Von Pro Choice Kollektiv Salzburg
Salzburg und die Kirche gehören scheinbar selbstverständlich zusammen, so wie Wien und die Sachertorte. Schon im frühen Mittelalter wurde in Salzburg ein Kloster gegründet und wenig später wurde es zu einem Erzbistum erhoben. Auch unsere heutige Uni, die Paris Lodron Universität Salzburg, wurde ursprünglich als Benediktineruniversität gegründet und trägt heute den Namen des Gründer-Erzbischofs Paris von Lodron.
Nun, wie ihr seht hat Salzburg eine tief verwurzelte Verbindung mit der Kirche. Auch heute ist die Kirche noch immer ein relevanter Stakeholder – so wurde z.B. der aktuelle Erzbischof Franz Lackner zum akademischen Festempfang der Universität zum 400-Jahre-Jubiläum nicht nur eingeladen, sondern auch auf die Bühne geholt, um an an einem Roundtable teilzunehmen. Salzburg also, unsere Erzkonservative Stadt, eh schon wissen. Doch was hat das mit Pro Choice zu tun?
Die Kirche und ihre Institutionen, Organisationen und Grüppchen vertreten meist die veraltete Meinung, dass Schwangerschaftsabbrüche grundsätzlich falsch wären und Personen mit Uterus in guter alter patriarchaler Manier Kinder kriegen sollten, so wie Gott es will, und den Haushalt zu schmeißen haben. Daher treten die Kirche und Personen aus ihrem Dunstkreis immer wieder für keinen freien und legalen Zugang zu Abtreibungen* ein. Sie nennen das „Pro Life“, weil sie „für das Recht zu Leben“ sind. Das Recht eines Zellhaufens, auf die Möglichkeit zu leben wird also über die Bedürfnisse und Rechte der austragenden Person gestellt. Da stellt sich die Frage, ob gebärfähige Personen für die Kirche und Co. in erster Linie als Brutkästen fungieren und als weniger wertvollere Personen angesehen werden als Nichtgebährfähige.
Aber zurück zum Thema: Pro Choice ist eine Bewegung, die sich für die Freiheit der gebährfähigen Person einsetzt, sich für oder gegen das Austragen einer Schwangerschaft zu entscheiden.
Pro Choice- und Pro Life-Gruppierungen treffen in Salzburg seit 2008 immer wieder aufeinander. Die verschiedenen Protestformen nehmen dabei unterschiedliche Ausmaße an: von den Kundgebungen an jedem ersten Samstag im Monat, an dem die Fundis (fundamentalistisch christliche Abtreibungsgegner_innen) das LKH und die Gynmed von 10:00 bis 11:00 Uhr belagern, weil an diesem Tag die Gynmed Abtreibungen durchführt, gekontert vom Pro-Choice-Protest mit umgedichteten Kirchenliedern, Parolen und Transpis. Bis hin zu dem „1000-Kreuze-Marsch“, dem „Marsch fürs Leben“ oder dem rechtsradikalen „Marsch für die Familie“, gekontert von Gegenkundgebungen, Gegendemonstrationen, dem Blockieren des Marsches und weiteren spaßigen Aktionen. Ihr seht also, die Proteste und Aktionen, sowohl der Fundis als auch die unserer Pro Choice Gruppe und Unterstützer_innen sind vielseitig.
Im Grunde genommen sind es aber in Salzburg nur ein paar wenig Gruppen die wirklich aktiv und gut organisiert sind. Die, die in Salzburg wohl am hartnäckigsten sind, sind die „Lorettos“. Die „Lorettos“ sind eine von dem Salzburger Georg Mayer-Melnhof gegründete religiöse Gemeinschaft. Die „Lorettos“ wollen genauso wie die Gruppe „Jugend für das Leben“(JfdL) einen jüngeren Teil der Gesellschaft ansprechen und präsentieren sich daher im Vergleich zu den Gruppen „Human Life International“ (HLI) und „EuroProLife“ jugendlicher und hipper. Neben einer sogenannten „Home Base“ an der Salzach in der immer wieder sektenartige Jesusrituale durchgeführt werden machen die „Lorettos“ pikanterweise für viele umliegende Salzburger Gemeinden und auch Salzburg Stadt den Firmunterricht. Dieser Firmunterricht ist mit einem „Social Scoring System“ verbunden, und so muss Mensch, damit zur Firmung angetreten werden kann z.B. das Fest der Jugend zu Pfingsten, das von den „Lorettos“ organisiert wird, besuchen, um eben diese Punkte zu erreichen. Dass diese Feste nicht so ohne sind sieht man etwa daran, dass beim Fest der Jugend 2017 vom Erzbischof Lackner von der Festung aus einen Laien-Exorzismus über die Gynmed abhielt und die „Dämonen“ aus der Klinik für Schwangerschaftsabbrüche im LKH austrieb – dieses Schauspiel konnte per Livestream verfolgt werden.
Aber auch die Gruppe „Human Life International“ ist in Salzburg eine der aktiveren Gruppen, da sie jeden ersten Samstag im Monat von 10-11 Uhr das LKH und somit auch die Gynmed belagern und FLINTA* Personen auf die Nerven gehen. Der erste Samstag im Monat ist der Tag an dem die Fundis nach ihrem Gottesdienst in der Elisabethkirche (Kirche mit dem Ohr) in Itzling in einem Gebetszug zum LKH ziehen und dort weiter beten.
Aber warum ist Pro Choice eigentlich so wichtig?
Unseres Erachtens ist Pro Choice so wahnsinnig wichtig, weil die Fundis schlicht und einfach gefährlich sind. Sie haben sich viele Methoden ausgedacht, um ungewollt Schwangere umzustimmen. Da die Abtreibungsgegner_innen sehr vielseitig sind, sind es auch ihre Methoden und Aktivitäten. Manche von ihnen arbeiten mit öffentlich wirksamer Propaganda und wollen so Personen beeinflussen. Andere von ihnen machen die oben schon genannte „Gehsteigberatung“, bei der die Abtreibungsgegner_innen gebärfähige Personen ihre Vorstellung von Moral aufzwängen wollen. Sie halten Bilder mit stark vergrößerten Embryos oder die Personen werden dezidiert mit Falschinformationen zugequatscht. Oft verteilen sie auch Plastikföten und Flyer auf denen sie den Personen mit Sätzen wie: „Töte dein Baby nicht!“ ein schlechtes Gewissen machen wollen. Doch das sind nur einige wenige der verwendeten Methoden – in diesem Artikel alle zu nennen würde sehr wahrscheinlich den Rahmen sprengen.
Empfehlungen:
Zu guter Letzt wollen wir für alle, die sich weiter informieren wollen zum Thema Pro Choice ein paar Tipps und Empfehlungen da lassen.
Broschüre „Pro Choice is ois!“ zu finden auf der Website des Infoladens Salzburg: https://infoladensalzburg.files.wordpress.com/2015/06/bildschirm_pdf.pdf
Unser Blog: prochoicesbg.noblogs.org der zwar gerade aktualisiert wird, aber sicherlich eine gute Quelle ist.
whatthefuck.noblogs.org bietet bietet viel gut aufbereitete Information u.a. zu den Themen Repoduktive Rechten, Antifeminismus und Fundis.
Die Website schweigemarsch-stoppen.de ist auch einen Besuch wert.
In dieser Paneldiskussion des Bündnisses Feminist As Hell sprechen Pro Choice Salzburg-Aktivist_innen über eben diesen Aktivismus: https://www.youtube.com/watch?v=u-SJKjMQaCw
Erklärungen:
Die Fristenlösung: „Diese besagt, dass eine Schwangerschaft innerhalb der ersten drei Schwangerschaftsmonate legal abgebrochen werden kann. Gemeint ist damit der Zeitraum vor Beginn der 16. Schwangerschaftswoche.“ Siehe: https://www.gesundheit.gv.at/leben/eltern/schwangerschaft/info/schwangerschaftsabbruch-gesetzliche-regelungen.html
Fundis = fundamentalistisch christliche Abtreibungsgegner_innen
JfdL = Jugend für das Leben
HLI = Human Life International
* Abtreibungen sind auch heute in Österreich nicht „legal“ sondern durch die in 1975 in Kraft getretene Fristenlösung lediglich straffrei gestellt. Das heißt, sie sind nicht legal, werden aber geduldet und nicht von der Justiz verfolgt.