Lange Zeit war unklar, was der ehemalige Salzburger Bürgermeister und promovierte Historiker Heinz Schaden mit seiner Ankündigung, in den “lehrenden Bereich” gehen zu wollen, meinte. Anfang Oktober brachte er dann Licht ins Dunkel: Er wird an einer Vorlesung am Fachbereich Geschichte mitwirken. Warum das problematisch ist, erklärt Christoph Würflinger.
“Ex-Bürgermeister Heinz Schaden hält Vorlesungen an der Uni” titelten die Salzburger Nachrichten im Oktober 2018. Im Rahmen der von Vizerektorin Sylvia Hahn veranstalteten Ringvorlesung “Politics, History and Culture – Austria in the 20th and 21st Century” tritt Schaden an zwei Terminen als Vortragender auf. Seine Themen sind “Domestic Austrian Politics 1960 – 1990” und “The City of Salzburg in the late 20th Century”. Am Fachbereich Geschichte ist man über diese Ankündigung, die man erst im September aus den Medien erfahren hat, nicht besonders glücklich; problematisch sind Schadens Auftritte nämlich aus mehreren Gründen.
Unqualifiziert
Der gebürtige Grazer Heinz Schaden kam 1976 nach Salzburg, um Politikwissenschaft, Publizistik und Wirtschaftsgeschichte zu studieren. 1981 promovierte er mit einer Arbeit über “Die österreichische Arbeiterbewegung und die Steuern von den Anfängen bis 1926”, deren akademischer Wert hier nicht beurteilt werden soll, zum Doktor der Philosophie. Danach studierte er an der Diplomatischen Akademie in Wien. Seine wissenschaftliche Karriere war mit der Dissertation allerdings auch schon wieder beendet; er arbeitete bis 1987 im Bauministerium und ging danach in die Politik. Aus wissenschaftlicher Sicht ist er also für Lehrauftritte an der Universität wahrscheinlich eher ungeeignet.
Befangen
Schaden war ab 1992 Vizebürgermeister, ab 1999 Bürgermeister der Stadt Salzburg. Dass er nun in einer universitären Lehrveranstaltung mit wissenschaftlichem Anspruch ausgerechnet über jene Zeit sprechen soll, in der er selbst politisch verantwortlich war, ist äußerst fragwürdig. “Wenn er beispielsweise über Salzburg im Mittelalter vortragen würde, gäbe es diesen Interessenkonflikt nicht. Aber so ist die Optik natürlich schon sehr schief”, sagt uns ein Salzburger Historiker, der lieber anonym bleiben möchte.
Aber selbst wenn die wissenschaftliche Qualifikation stimmen und es beim Vortragsthema keinen Interessenkonflikt geben würde, gäbe es noch einen schwerwiegenden Einwand.
Gerichtsbekannt
Im Prozess um die Übertragung von Derivaten von der Stadt auf das Land Salzburg, einem Nebenaspekt des großen Salzburger Spekulationsskandals, wurde Schaden 2017 in erster Instantz zu drei Jahren Haft verurteilt. Infolge dieses Urteils verkündete er konsequenterweise seinen Rücktritt als Bürgermeister. Dass man Schaden – nunmehr erstinstanzlich verurteilter Straftäter – im Haus für Gesellschaftswissenschaften als Lehrenden auftreten lässt, wirft kein gutes Licht auf die Universität Salzburg. Gerade Sylvia Hahn, die als Vizerektorin für Kommunikation zuständig ist, sollte sich dieser Symbolwirkung bewusst sein. Für die Reputation der Uni Salzburg wäre es vermutlich besser gewesen, ein letztinstanzliches Urteil abzuwarten.
Warum lädt sie Schaden trotz dieser berechtigten Einwände als Vortragenden ein? Geht es ihr um eine Art “Promi-Bonus”, mit dem sie die Vorlesung aufhübschen will? Oder gibt es vielleicht andere Gründe? Hahn war selbst lange Zeit SPÖ-Parteimitglied, gilt nach wie vor als parteinahe und hat beispielsweise bei einem Ausstellungsprojekt mit der rot regierten Stadt kooperiert. Will sie jetzt einem alten Parteifreund zu positiver PR verhelfen? Auf unsere Anfrage hat sie nicht reagiert.
Kein Einzelfall
Schaden ist nicht der Einzige, dessen Auftritt in der Vorlesung verwundert. Unter den Vortragenden findet sich auch ein gewisser Stan Nadel, der zu den Themen “1st Republic and ‘Austrofascism’” und “Nationalsocialism and WW II” spricht. Nadel ist faculty member des University of Portland Study Abroad Program Salzburg. Der einzige auffindbare Lebenslauf endet in den frühen Nullerjahren. Nadel ist wie Schaden promovierter Historiker und hat immerhin auch mehrere Publikationen vorzuweisen; diese beschäftigen sich allerdings mit deutschen Einwanderern in New York Ende des 19. Jahrhunderts, liegen also von den Vortragsthemen meilenweit entfernt. Am Fachbereich Geschichte gäbe es gleich mehrere Personen, die für die beiden Themen ausgewiesene ExpertInnen sind. Warum trägt trotzdem der Laie vor? Wir wissen es nicht. Im Telefonbuch sind Nadel und Hahn jedenfalls unter derselben Adresse angeführt.
Es ist nicht ungewöhnlich und keineswegs verwerflich, dass man befreundeten Wissenschaftlern oder dem akademischen Nachwuchs die Gelegenheit gibt, sich in einer Ringvorlesung zu präsentieren. Wissenschaftliche Qualifikation und kritische Distanz zum Thema sollten dabei allerdings gewährleistet bleiben, denn sonst werden universitäre Lehrveranstaltungen beliebig und durch Volkshochschulkurse ersetzbar.
Am Fachbereich Geschichte herrscht großer Unmut über diese Lehrveranstaltung. In Zukunft sollen solche Ringvorlesungen einer Qualitätskontrolle unterzogen werden. Öffentlich äußern will sich jedoch niemand. 2019 endet die Funktionsperiode des Rektorats. Der künftige Rektor wird wohl auf die Dienste von Vizerektorin Hahn verzichten; sie wird als normale Kollegin an den Fachbereich zurückkehren.