Feminismus kennt viele Facetten und Ausformungen,er ist so breit angelegt wie eine Gesellschaft sein kann. Liberaler Feminismus negiert diese Vielfalt. Wie muss Feminismus ausgestaltet sein um global und für alle Frauen zu kämpfen?
Eine Rezension von Carolina Forstner
In einem kleinen Büchlein, keine hundert Seiten lang, präsentieren die drei Autorinnen und Wissenschaftlerinnen Cinzia Arruzza, Tithi Bhattacharya und Nancy Fraser ihr Manifest und die damit verbundenen Forderungen. Auf elf Thesen gestützt, erklären sie die Notwendigkeit einer globalen Frauenbewegung die allumfassend ist und das ist wichtig, nicht „Frauen die es geschafft haben“, wie etwa erfolgreiche Politikerinnen oder Frauen die in anderen Männerdomänen Karriere gemacht haben, zum feministsichen Diskurs machen. Nancy Fraser prägte den Begriff des „Feminismus der 99 Prozent“, der auch titelgebend für das Werk der drei Autorinnen steht. Im Unterschied zu anderen feministischen Bewegungen eine, die nicht aus den Führungsetagen mit „We are all feminists“-T-shirts von Modediscountern lockt, sondern sich als Bewegung der Arbeiterinnenklasse versteht. In Mainstream-Medien wird Feminismus, ähnlich wie bei anderen Bewegungen, mit einer glattgebügelten Version, einem Feminismus der sich nicht auflehnt, sondern sich den patriarchalen Strukturen ihrer männlichen Mitbewerber annimmt, reproduziert. Arruzza, Bhattacharya und Fraser beschreiben dieses Phänomen schon auf den ersten Seiten ihres Buches treffend: „But far from poviding the solution, liberal feminism is part of the problem. Centered in the global North among the professional-managerial stratum, it is focused on “leaning-in” and “cracking the glass ceiling”.
Liberaler Feminismus hilft privilegierten, meist weißen, Frauen die Karriereleiter aufzusteigen Gleichberechtigung wird als Streben nach gleich vielen Frauen wie Männern in Konzernvorsitzen gesehen, dass die Putzfrau, meist mit Migrationsgeschichte, mit geringen finanziellen Mitteln auskommen muss und womöglich neben anstrengender körperlicher Arbeit auch noch unbezahlte Care-Arbeit leisten, und auch die Scherben der durchbrochenen gläsernen Decke aufsammeln muss, ist für liberalen Feminismus nicht von allzu großer Wichtigkeit. Das wahre Ziel des liberalen Feminismus ist nicht die Gleichberechtigung, sondern das Streben nach einem Aufstieg in die Leistungsgesellschaft. Ganz gemäß den neoliberalen Vorstellungen zählt auch hier das Individualwohl mehr als das der Gesellschaft als Ganzes. Die Essenz ist es eine Gleichstellung mit Männern aus derselben Klasse zu erhalten. Die eben erwähnte Putzfrau könnte doch einfach ein bisschen härter arbeiten, denn wie am Beispiel der erfolgreichen Businessfrau sieht: Alles ist möglich! Jedenfalls für weiße, privilegierte Frauen, die sich an solchen Tagträumen erbauen. Die geflügelte Worte des „Empowern“ von Frauen, darf nicht dazu missbraucht werden, nur um des Karrierewillens so viele Frauen wie möglich als CEO’s zu sehen, die dann in ihrer mächtigen Position teil Unterdrückung der Mehrheit von Frauen werden.
„But far from poviding the solution, liberal feminism is part of the problem. Centered in the global North among the professional-managerial stratum, it is focused on “leaning-in” and “cracking the glass ceiling”
Feminismus ist salonfähig geworden. Die Eigenbezeichnung als Feministin gilt nicht mehr als radikales politisches Statement. Gut, damit ist also Feminismus in der Mitte der Gesellschaft angekommen, eh okay, oder? „Wir“ hatten mit Brigitte Bierlein für ein paar Monate eine Bundeskanzlerin! „Natürlich braucht es Frauen in Machtpositionen. Die erste österreichische Bundeskanzlerin ist im Sinne der Sichtbarkeit ein wichtiges Zeichen, aber ich würde das nicht als feministischen Erfolg verbuchen“, sagt Schifteh Hashemi, eine der Sprecherinnen des österreichischen Frauenvolksbegehrens in einem STANDARD-Gespräch. Eben jenes Frauenvolksbegehren, das die NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger in einigen Punkten grundsätzlich ablehnte, darunter die Einführung einer 30 Stunden Woche, oder die Forderung nach kostenlosen Abtreibungen. Gerade an Letzerem lässt sich gut illustrieren wie unternehmerfreundliche Politik, auch wenn sie von Frauen gemacht wird, nur einem kleinen Teil der Bevölkerung hilft, nämlich jenen Frauen (um beim konkreten Beispiel zu bleiben), die sich eine Abtreibung auch ohne Unterstützung der Krankenkasse leisten können. (Anm.: Ein Abbruch kostet circa 600 Euro). Schwangerschaftsabbrüche sollten zwar laut den NEOS aus der Illegalität gehoben werden, die Kosten für eine Abtreibung sollten aber bitte Privatsache bleiben. Die Leidtragenden sind auch hier jene, denen die finanziellen Mittel fehlen. Auch Frauen haben patriarchale Verhaltens-und Denkmuster internalisiert und reproduzieren diese auf oftmals mehrfachmarginalisierte Frauen.Nancy Fraser sieht in dieser Liaison von Feminismus mit neoliberalen Politik eine Gefahr, die auch im Mainstream-Feminismus angekommen zu sein scheint: „It’s given any broad, robust conception of what gender equality means, or what social equality in general means.“
Doch wie stellen sich die Autorinnen nun jenen Feminismus der 99 Prozent vor? Die Als bekannte Beispiele nennen sie Proteste wie etwa in Argentinien und Spanien im Herbst 2016, wo Proteste gerade aus der Arbeiterinnenklasse gestützt und getragen wurden, oder das Comeback der großangelegten Proteste zum internationalen Frauentag am 8. März. Richtig konkret werden die drei Autorinnen nicht in ihren Ausführungen nach einem Ruf des Feminismus für die 99 Prozent. Es geht eher um Grundsätzliches, um einen gemeinsamen Weg. Feminismus, und das ist die Grundessenz des Buches, muss laut Fraser, Bhattacharya und Arruzza vor allen Dingen antikapitalistisch, ökologisch und antirassistisch sein. Solche kleinen Kampfpamphleten und das Erstarken von feministischen Streiks, die auch marginalisierten Frauen Stimme und Präsenz geben, stimmen optimistisch. Um mit den letzten Seiten des Manifestes zu enden:
„Feminism for the 99 percent is a restless anticapitalist feminsm – one that can never be satisified with equivalences until we have equality, never satisfied with legal rights until we have justice, and never satisfied with democracy until individual freedom is calibrated on the basis of freedom for all.“