Ein Trostpflaster am Tag nach der Wahl mit Gacki- und Lulu-Witzen: Das versprach Stefanie Sargnagel für ihre Lesung am Montag, 16. Oktober in der ARGE. Kein Zufall, dass sich die Leute im Publikum in einer Art innenpolitischer Betroffenheitsgemeinschaft erkannten und familiär wirkten – und in den Untiefen der Facebook-Meldungen, die Stefanie Sargnagel in ihrem neuen Buch „Statusmeldungen“ zusammentrug, jene Ablenkung in ihren Texten und ihrer charakteristischen roten Baskenmütze fanden, die man angesichts einer Neuauflage von Schwarz-Blau, der zerbröselten Grünen, dem alltäglichen Wahnsinn und dem eigenen subjektiven Alltag braucht.
Stefanie Sargnagel schreibt und liest über das Alltägliche. Über ihre Zeit, als sie als Angestellte bei der Rufnummernauskunft arbeitet. Sie bekommt die schrägsten Anrufe – ernstgemeint, aber absurd komisch. Dabei sind Leute, die die Nummer von Falco wollen oder wissen möchten, wo sie tiefnachts am Wochenende Eier bestellen können, die harmloseren Fälle. Sargnagels Texte sind meistens irgendwie politisch. Nicht parteipolitisch, aber sie erzählen von alltäglichen Begegnungen, ihren Eindrücken und total subjektiven Meinungen, die aufzeigen, wie wir leben. Das „Wir“ reicht dabei von Leuten aus der Unterschicht über prekäre KünstlerInnen bis hin zu den erfolgreichen MacherInnen und den Etablierten.
Über die Aussichtslosigkeit des Daseins
und die Tristheit des Alltags
Sie macht sich lustig über die Einbildungen der Bobos, der Selbstzufriedenen und Gesetzten, über die Aussichtslosigkeit des Daseins und die Tristheit des Alltags. Sie parodiert die Künstlerinnen und Künstler, die sich für die Krone der Schöpfung halten, die Großen und die Kleinen in Kunst und Gesellschaft.
All das könnte wie die Rezeptur für ein Unterhaltungsprogramm klingen, das vor Überheblichkeit und arroganter Verhöhnung der anderen trieft – wäre nicht Stefanie Sargnagel selbst die größte Zielscheibe ihrer eigenen Pointen. Sie nimmt alles von sich selbst aufs Korn, wie sie schreibt, aussieht, lebt, wohnt und isst. Es ist eine Selbstironie, die ehrlich, komisch und unglaublich lustig ist.
Ein Erlebnis der besonderen Sorte
Eine Lesung von Stefanie Sargnagel ist ein Erlebnis, das schwer mit anderen Lesungen bestimmter Genres vergleichbar ist. Sie durchmischt kluge hochpolitische Aussagen mit trivialen Geschichten aus dem Alltag. Sie schreibt über Hoden als schutzbedürftige, verrunzelte Zwetschgerl, über Vaginen, Bier und das Versumpfen im Stammlokal, über Antriebslosigkeit, über unentrinnbare Fitnesscenter-Abos, über das widerwillige „Erwachsenwerden“, über Wiener Straßenbahn-Erlebnisse und die Verrücktheiten des biederen, konservativen Österreichs. So komisch und skurril viele Statusmeldungen und Passagen sind – man hat stets das Gefühl, die beschriebenen Situationen genau zu kennen, man hat sofort ein Bild dazu im Kopf und es fühlt sich an, als wäre man selbst als Beobachter dabei gewesen.
Zur Person: Stefanie Sargnagel, eigentlich Stefanie Sprengnagel, ist eine österreichische Autorin und Künstlerin. Sie schreibt Facebook-Meldungen, Bücher und Texte für Vice und andere seriöse Medien. Offline hat sie u.a. „Binge Living: Callcenter Monologe“, „In der Zukunft sind wir alle tot. Neue Callcenter-Monologe“ und „Fitness“ veröffentlicht. Sargnagel ist in der „Burschenschaft Hysteria“ aktiv, eine feministische Gruppe in Wien, die Burschenschaften und ihr peinliches Gehabe persifliert, sich für das Matriarchat und die Abschaffung des Männerwahlrechts einsetzt: Burschenschaft Hysteria und Stefanie Sprengnagel
Buchinfos: Stefanie Sargnagel, Statusmeldungen, Rowohlt, Berlin 2017