Seit 2007 ist der Rote Salon fixer Bestandteil des Programms in der ARGE Kultur. Fürs neue Jahr hat man sich vorgenommen den Salon musikalisch diverser, experimenteller, progressiver, internationaler und vor allem weiblicher zu gestalten. All diese Anforderungen abzudecken, scheint auf den ersten Blick schwierig – gelungen ist dies mit einem Schlag und zwar am 11. Jänner 2019 mit KLITCLIQUE und Die Römischen Votzen.
„Wir pissen im Stehen und auch im Sitzen“
Das Hip Hop Trio Die Römischen Votzen aus Frankfurt am Main eröffnete den Abend mit ihrem in Punkto Niveau den männlichen Kollegen um nichts nachstehenden Deutschrap. Da wurden allerorts Klischees bedient, umgedreht und zerstört. Begleitet von mitreißenden und geschickt arrangierten Beats behandelten Die Römischen Votzen in ihren Songs zentrale Themen wie Sex, Macht, Politik und Konsum. Dabei ging es ihnen vor allem um eines: das Aufzeigen von ach so traditionellen und einzementierten Rollenklischees und Stereotypen. Aber es gibt keinen Zement der sich nicht sprengen lässt, lautete wohl ihre Devise. In häufigen Rückgriffen auf aktuelles politisches Tagesgeschehen aber auch historische Motive wurden Missstände schonungs- und hemmungslos angeprangert. Ihre Message dabei ist klar: Sex ist positiv, Machtstrukturen gehören aufgebrochen und Geschlechterbilder aufgelöst. Musikalisch kümmerten sich Sonja und Giulietta ums Grobe: sie rappten in feinster Prollmacho-Manier über sexuelle Machtverhältnisse („Casanova“), pathologisches Konsumverhalten („Kaffee“) und irrationale Geschlechterbilder („Frigido“). Dazu lieferte Anna Beats und übernahm die gesanglich anspruchsvollen Parts. Gepaart mit der unterhaltsamen und durchaus selbstironischen Bühnenshow entstand ein mitreißendes und stimmiges Gesamtkunstwerk. Ein Gesamtkunstwerk, das dort den Finger ansetzt, wo es weh tut und so weit mehr liefert als das, wozu viele männliche Rap-Kollegen im Stande sind.
„Männer bekommen ein Museum, Frauen nicht“
Das Wiener Duo KLITCLIQUE legte ihren Fokus klar auf Kunst und die nationale sowie internationale Kunstwelt. Aus einer feministischen Perspektive beleuchteten sie in der Tradition des Cloud Raps auf Trap-Beats den Kunstbetrieb aber auch gesamtgesellschaftliche Missstände kritisch. Die Vorbilder von G-udit und $chwanger sind dabei ganz klar starke weibliche Künstlerinnen aller Genres, wie etwa Maria Lassnig, Ingeborg Bachmann, Florentina Holzinger und Elfriede Jelinek. So wurde – wohl gestützt auf eigene Erfahrungen – angeprangert, dass sich Künstlerinnen oftmals viel mehr beweisen müssen als ihre männlichen Kollegen, die häufig – auch zu Unrecht – mit Preisen ausgezeichnet und mit Anerkennung bedacht werden („Maria“). Männer bekommen Museen, oder bauen sich eins; Frauen hingegen gehen viel zu oft leer aus. Daran angeschlossen, behandelten sie die Neiddebatte anhand der befreundeten Autorin Stefanie Sprengnagel („Inge Borg 50K“ und „$teuergeld“), die vor allem von rechter Seite angegriffen wurde, als sie staatlich subventionierte Mittel und Kunstpreise erhielt. Nicht nur die Kunstwelt bekam an diesem Abend ihr Fett weg, auch die holde Männlichkeit, die sich Feminist schimpft und deshalb zu wissen glaubt, was sich für Frauen gehört und wie sie sich zu verhalten haben („DER FEMINIST F€M1N1$T“). Erfrischend ehrlich, selbstironisch und stellenweise sympathisch improvisierend, lieferte KLITCLIQUE mithilfe von herrlich minimalistisch-reduzierten Lo-Fi Rapsongs einen kritischen Blick auf den Kunstbetrieb, entlarvte falsche Feministen und prangerte verfestigte Geschlechterklischees an.
Wegen den winterlichen Verhältnissen samt anhaltendem Schneechaos blieb die Show leider nur spärlich besucht. Das tat der guten und ausgelassenen Stimmung aber keinerlei Abbruch und die auftretenden Künstlerinnen hatten sichtlich ihren Spaß. Hier wurde über das Wetter und Österreicher gescherzt, da das österreichweite Klischee „des Salzburgers“ bedient, oder Art-Business-Gespräche mit lokalen „Kunstmäzenen“ geführt. Beim feuchtfröhlichen Umdeuten von Klischees wurden das Publikum und darin vor allem der männliche Teil dazu angeregt, das eigene Verhalten und Wertvorstellungen zu hinterfragen und einen respektvollen Umgang miteinander zu pflegen. Immerhin sind wir alle gleich – auch auf der Toilette.