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Österreich ist im Umbruch: Die FPÖ lässt den Verfassungsschutz stürmen, die Regierung bläst zum Großangriff auf den Sozialstaat und Berufstätige, auf Studierende rollt eine Welle an Studiengebühren und Zugangsbeschränkungen zu. Aber die Salzburger Parteien tun so, als ginge sie das alles nichts an. Ein Kommentar von Michaela Huber

Salzburg im Personenkult

Milde lächelt der Landeskaiser vom Plakat. Wer in Österreich einen Landeshauptmann stellt, feiert ihn im Wahlkampf als den Über-Vater ab. So auch in Salzburg. Die ÖVP inszeniert ihren Landeshauptmann und Spitzenkandidaten Wilfried Haslauer jr. als eine Art Familien-Patriarch, der Entscheidungen trifft (welche eigentlich?), den Leuten ein Ohr schenkt (zuhören kostet ja nichts) und so auftritt, als wäre er “für die Menschen da”. Ob das auch für jene gilt, die von der ÖVP bundesweit drangsaliert werden? Für die Studierenden, die Berufstätigen, die Arbeitslosen, die Migrant*innen und Geflüchteten, für die 95 Prozent, die keine Großvermögen erben und keine Millionen in Steuersümpfen versenken? Die vielen Menschen, die täglich im Salzburger Verkehrsstau stecken? Die sich explodierende Mieten nicht mehr leisten können? Die zigtausenden Salzburger*innen, die in Armut leben und um das tägliche Durchkommen kämpfen müssen?

“Personenkult statt politischer Inhalte”

All das ist für die ÖVP kein Thema. Sie plakatiert lieber, wie aufmerksam und nett ihr Spitzenkandidat nicht sei. Personenkult statt politischer Inhalte: Das hat schon bei Sebastian Kurz funktioniert, der vor der Wahl kein Wort darüber verlor, was er nach der Wahl an sozial- und wirtschaftspolitischen Einschnitten auspackte. Haslauer steht nach eigener Aussage zu hundert Prozent hinter Kurz und dessen Regierung mit Strache, Kickl & Co. Die Salzburger ÖVP trägt die bundesweite Politik von Schwarz-Blau mit. Für die anderen Parteien wäre also mehr als genug Reibungsfläche vorhanden, um klare Standpunkte zu formulieren und dem schwarz-blauen Politik-Modell etwas entgegenzusetzen. Aber wie verhalten die sich?

 

Einschläfernde Land-Idylle

“Ich bin keine Politikerin.” Eine schräge Aussage für eine, die als Landeshauptmann-Stellvertreterin monatlich 15.000 Euro kassiert. Die Auflösung, die Grüne Politikerin Astrid Rössler sei vor allem ein Mensch, ist wohl das abgedroschenste Klischee, das Politiker*innen von sich geben können. Auch sonst versucht die Grüne Partei, bloß nicht mit Politik in Verbindung gebracht zu werden: Rössler in Gummi-Stiefeln, Rössler auf Traktor, Rössler mit Kühen. Dazu passend: Liegestühle mit der Aufschrift “politikfreie Zone”.

Als befremdliche Steigerung plakatieren sie “Heimat beschützen”, mit Astrid Rössler und blonden Kindern in Tracht: Ein Plakat, das 1:1 von der FPÖ oder AfD stammen könnte. Das Motiv “Heimatschutz” ist seit jeher ein reaktionäres Bild der Rechten. Es weckt die Vorstellung einer idyllischen Gemeinschaft, die keine inneren Interessengegensätze oder Konflikte kennt. Sie muss aber vor einer diffusen Gefahr von außen “geschützt” werden. Das sind in den Köpfen der Betrachter*innen dann Muslime, Ausländer*innen oder Asylsuchende – sprich: alle, die von außen kommen und nicht in die Idylle passen. Da ist’s zum “Umweltschutz ist Heimatschutz” der neonazistischen NPD nicht mehr weit. So ein Plakat deutet den Heimat-Begriff nicht um, sondern ist ein fataler Rückfall in die braune Blut-und-Boden-Ökologie der Umweltbewegung der 1980er.

“Umweltschutz ist Heimatschutz”

Bei so viel bemühter Heimat-Idylle bleibt leider kein Platz, um die dominante Partei in Salzburg, die seit 1945 regierende ÖVP, auch nur in einem Nebensatz zu kritisieren. Schließlich könnte das den umworbenen Koalitionspartner verstimmen. Einst traten die Grünen an, um die Mächtigen zu kritisieren und herauszufordern. Heute überwiegt der Wunsch, sich beim Hausherrn als das geringere Übel anzudienen und den warmen Platz am Kamin zu behalten. Die harmlos-konservative Anbiederung bringt eine einst kritische Stimme zum Verstummen, die es angesichts der politischen Lage in Österreich dringend bräuchte.

Von den NEOS ist eine ernsthafte Kritik nicht zu erwarten. Sie – im Programm beinhart neoliberal – setzen auf flotte Sprüche und den Nimbus des Neuen. Während sie in Wien das Gesundheitswesen privatisieren wollen und Abkommen wie TTIP und CETA feiern, stellen sie sich in Salzburg nicht ganz so offensichtlich auf die Seite der Unternehmer und der Reichen. Sie fordern Transparenz, irgendwas mit Mut und einem diffusen Tatendrang. Das ist ebenso schwammig wie unkritisch gegenüber einer Politik, die jetzt schon den Markt und das Prinzip der Konkurrenz über alles stellt. Für einen Einzug in den Landtag wird es schon reichen.

FPÖ-Kandidat mit Nazi-Verbindungen

Nichts Neues im Westen: Das gilt auch für die FPÖ. Demonstrativ setzte FPÖ-Obfrau Svazek den Burschenschafter Reinhard Rebhandl in die Pressekonferenz, bei der sie im Februar die Kandidat*innen vorstellte. Kurz darauf wird öffentlich bekannt, wie tief Rebhandl im rechten Sumpf steckt. Ein Beispiel: Sein Vater war rechtskräftig verurteilter Neonazi. Zu seinem Tod hat Rebhandl einen Nachruf mitveröffentlicht, der in der Zeitschrift “Der Volkstreue” herausgegeben wird, die Verurteilung seines Vaters wegen Nazi-Wiederbetätigung als “politische Verfolgung” geißelt und den Leser*innen für die “Treue zum Volkstreuen” dankt.

“Kein FPÖ-Wähler kann nach der Wahl behaupten, nichts gewusst zu haben”

Wenig später tauchen Fotos auf, die die engen Kontakte Rebhandls zu den neofaschistischen “Identitären” und der deutschnationalen Burschenschaft “Gothia” belegen. Danach wird bekannt, dass Rebhandl 2010 als Obmann des Gollinger Turnvereins eine Fahne mit der Aufschrift “Rasse-Reinheit” aufstellte. Dann zeigt ein Foto, wie Rebhandl mit Trompete bei einer Veranstaltung der Neonazi-Partei NDP des Rechts-Terroristen Norbert Burger auftrat – entgegen seiner bisherigen Aussagen, er habe mit der wegen Wiederbetätigung aufgelösten NDP nichts zu tun gehabt. Wie reagiert die FPÖ auf diese Enthüllungen? Sie streitet ab, gesteht zähneknirschend ein, was nicht mehr zu leugnen ist und belässt ihren stramm rechten Kandidaten auf der Landtagsliste. Kein FPÖ-Wähler kann nach der Wahl behaupten, nichts gewusst zu haben.

Wo bleibt die Linke?

Immer mehr Menschen erkennen, wie brutal die schwarz-blaue Politik sie betrifft. Für linke Kräfte und Parteien, die dem neoliberalen, rassistischen Konsens etwas entgegensetzen wollen, ein aufgelegter Elfmeter. Aber anstatt über den Sozialabbau, den 12-Stunden-Tag oder den steigenden Druck in der Arbeitswelt zu reden, stellt sich die Salzburger SPÖ in den Dienst der “armen” Unternehmen und fordert eine Europark-Erweiterung. Kein Wort verliert sie darüber, dass das den Konsum nur von kleinen Geschäften weg verlagert, aber nicht insgesamt mehr Arbeitsplätze schafft. Kein Wort über die schlechten Arbeitsverhältnisse im Handel. Oder wie Einkaufszentren auf der grünen Wiese noch mehr Verkehr verursachen. Sie wettert gegen die 380-KV-Leitung, die sie als Regierungspartei einst selbst auf Schiene brachte.

“SPÖ im Dienst der Unternehmen”

Die SPÖ betont, auch mit der FPÖ koalieren zu wollen, während die auf Bundesebene den Sozialstaat und die Demokratie zerschlägt. Sie schreibt “Sicherheit” auf ihre Plakate und fordert mehr Polizei – und macht sich damit zum Gehilfen der rechten Law-and-Order-Parteien. Sie befeuert die hysterische Sicherheits-Debatte in Österreich, die zwar keine Probleme löst, aber von der Politik und den Skandalen der Regierung ablenkt. Indem sie schon wieder auf die falschen Themen und Werte setzt, schaufelt die SPÖ ihr eigenes Grab. Selbst wenn es am Wahltag für einen Stimmengewinn reichen sollte und die erträumte Koalition mit der ÖVP zustande kommt: Der dringend nötige Kurswechsel in der Politik wird damit nicht gelingen.

Viel Raum links der Mitte

Zwar versucht das linke Wahlbündnis KPÖ PLUS, den Raum links der Mitte zu füllen, indem es die Themen leistbares Wohnen und den öffentlichen Verkehr mit einer grundsätzlichen Kritik an der neoliberalen Politik verbindet. Mit wenig Geld und als neue Gruppierung ist der Einzug in den Landtag aber unwahrscheinlich. KPÖ PLUS spricht selbst davon, die Landtagswahl als Auftakt zur aussichtsreichen Gemeinderatswahl in der Stadt Salzburg Anfang 2019 zu sehen.

Die Enttäuschung vor der Wahl

Wer sich mit der Landtagswahl beschäftigt, entdeckt zusätzlich einige Kuriositäten: Die “Christenpartei”, die im Flachgau kandidiert. Sie wollen den “Islam bekämpfen” und Frauen das Recht auf körperliche Selbstbestimmung nehmen, indem sie Abtreibungen verbieten. Mit der FPS kandidiert eine zweite Freiheitliche Liste. Und mit der Liste Mayr noch eine konservative Liste. Wer eine bürgerlich-konservative Liste sucht, hat also eine breite Auswahl.

Wer rund um die Wahl am 22. April eine Auseinandersetzung mit den wirklich zentralen Fragen unserer Zeit sucht, heruntergebrochen auf die Landespolitik, wird enttäuscht – und zwar schon vor der Wahl.

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