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Vor einem Jahr starteten in Indien große Protestaktionen, darunter Streiks und Straßenblockaden. Der Anlass waren Agrarreformen, von denen befürchtet wird, dass sie die Situation der Bäuer:innen massiv verschlechtern könnten. Der indische Staat antwortete mit gewaltvoller Repression. Es werden ihm verschiedenste Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen, welche weltweit, aber nur vereinzelt, für Aufschrei sorgten. Auch in Salzburg gab es zu diesen Ereignissen im März eine Reaktion der indischen Community in der Form einer Kundgebung eines stillen Protests. Die ÖH Salzburg hat dazu aufgerufen und berichtet.

Nach über einem Jahr des Protests in Indien hat die uni:press nun Gurinder, einen lokalen Aktivisten, interviewt und im Zuge dessen um Rück- und Ausblick gebeten.

Georg Pidner für das Referat für Gesellschaftspolitik und Menschenrechte

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Was hat sich seit diesem Jahr in Indien getan, welche Entwicklung könnt ihr von Salzburg aus wahrnehmen?

Im Jänner war das 12. und letzte Treffen zwischen der Vertretung der Bäuer:innen und der Regierung. Viel wichtiger ist, dass die Proteste vorangetrieben wurden. Das Ziel ist klar: die Agrarreformen müssen zurückgenommen werden.

Wie würdest du den Grund der Proteste Menschen erklären, die davon noch nicht erfahren haben?

Eigentlich sind Agrarthemen die Angelegenheit der lokalen Regierungen und die zentrale Durchsetzung wird als verfassungswidrig angesehen. Außerdem gab es im indischen Parlament keine Abstimmung darüber, weil auch innerhalb der regierenden BJP (rechtskonservative, nationalistische Partei. Anmerkung der Redaktion) keine Geschlossenheit befürchtet wurde. Die Bäuer:innen haben diese Änderungen auch nie verlangt.

Schon Jahre davor wurde in anderen indischen Bundesländern der Agrarsektor liberalisiert und die etwa die fixierten, staatlichen Preise für Lebensmittel abgeschafft.

Was hatte das für Auswirkungen?

Dort zeigt sich, dass die Bäuer:innen ohne diese staatlich kontrollierten Preise nicht überleben können. Viele haben ihre Produkte extra nach Punjab, ein Bundesland in denen es sie noch gab, gebracht, um mehr zu verdienen. Dort, wo schon früher die Situation verschlechtert wurde, gibt es hohe Selbstmordraten, weil die Bäuer:innen hoch verschuldet sind, sich keine großen Investitionen mehr leisten können. Sie müssen ihr Land an Konzerne verkaufen und am Ende auch noch für sie arbeiten – geraten damit in ihre Abhängigkeit.

Wie sieht es mit der Verbreitung des Widerstands aus?

Es gibt nun in ganz Indien Proteste. Andere haben nun davon mitbekommen, dass es in Bundesländern wie Punjab und Haryana besser gegangen ist. Indien ist sehr unterschiedlich, aber die Landwirtschaft vereint die vielfältige Bevölkerung.

Was fordern die Aktivist:innen?

Die Rücknahme der Gesetze, Lebensmittelmindestpreise in allen Bundesländern und die Umsetzung des Swaminathan-Berichts, der, neben anderen Forderungen, leistbare Lebensmittel vorsieht.

Welche Strategie verfolgt die Bewegung?

Sie setzt auf Aufklärung. Aktivist:innen machen Touren durch alle Bundesländer und rufen dazu auf, die BJP nicht mehr zu wählen. Das ist der politische Weg, der nun eingeschlagen wurde. Die BJP-Mehrheit soll geschwächt werden. Das gelang schon in West-Bengal, wo sie keine Mehrheit erreichten. Dem Protest wird dabei eine große Rolle zugeschrieben.

Gibt es nicht die Befürchtung, dass die übrigen Parteien genau das gleiche abziehen?

Auch andere Parteien, wie etwa die zweite Großpartei, die Kongresspartei der Ghandis, die davor regierte, hat nichts für die Bäuer:innen getan. Deshalb setzt die Bewegung auf insgesamte Aufklärung über das politische System. Sie sollen die Parteien kritisch hinterfragen.

Die Parteien, die von Konzernen gesponsort werden, gewinnen die Wahlen. Die Bäuer:innen versuchen genau das zu vermitteln. Auf friedliche Weise.

Welche Reaktionen folgen darauf? Es wird ja öfter über Menschenrechtsverletzungen berichtet.

Erst kürzlich wurden Protestierende mit SUVs überfahren. Die Verantwortlichen werden im Umfeld eines Politikers vermutet. Das hat keinen demokratischen Charakter mehr. Darauf folgte auch international riesige Trauer und auch Wut.

Es werden auch Journalist:innen eingesperrt.

Am indischen Nationalfeiertag erfuhren Protestierende Gewalt durch die Polizei, nachdem sie von ihnen, entgegen der Planung, in die Innenstadt Neu-Delhis gelenkt wurden. Sie haben sich dagegen zur Wehr gesetzt. Die Modi-Medien (regierungsnah, Anmerkung der Redaktion) haben danach dann nur noch über die Gewalt berichtet, aber nicht über den friedlichen Teil der Märsche.

Der britische Premier Johnson hat aufgrund des Drucks im Vereinigten Königreich einen geplanten Staatsbesuch an diesem Tag abgesagt.

Welche Erfahrungen habt ihr bisher in Salzburg mit euren Aktionen sammeln können?

Positive. Ich gehe davon aus, dass 90 % der indischen Community die Reformen für falsch hält. Wir unterstützen finanziell und durch die sozialen Medien. Die Politiker:innen zeigen Einsicht und äußern sich auch schon vereinzelt.

Und global?

Im Vereinigten Königreich, wo die Community deutlich größer ist, gab es bereits eine Sitzung im Parlament zu den Ereignissen. Auch in den USA und Kanada gibt es Gegenwind. Die US-Vizepräsidentin Kamala Harris hat die Einhaltung demokratischer Werte in Indien indirekt angesprochen.

Wie kann es nun in Salzburg weiter gehen?

Wir fokussieren uns weiterhin auf den Menschenrechts-Aspekt. In Salzburg werden wir die Social-Media-Arbeit fortführen – das ist unser größtes Tool. Außerdem wollen wir vermehrt auf lokale Pollitiker:innen zugehen.

Wie glaubt ihr, wird es in Indien voran gehen können?

Wenn bei einer Wahl in Uttar Pradesh, dem größten Bundesland, die BJP verliert, könnten der Druck ausreichen und die Reformen zurückgenommen werden. Wenn nicht, werden die Proteste wohl noch lange weitergehen.

Gurinder wurde in Indien geboren und kam mit sieben Jahren nach Österreich. Er ging in die HTL, lernte dort Maschinenbau und macht nun berufsbegleitend ein Fernstudium an der FH Mittweida.

Kontaktmöglichkeit: gurinder-singh@outlook.com Weitere Infos: farmersprotest.de Youtube: Kisan Ekta Morcha, Instagram: sikhexpo

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