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Die Gesprächskultur in Österreich lässt zu wünschen übrig. Fast scheint es, als hätte der von allen Müttern gepredigte Leitsatz „Zuerst denken, dann reden“ seine Gültigkeit verloren. Wir sind immer schnell dabei, mit dem Finger auf andere zu zeigen,  dabei gilt doch wie immer: Sich als erstes selbst bei der Nase zu nehmen, hat noch nie geschadet.

Ein Plädoyer für die Freundlichkeit von Sandra Grübler

 Ein Plädoyer für die Freundlichkeit

 

2016 – so hat man das Gefühl – war das Jahr des vielen Streitens, des nicht enden wollenden Politisierens, des Jonglierens mit Totschlagargumenten. Im Öffentlichen wie auch im Privaten. In seiner ersten öffentlichen Rede als designierter Bundespräsident der Republik Österreich sprach Alexander van der Bellen über seine Pläne für ein „gemeinsames Österreich“ und widmete sich dabei eingehend dem Wunsch nach einer neuen, respektvolleren Gesprächskultur in der Alpenrepublik:

 

Das Wahlergebnis zeigt auch, dass die Menschen in unserem Land sich eine andere Gesprächskultur wünschen. Ich werde dem Thema des Umgangs miteinander, auch des Umgangs mit Worten, in meiner Amtszeit einen wichtigen Platz einräumen und werde versuchen, einen respektvollen, konstruktiven Austausch untereinander zu fördern.

– Alexander van der Bellen, 6. Dezember 2016

Tatsächlich hat der Wahlkampf rund um die Präsidentschaftswahl 2016 wie nie zuvor offensichtlich gemacht, dass die Gesprächskultur in Österreich wirklich dabei ist, vor die Hunde zu gehen. Eine Analyse politischer Debatten und Talk-Show-Sendungen auf Tiefsee-Niveau ist für diese Erkenntnis aber gar nicht notwendig; eigentlich reicht ein offenes Ohr im Alltag; denn dass wir das Miteinander-Umgehen mit Worten ein bisschen verlernt haben, zeigt sich in Beziehungen, am Arbeitsplatz, in der Uni.

 

„Ihre Arbeit ist scheiße.“

So rief mich vor wenigen Wochen eine Studienkollegin und Freundin an. Dachte ich zuerst noch, sie hätte sich – wie so viele andere – über die Feiertage eine Schnupfnase eingefangen, auf die Rudolph, das Rentier neidisch wäre, stellte sich bald heraus: sie weinte. Sie kam gerade von einem Nachbesprechungstermin mit einem Professor, der ihr ihre Seminar-Arbeit mit den Worten „Ihre Arbeit ist scheiße“ überreichte, ihr mitteilte, sie habe zwei Wochen Zeit, um diese zu überarbeiten und sie dann umgehend verabschiedete. Hat man sich so konstruktive Kritik vorzustellen? Niemand hört gerne, dass das, worin man viel Mühe und Zeit investiert hat, nicht ausreichend gut ist.

Von konkreten Verbesserungsvorschlägen und sachlichem Feedback hätte meine Kollegin jedoch erwiesenermaßen mehr profitiert, als von einer Beleidigung. Und wer weiß? – Vielleicht hätte sich nach einem sachlich geführten Feedback-Gespräch nicht nur meine Kollegin, sondern auch der geschätzte Herr Professor besser gefühlt, der zwar so die günstigere Alternative zur Aggressionsbewältigungstherapie gewählt, die Achtung vieler StudentInnen durch sein Verhalten jedoch verloren hat. Ein bisschen mehr Freundlichkeit und Umsichtigkeit im Umgang mit Worten führt in den meisten Fällen zu einer Win-Win-Situation.

 

Und noch eine Schleife dran.

Mit Kritik ist es wie mit Geschenken. Zwar kommt es natürlich auf den Inhalt an, aber manchmal ist es schon die Verpackung, die zeigt, ob mit Bedacht an die Sache herangegangen wurde. Lieblos Verpacktes wird einfach weniger gerne angenommen. Und deshalb zahlt es sich aus, um Worte (die auch ein Geschenk sein können) nochmal eine extra Schleife rumzubinden. Das soll nicht heißen, dass jeder Satz in eine rosa Bubble gehüllt werden muss oder Diskussionen nicht auch einmal hitzig und mit Emotion geführt werden dürfen, aber ein gewisses Maß an Respekt dem Gesprächspartner gegenüber aufzubringen, sollte für erwachsene Menschen doch machbar sein. Dass Worte äußerst verletzend sein können, sollte jedem klar sein. Und dass das Verwenden von Worten als verbale Hackbeile sich ebenfalls nicht positiv auf das Gemüt auswirkt und mit Sicherheit auch anstrengender ist, als sachlicher Austausch, dürfte so sicher sein, wie das Amen im Gebet. Von Freundlichkeit und Respekt profitieren immer alle Beteiligten.

 

Wo haben die denn ihr Reklamationsformular?

Beim Verfassen von Reklamationen sind wir alle schnell, wenn eine Lieferung zu spät versendet, ein Produkt kaputt, ein Service ungenügend war. Aber wie oft nehmen wir uns die Zeit für Lob? Für ein lautes „Dankeschön, das hat ja prima geklappt!“? Viel zu selten. Dabei nimmt das Verfassen freundlicher Zeilen nicht mehr Zeit in Anspruch als das Schreiben einer empörten Beschwerde. 

 

Mütterliche, universelle Weisheiten

Im Laufe der Zeit kommt man drauf, dass auch Mütter manchmal flunkern. Es gibt jedoch mütterliche Weisheiten, die nie nie nie ihre Gültigkeit verlieren.

  • Man kann Gesagtes nicht ungesagt machen, man kann Dinge, die man ausgesprochen hat, nicht mehr zurücknehmen. Deshalb empfiehlt es sich, den Rat einer jeden Mutter zu befolgen: Zuerst denken, dann reden. So erspart man nicht nur sich selbst so manchen Tritt in die an allen Ecken und Enden lauernden Fettnäpfchen, sondern verhindert auch, dass man durch unbedachte Worte das Gegenüber verletzt.
  • Nicht alles, was man sich denkt, ist es auch wert, laut ausgesprochen zu werden. Man muss nicht zu allem und jedem seinen Senf abgeben, schon gar nicht, wenn er absolut unqualifiziert und obendrein ruppig formuliert ist. Punkt.
  • Und last but not least: Da fällt dir doch keine Perle aus der Krone! Freundlich zu sein tut nicht weh. Deshalb kann man ganz oft und ganz viel Gebrauch davon machen. Kostet nichts, ist aber dennoch viel wert.

 

Sich selbst an der Nase nehmen

Wer sich – wie Alexander van der Bellen – einen respektvolleren Umgang miteinander, konstruktiven Austausch, eine angenehme Gesprächskultur wünscht, der sollte gleich bei sich anfangen und Mamas Weisheiten wie ein Mantra verinnerlichen: Zuerst denken, dann reden.

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