Universität Berlin haben 2021 einen wunderbaren Forschungsartikel geschrieben: «Der universitäre Umgang mit sexualisierter Diskriminierung und Gewalt. Eine Bestandsaufnahme. In: Open Gender Journal (2021)». Sie untersuchen darin die Organisation an und den Umgang von Hochschulen und Universitäten mit sexualisierter Diskriminierung und Gewalt. Hier ein paar Zitate daraus:

«Oftmals werden auf den Internetseiten mehrere Personen genannt, an die sich Betroffene wenden können. Es ist allerdings fraglich, inwiefern diese sich auch selbst als Ansprechpersonen verstehen, wenn sie eigentlich andere Aufgaben haben, und ob sie über fachliche Expertise verfügen, da Fortbildungen im Bereich sexualisierter Diskriminierung und Gewalt derzeit an deutschen Hochschulen nicht verpflichtend sind.»

und weiter: «Maßnahmen zielen insbesondere auf Frauen als Betroffene. Auch wenn diese zahlenmäßig die größte Gruppe darstellen, ist dennoch zu fragen, inwieweit LSBTIQ* (Lesben, Schwule, Bi-, Trans- und Intersexuelle sowie queere Personen) und andere Betroffene durch die universitären Strukturen Unterstützung finden können. Dieser Fokus spiegelt sich auch in der bisherigen wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Thema wider, da für viele Untersuchungen ausschließlich Frauen befragt wurden.»

Sie fordern deswegen nicht eine Zentralisierung der Zuständigkeit, sondern vielmehr eine Zuständigkeit, die flächendeckender, professioneller und inklusiver ist.
Sie fordern, wie viele andere Autor*innen, dass der Umgang mit sexualisierter Gewalt an Universitäten als Gemeinschaftsaufgabe verstanden wird und betonen, dass ein paar Richtlinien und Broschüren nicht reichen: «Wie beispielsweise Sara Ahmed anhand von Diversitäts-Politiken zeigt, kann gerade die formale Verankerung bestimmter Politiken in Verfahren und Prozeduren die Ausführung dieser erschweren, da nämlich bereits die öffentliche Benennung des Problems als dessen Lösung verstanden wird und die Ergreifung konkreter Maßnahmen – also ein Handeln jenseits einer Benennung in Dokumenten, Richtlinien oder Verfahrenswegen – genau dadurch behindert wird.»

Silvia Arzt und Laura Reppmann haben Ideen. Und Kritik.

Auch Silvia Arzt betont, dass die Zuständigkeit nicht an einer Stelle hängenbleiben sollte. «Verantwortlich sind wir alle. Verantwortlich bin ich auch, wenn ich in meinem Fachbereich merke, da passiert irgendwas bei einer Kollegin. Ich bin verantwortlich dafür, sie zu fragen, ob alles okay bei ihr ist.» Und das gälte für uns alle: Professor*innen, Mitarbeiter*innen, Studierende usw. Betroffene gingen meist dahin, wo sie jemanden kennen oder erzählen es eine*r*m Freund*in, der*die dann eine Stelle empfiehlt. Deswegen sei es auch gut, dass es verschiedene Stellen gibt, die Beratung und Hilfe anbieten. 

Sie ist aber auch davon überzeugt, dass es an der Universität Salzburg mehr Fälle von sexualisierten Übergriffen gibt, als offiziell bekannt ist. «Wir leben in einem hierarchischen Geschlechterverhältnis, sexualisierte Belästigung gehört da leider dazu, immer wieder. Und nur die wenigsten Betroffenen wenden sich an das Rektorat, den AKG oder die ÖH. Das braucht Mut. Das fühlt sich an, als würde man sich als Opfer bekennen und das will man nicht. Ich ermutige aber alle Betroffenen, sich zu melden, auch damit die, die diese Dinge tun merken, dass das nicht geht. Dass dieses Verhalten Konsequenzen hat.» Der AKG hat die «Helpline sexuelle Belästigung» über das Gewaltschutzzentrum organisiert. Sie ist telefonisch wie auch per E-Mail erreichbar. Das Gewaltschutzzentrum agiert unabhängig von der Universität und soll ein Angebot für betroffene Studierende und Mitarbeiter*innen sein.

Grenzen, körperliche wie auch alle anderen, sollen individuell geklärt werden können, dafür brauche es Raum an einer Universität.

Außerdem arbeitet der AKG der Universität Salzburg momentan gemeinsam mit dem AKG Mozarteum an einer neuen Auflage der Broschüre «Sexuelle Belästigung». Silvia Arzt befürwortet auf Nachfrage obligatorische Schulungen für Lehrende und Mitarbeiter*innen, um für verschiedene Gleichbehandlungsfragen zu sensibilisieren und wünscht sich vor allem, dass individuelle Grenzen geachtet werden. «In einem hierarchischen Verhältnis geht Freundschaft nicht. Wenn mir zum Beispiel ein Freund zu nahekommt, kann ich die Freundschaft beenden. Im Studien- oder Arbeitskontext macht das Abhängigkeitsverhältnis dies unmöglich. Ich wünsche mir, dass ein Bewusstsein dafür herrscht, welche Beziehung wir zu den Menschen haben, die uns gegenübersitzen und wissen was da geht und was nicht.» Grenzen, körperliche wie auch alle anderen, sollen individuell geklärt werden können, dafür brauche es Raum an einer Universität.

Die ÖH weiß, dass es die oben genannte Helpline gibt und die Broschüre überarbeitet wird, übt jedoch Kritik. «Die Nummer der Helpline ist nur zwei Mal pro Woche für wenige Stunden verfügbar und was ist mit Personen, für die Telefonieren oder E-Mails schreiben eine Barriere darstellt? Außerdem wird an der Überarbeitung der Broschüre nun schon seit einem Jahr gearbeitet, wie lange kann sowas eigentlich dauern?» fragt Laura Reppmann. «Wir brauchen eine Ombudsstelle.», eine Ombudsstelle, die barrierefrei begehbar ist, öfters verfügbar und zwischen Universität und Betroffenen aktiv vermittelt.

Das FemRef hat diesen Januar eine Kampagne gegen sexualisierte Belästigung gestartet und bietet Beratungsstunden an, im Newsletter der ÖH werden jede Woche die Beratungsstellen aufgelistet und in verschiedenen Jour Fixes versucht das Vorsitzteam immer wieder ein Gespräch über Ombudsstellen zu führen. Nicht nur für sexualisierte Übergriffe, denn bekannterweise gibt es ja auch noch andere Diskriminierungsformen. Das Vizerektorat sage dazu nur, das sei unnötig und «aus dem Fenster geworfenes Geld». Laura Reppmann schüttelt den Kopf. «Ich habe oft das Gefühl, dass ich 24/7 verfügbar sein muss», sagt sie. Wie viele andere an der ÖH. «Wir tun, was wir können. Aber irgendwann sind unsere Ressourcen aufgebraucht. Viele von uns sind am Limit. Wir studieren, arbeiten, sind bei der ÖH aktiv, haben andere Projekte und würden eigentlich auch gerne ein Leben haben. Soll ich die Aktivist*innen noch mehr pushen? Das will ich nicht. Das Rektorat hat um einiges mehr Ressourcen als wir, um beispielsweise eine groß angelegte Kampagne gegen sexualisierte Belästigung zu fahren. Aber es passiert einfach nichts.» Abgesehen davon wird das Rektorat höchstwahrscheinlich auch besser bezahlt als die ÖH-Aktivist*innen, die teilweise eine Aufwandsentschädigung, teilweise einfach ein paar ECTS-Punkte bekommen. Die Arbeit ist freiwillig, ja, aber sie ist unabdingbar. Aber es ist auch nichts Neues, dass politische Arbeit nicht als besonders wichtig gilt und Aktivist*innen unentgeltlich arbeiten.

Laura Reppmann fordert von der Universität, ihre Verantwortung wahrzunehmen, anstatt sie wegzuschieben. Plakate aufzuhängen, Ombudsstellen einzurichten, Schulungen durchzuführen, die Überarbeitung der Broschüre zu sexualisierter Belästigung endlich fertigzustellen und transparent mit Diskriminierungsfällen umzugehen, denn «Es hat immer sexualisierte Belästigung an dieser Uni gegeben und das wird auch immer so sein, weil es Abhängigkeiten gibt, solange es Hierarchien gibt, wie zum Beispiel das Betreuer*in-Betreute*r-Verhältnis.»

Und jetzt?

Als ich den Forschungsartikel im Open Gender Journal gelesen habe, musste ich allzu oft an die Uni Salzburg denken. Die verschiedenen Beratungsstellen, zwischen denen die Kommunikation auch nicht so ganz funktioniert und von denen offensichtlich viele Studierende auch nichts wissen. Die Richtlinien, die es zwar gibt, die aber nur wenigen Studierenden wirklich bekannt sind, weil sie nicht präsent in der Uni oder auf der Website sind. Die Broschüre, die seit 2011 dieselbe ist, spricht nur von Männern und Frauen, als gäbe es keine trans-, inter, nonbinäre oder agender Personen an der Uni. Wir können nur hoffen, dass sich das in der Neuauflage ändern wird. Abgesehen davon, hat das Referat für Genderfragen und LGBTQIA* mit Abstand das kleinste Jahresbudget (gefolgt von dem Referat für feministische Politik, dem für Disability, dem für Umwelt und dem für internationale Angelegenheiten und Diversity). Menschen, die in Gleichbehandlungsstellen und in der ÖH wirklich viel und oft unentgeltlich arbeiten, obwohl sie eigentlich auch ganz viel anderes zu tun und oft nicht die Ausbildung für diese Jobs haben. Es gibt keine aktive Präventivarbeit. Das alles gibt mir das Gefühl, dass der Kampf gegen sexualisierte Belästigung und Gewalt an dieser Uni nicht besonders wichtig ist, geschweige denn als Gemeinschaftsaufgabe gesehen wird. Eine Institution, die als intellektuelle Elite gilt und sich doch eigentlich dem Umstand verschrieben hat, durch Wissenschaft und Forschung den Status Quo einer Gesellschaft zu untersuchen und zu kritisieren, kriegt es nicht auf die Reihe, ihre Studierenden gscheit über die Angebote zu informieren, geschweige denn für die Problematik zu sensibilisieren.

Das alles gibt mir das Gefühl, dass der Kampf gegen sexualisierte Belästigung und Gewalt an dieser Uni nicht besonders wichtig ist, geschweige denn als Gemeinschaftsaufgabe gesehen wird.

Wir fragen weiter. Und fantasieren.
Warum findet die Überarbeitung der Broschüre «Sexuelle Belästigung» erst jetzt statt? Warum gab es keine strukturellen Veränderungen an der Universität Salzburg seit dem Fall im letzten Sommer? Wird tatsächlich geglaubt, die Universität Salzburg sei frei von struktureller Gewalt? Und Präventivarbeit sei unnötig? 

Die einzige Lösung, sexualisierte Gewalt endgültig zu beenden, ist eine Gesellschaftsform ohne Hierarchien. So verstehe ich auch Laura Reppmanns und Silvia Arzts Aussagen. Und natürlich darf der feministische Kampf dieses Ziel nicht aus den Augen verlieren. Aber was tun, bis wir unser Ziel erreicht haben? Wir brauchen Bildung, Austausch, Präventionsarbeit, Sensibilisierung, Transparenz auf allen Ebenen und klar kommunizierte Prozesse, die unbedingt sichtbar gemacht werden müssen.

Und wie kann es sein, dass ich hier sitze und verzweifelt nach Vorfällen an der Uni Salzburg suche? Woher kommt dieses stetige Gefühl, immer noch beweisen zu müssen, dass es sexualisierte Gewalt gibt? Warum ist es eigentlich nicht die Aufgabe des Rektorats über die weiteren Geschehnisse in dem Fall vom Sommer zu berichten, aufzuklären und weitere Schritte einzuleiten, um ebensolche Übergriffe zukünftig zu verhindern? Ach so, stimmt, ich erinnere mich, ein Fall war ja nicht genug, um strukturelle Änderungen vorzunehmen. Und ach so, stimmt, eine Ombudsstelle sei ja überflüssig. Kurz vergessen, sorry. Warum sind wir nicht endlich an dem Punkt, an dem ich einfach einen Artikel darüber schreiben kann, wie es vorangeht an der Uni Salzburg? Warum kann ich nicht ein Antisexismus Seminar für Professor*innen besuchen und darüber berichten, wie sich die (fast) mächtigsten Menschen an der Uni mit ihren eigenen Privilegien und -ismen beschäftigen. Warum kann ich nicht einfach folgenden Text schreiben. Ohne jegliche Ironie? Herr Lehnert, Hand in Hand mit den restlichen Machtmenschen der Uni im Kreis, eine beruhigende Atemübung zum Schluss des Seminars. Weil es anstrengend und aufreibend war. Weil es Arbeit ist, patriarchale Machtstrukturen aus dem Kopf zu kriegen. Weil antisexistische Arbeit wütend macht. Und dann Herr Lehnert, wie er zurück in sein Büro geht, einen Kamillentee trinkt und im Internet nach Antirassismus-Seminaren für sich und seine Mitarbeitenden sucht, nach Workshops zu Themen wie inklusive Bildung, antikoloniale Hochschulorganisation, genderneutrale Toiletten und vielem mehr. Er wird das Budget überdenken müssen, denn es gibt viel zu tun. Und natürlich will er die Menschen, die dann extra anreisen, um diese Seminare, Schulungen und Workshops zu halten, auch gut bezahlen. Schließlich ist es wichtige Arbeit und ihm ist es wichtig, dass seine Bediensteten… – oh, denkt Herr Lehnert – «Bedienstete», «Angestellte», «Arbeitnehmer*innen», das sind doch auch alles komische Worte. Die implizieren doch alle irgendwie, dass ich (Herr Lehnert, versteht sich) über diesen Menschen stehe. Warum eigentlich? Und dann googelt er: How to challenge the hierarchy at the university as (Prof. Dr. Dr. h.c.) rector? Er findet das Anti University Movement und ist begeistert. Im Hintergrund läuft leise Billie Eilish «Your Power», Herrn Lehnerts neu entdeckter Lieblingssong. Punk ist auch geil, aber einfach nicht so sein Ding.

INFOBOXEN:

Quellen
– Sara Hassan & Juliette Sanchez-Lambert «Grauzonen gibt es nicht» gratis erhältlich online unter shop.oegbverlag.at

 – Schüz, Hannah-Sophie/Pantelmann, Heike/Wälty, Tanja/Lawrenz, Nina (2021): «Der universitäre Umgang mit sexualisierter Diskriminierung und Gewalt. Eine Bestandsaufnahme. In: Open Gender Journal (2021)» auch gratis erhältlich online unter opengenderjournal.de

«Grauzonen gibt es nicht», sagen die Autor*innen Sara Hassan und Juliette Sanchez-Lambert in ihrem gleichnamigen Ratgeber und bringen es dabei auf den Punkt. Sie haben mithilfe von Betroffenen ein Warnsystem entwickelt, um sexualisierte Belästigung bzw. Machtmissbrauch frühzeitig zu erkennen und dagegen vorzugehen. Eine ihrer wichtigsten Aussagen: Du bist nicht allein.

Wir empfehlen euch diesen Ratgeber wärmstens und ihr findet ihn gratis auf der Website des ÖGB-Verlags oder ihr duckduckgoet es einfach (duckduckgo.com ist eine safere Suchmaschine als Google).

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