Skip to main content
uni:press Beisltest Teil 2

Fortgehen abseits des (studentischen) Mainstreams

Rudolfskai, Gstättengasse, Bergstraße oder Imbergstraße – das sind die Topadressen des Salzburger Nachtlebens. Topadressen? Wirklich? Wir haben uns schick gemacht und für euch Lokale abseits des studentischen Nachtlebens getestet, damit ihr ein Refugium findet, wenn euch die Segabar zu fad wird.

Teil 8 – Lehen II

Lehen, das ist Salzburgs gefährlichste Hood. Lehen, das ist das Salzburger Ghetto. Lehen, dort wohnen Junkies und Messerstecher. Lehen, dort brennt jeden Tag mindestens eine Mülltonne. Es ist schon lange her, da haben wir uns in diese dunkelste Ecke der Stadt gewagt und nur knapp überlebt – würden wir es wieder schaffen? Nicht ganz furchtlos machten wir uns an einem kalten Novembertag – dem ersten Vorboten des Winters – auf ins bevölkerungsreichste Salzburger Viertel. Bereits beim Passieren der Stadtteilgrenze, etwa auf Höhe des Doppler-Gymnasiums (Prost!), wurde das Klima schlagartig rauer und die Mienen finsterer. Schreckliche Erinnerungen an die mythische Frühzeit der Beisltests wurden geweckt.

“Mit Neunmalklugen und Besserwissern kann man in Lehen nicht viel anfangen.”

Aber first things first: Lehen liegt im Nordwesten der Stadt und hat ca. 15.000 Einwohner. Begrenzt wird das dreieckige Testgebiet im Süden durch die Eisenbahn, im Nordwesten durch Glanbach und Glankanal sowie im Osten durch die Salzach. Der Name Lehen leitet sich entweder vom Wort Lohe bzw. Löhen (Waldstück, Weidewald) oder aber vom mittelhochdeutschen Wort für ein an einen Adeligen oder Freien verliehenes Gut ab. Wer im Waldstück bzw. an einen Adeligen oder Freien verliehenen Gut mit diesem Wissen hausieren geht, tue dies aber stets im Bewusstsein, damit am Watschenbaum zu rütteln. Mit Neunmalklugen und Besserwissern kann man in Lehen nicht viel anfangen, wie wir selbst in unserer letzten Teststation feststellen mussten!

Zugegeben, so ganz können wir uns nicht erklären, warum es gerade in Lehen so viel mehr Beisln auf vergleichsweise geringer Fläche gibt als anderswo in der Mozartstadt. Vielleicht hat es damit zu tun, dass Lehen der kulinarische Hotspot der Stadt (Stichwort Kebabmeile) und daher der ideale Ort ist, um für eine ordentliche Unterlage zu sorgen. Möglicherweise liegt es aber auch an den vielen Wettcafés (die zweithöchste Zahl an Wettcafés in Salzburg relativ zur Bevölkerungszahl[1]), die dafür sorgen, dass viele junge Männer ihren Seelenschmerz in Gebrautem und Gebranntem ertränken müssen.

Wie dem auch sei, dem ÖH-Servicegedanken verpflichtet, zogen wir auch für diese Ausgabe der uni:press aus, um herauszufinden, wie die Lehener so trinken. Die Regeln lauten wie immer: 1 Bier und 1 Schnaps pro Etablissement, dann folgt ein kompromissloser Lokalwechsel.

Struberstüberl

Erster Halt ist ein unauffälliges Beisl in der Rudolf-Biebl-Straße. Das Bier wird hier stilecht in der Flasche serviert. Man staunt angesichts der beachtlichen Auswahl der selbigen; so kann der Gast zwischen Glasgebinden der Top-Hersteller Stiegl, Gösser und Schönramer wählen. Als hochprozentige Aufwärmhilfe wurde ein Heidelbeerschnaps empfohlen. Die anfängliche Begeisterung ob dieser exotischen Sorte war schnell verflogen, entpuppte sich das Gesöff doch eher als harmlose, Hustensaft-ähnliche Substanz.

Die Dartscheiben im Hinterzimmer scheinen exklusiv den Stammgästen vorbehalten zu sein – wir wagen uns nicht hinein. Die T-Shirts und Pullover einiger anwesender Stammgäste deuten darauf hin, dass hier öfter professionelle Dartteams trainieren und wohl auch Meisterschaften ausgetragen werden. Highlights des Lokals sind zwei Blechschildchen mit Bildern von leicht bekleideten Damen am ansonsten sauberen Männerklo, die mit philosophischen, die patriarchalen Verhältnisse in unserer Gesellschaft feinsinnig und pointiert kritisierenden Sprüchen versehen sind: “Frauen an die Macht! – Macht sauber, macht Essen, macht Kaffee!” und “Kluge Frauen kommen überall hin! Das ist vor allem beim putzen (sic!) wichtig!!!”. Weniger aufregend ist der Rest des Stüberls, das einen eher verschlafenen Eindruck macht.

Steirercafe

Nächste und mit Abstand sympathischste Station des Abends war das Steirercafe in der pulsierenden Hauptverkehrsader Lehens, der Ignaz-Harrer-Straße. Nach einer freundlichen Begrüßung durch das ganze, gut gefüllte Lokal finden wir ein Platzerl im Hinterzimmer. Sofort fällt uns auf, dass man hier sehr fußballbegeistert sein muss: Im Fernseher läuft ein Fußballspiel der fragwürdigen UEFA Nations League, an den Wänden hängen dutzende Schals diverser Fußballteams. Die Antwort auf die Frage, welchem Verein man im Steirercafe anhängt, mag überraschen: Es ist nicht etwa Sturm Graz oder der GAK, nein, man ist Dosen-Fan – traditionsbewusst und stolz seit 2005. Lange haben wir gerätselt, Erklärung haben wir immer noch keine: Da niemand, der noch alle Tassen im Schrank hat, RB Salzburg mag, können die Schals nicht von befreundeten Fanclubs kommen; von verfeindeten Gruppen hat man sie aber bestimmt auch nicht erbeutet, denn dazu fehlen den Siezenheimer Sitzern die eingeschworenen Hooligangruppen. Woher kommen also die Schals? Sachdienliche Hinweise bitte an: presse@oeh-salzburg.at!

“Man ist Dosen-Fan – traditionsbewusst und stolz seit 2005”

Die erste Enttäuschung des Abends verdaut, werden wir aber bei der Bierbestellung sofort wieder versöhnlich gestimmt. Immerhin besinnt man sich hier auf steirische Traditionen und serviert wahlweise Gösser oder Puntigamer. Und auch sonst sind sie im Steirercafe keine schlechten Menschen. Vielleicht liegt das daran, dass hier niemand außer “dem Steirer” tatsächlich aus der Steiermark kommt. Zaghafte und spitzbübische Annäherungsversuche eines männlichen Stammgasts (=im Türrahmen stehen, Dame unauffällig beobachten, Kollegen zwecks Übermittlung eines Kompliments vorschicken) werden unsererseits registriert, aber nicht erwidert. Eine spontan gekaufte Rose und eine pink verpackte Praline eines bekannten Herstellers nehmen wir dennoch an.

Musa’s Musik Pub

Nur wenige Meter weiter, ebenfalls in der Ignaz-Harrer-Straße, befindet sich Musa’s Musik Pub. Der Inhaber (vermutlich Musa?) erlaubt uns gnädigerweise, uns in einer der Kebabbuden, die es in der Umgebung zuhauf gibt, mit orientalischen Delikatessen zu versorgen und sie in seinem Lokal zu verspeisen. Im Gegenzug akzeptieren wir, dass hier fast ausschließlich deutsche Schlager gespielt werden. Im Musa’s gibt es – anders als in den übrigen Lokalen des Testabends – das Bier frisch gezapft und das trotzdem zu humanen Preisen.

Schluck’s

Und auch das letzte getestete Beisl liegt in der Ignaz-Harrer-Straße. Über den kreativen Namen können wir hier nur Vermutungen anstellen. Zunächst fühlen wir uns noch als störende Eindringlinge, die zu knapp vor der Sperrstunde lästig sind. Im einen Eck sitzen zwei uns verächtlich anschauende Turteltäubchen, im anderen die frierende Kellnerin, die es uns übel zu nehmen scheint, den Schutz ihrer Decke verlassen zu müssen, um uns zu bedienen. Es hilft aber nichts, was sein muss, muss schließlich sein: Wir bestellen richtliniengetreu Bier und Schnaps. Nur kurze Zeit später ist alles wieder gut, das Gspusi der Kellnerin betritt den Raum und wir werden Zeugen eines ausgiebigen Liebesbeweises, der nur kurz durch das Schlichten und Stapeln von Bierflaschen und -kisten unterbrochen wird.

“Es hilft aber nichts, was sein muss, muss schließlich sein: Wir bestellen richtliniengetreu Bier und Schnaps.”

Die beiden Dartscheiben im Lokal lassen wir unangetastet – uns fehlt das nötige Kleingeld. Ein freundlicher Herr albanischer Abstammung, der nach einem langen Tag noch etwas Ruhe von seiner Familie sucht, beginnt mangels Alternativen ein Gespräch mit uns. Es geht um albanische und österreichische Geschichte, geeignete Vornamen für Mädchen in Österreich, den Einfluss der Juden auf die Weltwirtschaft, die Grenzen menschlichen Wissens und Schnaps. Besonders wichtig ist ihm das Bewusstsein um die Gefahren des teuflischen weißen Pulvers: Zucker. Eine pink verpackte Praline (selber Hersteller wie oben) gibt er deshalb an uns weiter. Wir werden skeptisch: Zwei Pralinen an einem Tag – will uns hier jemand vergiften? Wir gehen kein Risiko ein, entsorgen unauffällig das Gefahrengut und machen uns – nicht zuletzt deshalb, weil nach Mitternacht kaum noch Beisln offen haben – auf den Heimweg.

Prost!

Disclaimer: Der Test wurde in unserer Freizeit durchgeführt, dadurch keine Studierendeninteressenvertretungsarbeit vernachlässigt. Es wurden keine ÖH-Mittel aufgewendet. Es gab keinerlei finanzielle Zuwendungen seitens der Beisl-InhaberInnen.


[1] Frei erfunden.

Hinterlasse ein Kommentar

Skip to content