Seit vergangene Woche die Umstrukturierungspläne des neuen Rektors bekannt wurden, brodelt es an der Uni Salzburg gewaltig. Zwei neue Fakultäten sollen entstehen, diverse Fachbereiche zusammengelegt werden. Diese fürchten nun um ihre Existenz. Die Kommunikation des Rektors beurteilen viele als mangelhaft. Eine Analyse von Christoph Würflinger
Es ist ein überfallsartiger Fahrplan, den Rektor Lehnert für seinen Umbau der Universität vorgelegt hat. Seit der Sitzung des Uni-Senats, dem Studierende und Bedienstete angehören, am 23. Juni verbreiten sich die Pläne des Rektors wie ein Lauffeuer an der Uni. Offiziell informieren will er dem Vernehmen nach aber erst Mitte Juli. Später ist Lehnert auf den Universitätsrat angewiesen, der einen Umbau der Uni-Struktur absegnen muss. Der Senat als demokratisch gewähltes “Uni-Parlament” darf lediglich eine Stellungnahme abgeben. Wirksam werden sollen die Änderungen schon mit 1. Jänner 2021. Ob eine breite, demokratische Debatte über die Zukunft des Studierens, Lehrens und Forschens an der Uni Salzburg sich in weniger als einem halben Jahr durchdrücken lässt? Es wirkt eher wie eine Überrumpelungstaktik als ein konsensorientiertes Vorgehen, in dem alle Betroffenen gehört würden. Lehnert scheint die Zeit der Corona-Krise nutzen zu wollen, um sein Vorhaben mit möglichst wenig Widerstand durchsetzen zu können.
Es wirkt eher wie eine Überrumpelungstaktik als ein demokratisches Vorgehen.
Was plant er?
Geht es nach durchgesickerten Informationen, so will Lehnert die größte Fakultät, die Kultur- und Gesellschaftswissenschaften (KGW) zerschlagen. Der Fachbereich Sozial- und Wirtschaftswissenschaften (bisher bei der Rechtswissenschaftlichen Fakultät) und die Fachbereiche Kommunikationswissenschaft, Politikwissenschaft/Soziologie und Erziehungswissenschaft (bisher KGW) sollen zu einer neue Fakultät für “Economy and Society” zusammengewürfelt werden. Diese Zusammensetzung verwundert und wirkt, als würde man die kritischen Gesellschaftswissenschaften stärker an die Wirtschaftswissenschaften anbinden wollen. Die enge Verknüpfung mit Fächern wie Geschichte oder Philosophie wird damit zerschnitten. Begründet wird diese bemerkenswerte Zusammensetzung damit, dass diese Fächer mit “ähnlichen Methoden” arbeiten würden. Universitätsintern sorgt das für Irritationen, es war sogar schon von einer “Mistkübelfakultät” die Rede.
An der KGW-Fakultät sollen aber nicht nur diese drei Fachbereiche herausgeschnitten werden; auch die restliche Fakultät wird auf den Kopf gestellt. Die Altertumswissenschaften (Alte Geschichte, Archäologie, Latein und Griechisch) sollen in den Fachbereich Geschichte eingegliedert werden, wo sie wohl, wie es heißt, über kurz oder lang absterben sollen. Die Zusammenlegung der Fachbereiche ist der erste Schritt zur Einstellung der eigenständigen Studiengänge. Die im Unipark angesiedelten Fachbereiche Slawistik, Romanistik, Anglistik und Linguistik sollen überhaupt zu einem einzigen Fachbereich “Sprache und Sprachwissenschaft” zusammengelegt werden. Die kleineren Studien werden hier wohl bald aufgelassen.
Auch die zweitgrößte Fakultät, die Naturwissenschaftliche Fakultät, soll aufgespalten werden: Einerseits in eine Fakultät für “Data Science”, die die Fachbereiche Computerwissenschaften und Mathematik, einen neuen Fachbereich für künstliche Intelligenz und autonome Systeme sowie den bisher interfakultären Fachbereich Geoinformatik umfassen soll, und andererseits in eine Fakultät für “Natural and Life Sciences”, in der die Rest-Nawi (Biowissenschaften, Geographie, Psychologie, Chemie und Physik der Materialien) verbleibt. In letztere sollen auch die interfakultären Fachbereiche Gerichtsmedizin und Sport- und Bewegungswissenschaft eingegliedert werden.
Anglizismen als „Reformmaßnahme“?
An der Theologischen Fakultät, die dem obigen Muster folgend wahrscheinlich bald Fakultät für “Divine Sciences” heißt, soll der Fachbereich Philosophie wegen der geringen Studierendenzahl und den wenigen Abschlüssen abgedreht werden. Das Pikante: Just an diesen Fachbereich ist Lehnerts langjähriger Vorgänger als Rektor, Heinrich Schmidinger, erst letztes Jahr zurückgekehrt. Diesem wirft Lehnert vor, schlecht gewirtschaftet und einen hohen Schuldenberg hinterlassen zu haben. Schmidinger weist das von sich und belegt seine Entkräftung dieser Vorwürfe in einer universitätsinternen E-Mail-Aussendung mit Zahlen und Fakten. Insider wittern eine “Racheaktion” von Lehnert an seinem Vorgänger. In Kombination mit dem neuen Außenauftritt der “PLUS” samt (eher eigenwilligem) Logo wurde bereits der Verdacht geäußert, dass die Ära Schmidinger einer Art damnatio memoriae anheimfallen solle. Ob Lehnert sich diese Sache gut überlegt hat, ist aber zu bezweifeln, denn Schließungen von Studiengängen an der Theologischen Fakultät sind wegen des Konkordats, also des völkerrechtlichen Vertrags Österreichs, mit dem Vatikan nicht so einfach möglich.
Ob Lehnert sich diese Sache gut überlegt hat, ist zu bezweifeln.
Was er mit der School of Education machen soll, scheint Lehnert noch nicht ganz zu wissen. Das Lehramt wurde hinsichtlich der Prüfungsaktivität der Studierenden in der Vergangenheit zwar immer als Musterschüler hervorgehoben, hat aber seit den letzten Semestern mit einem dramatischen Studierendenschwund zu kämpfen. In einem internen Schreiben über die Pläne des Rektors heißt es zur School of Education lapidar: “Details unklar”.
Budgetfrage ungelöst
Die Umstrukturierungen stehen wohl in Zusammenhang mit der politisch hoch umstrittenen neuen “Studienplatzfinanzierung”. Diese sieht vor, dass die Regierung den Universitäten nur mehr für jene Studierenden Budget zuweist, die mindestens 16 ECTS-Punkte pro Studienjahr belegen. Alle, die wegen Berufstätigkeit oder Betreuungspflichten weniger ECTS-Punkte absolvieren, zählen für die Regierung schlicht nicht mehr. Da viele Studierende unter den 16 ECTS-Punkten liegen, rollen auf die Universitäten, die ihr “Soll” nicht erfüllen, Strafzahlung in Millionenhöhe zu. Das Rektorat wird kürzen, wo es nur geht (außer beim neuen Logo, bei PR und beim Außenauftritt). So wurde beispielsweise angekündigt, dass Studienassistenzstellen radikal gestrichen werden. Als StudienassistentInnen haben Studierende aber die Chance, Einblicke in das Arbeiten an der Uni, in Forschung und Lehre zu bekommen. Für die Förderung von Nachwuchs und JungwissenschafterInnen spielt das eine wichtige Rolle.
Zudem heißt es, dass mehrere Fachbereiche (unter anderem Kunstgeschichte, Slawistik und Altertumswissenschaften) akut vom Zusperren bedroht seien. Die Bemerkung des Vizerektors für Lehre, dass er “alle Fächer auf ihren Inhalt sowie ihre Qualität überprüfe”, wirkt in den Ohren vieler fast wie eine Drohung. Außerdem wolle das Rektorat das Studienangebot “nicht für immer gleich lassen”. Hier zeichnet sich ein Kahlschlag beim bunten, vielseitigen Fächerangebot der Geisteswissenschaften ab, der Qualität nur mehr als Verwertbarkeit, nackte Kennzahlen und Profitabilität misst. Das Rektorat entscheidet dann, welches Streben nach Wissen, Erkenntnis und Wahrheit sich rentiert und was abgewürgt wird.
Für Lehrende und Forschende, die den moderierenden und demokratischen Stil des früheren Rektors gewöhnt sind, ist Lehnerts Taktik ein radikaler Kulturbruch.
Kein Interesse an Demokratie und Mitbestimmung?
Für massive Kritik unter dem Universitätspersonal sorgt die Taktik und Kommunikationsstrategie des Rektorats, das seine Pläne offenbar im stillen Kämmerlein ausheckt und nicht (oder bestenfalls sehr spät) mit den Betroffenen geredet hat. Informationen kommen verzögert an, sodass meist kaum Zeit für Reaktionen bleibt. Unterlagen würden oft nicht einmal auf Nachfrage bereitgestellt. Auch auf unsere Anfrage hat Rektor Lehnert nicht reagiert. Für Lehrende und Forschende, die den moderierenden und demokratischen Stil des früheren Rektors gewöhnt sind, ist Lehnerts Taktik ein radikaler Kulturbruch. Auch rektoratsintern dürfte es heftig rumoren: Die erste Vizerektorin ist bereits abgesprungen, über die Gründe schweigt sich der Rektor aus. Anders als er behauptet, dürfte die Trennung aber keineswegs “friedlich” abgelaufen sein.
Der “neue Blick von außen”, den Lehnert noch bei seiner Bestellung an die Uni Salzburg im Herbst 2019 als Vorteil angepriesen hat, entpuppt sich als tendenzielles Unverständnis für die über Jahrzehnte gewachsenen, vielseitigen Strukturen der Salzburger Universität. Ausgerechnet in der Kulturstadt Salzburg die Geisteswissenschaften massiv zu schwächen und die Uni, einer ökonomistischen Verwertungslogik folgend, so umzubauen, dass sie den angeblichen Wünschen von Unternehmen genügt, ist ein Irrweg. Die Universität Salzburg gilt bis heute als Hochburg der Geisteswissenschaften. Umstrukturierungen können gut sein und es muss sich an der Uni Salzburg sicherlich vieles ändern – auch aus Studierenden-Sicht. Dafür braucht es aber eine demokratische Vorgehensweise, die die Uni-Angehörigen einbezieht, und keinen Umbau aus dem stillen Kämmerchen, der von oben herab diktiert werden.
Update (01.07.2020, 22:47): Der Rektor hat mittlerweile auf unsere Anfrage geantwortet: Die Änderungen sollen den Studierenden eine „kohärente und inhaltlich zeitgemäße Struktur“ anbieten, das ganze Vorhaben soll kostenneutral ablaufen, räumlichen Veränderungen für die betroffenen Fachbereiche soll es keine geben. Die Existenzängste kleinerer Fachbereiche seien unbegründet.
Foto: Luigi Caputo
Sapere Aude!
So möchte man dem neuen Rektorat der Universität Salzburg in diesen Tagen zurufen.
Alles muss eine Ursache haben, hat die Autorin dieses Jahr in der hervorragenden Platon Vorlesung gelernt. Über 20 Jahre Financial Services Management in den USA und London möchte sie nicht missen, Banking – aber auf der „good side“, wie sie betont! Alles hat seine Zeit. Der global view hatte zunächst Vorrang. Aber da war doch noch etwas? Ad fontes – so flüsterte es ihr zu. Woher kommen wir? Wie dies besser herausfinden, als in der herrlichen Barockstadt Salzburg Altertumswissenschaften zu studieren? Welch herrliche Symbiose aus glorreicher Architektur, hervorragendem Lehrpersonal und gehaltvollem Inhalt!
Zwei Semester später hat sie die Aeneis gelesen, das Corpus Platonicum entdeckt, die „Weltwunder der Antike“ neu einzuschätzen gelernt, Deutung von Mythen und römische Quellenkunde geübt, die Zeit der griechischen Klassik, antiken Schiffsbau, römische Heeresreformen, die Etrusker und sogar die sozio-kulturelle Aussagekraft von Keramikscherben kennengelernt. Interdisziplinäre Vorteile und bereichernde Zusammenhänge aus drei Fächern, die untrennbar zusammengehören, haben ein Gesamtbild entstehen lassen. Vor allem aber hat sie gelernt, wie unglaublich aktuell der Blick der Antike ist. Unsere Demokratie ist bequem geworden und die Autorin dankt den Lehrenden, dass sie daran erinnert wurde.
Profitabilität? Effizienzstudien? Return on Investment? Peanuts im Vergleich!
Die USA, die im Übrigen weit besser sind als ihr derzeitiger Ruf, und England, die herrlich störrische Insel im Nordwesten Europas, die wir ebenfalls noch lange nicht abschreiben sollten, setzen nach wie vor akademisch auf das Classics- und Philosophie-Studium. Absolventen dieser Disziplinen, so weiß die dortige Wirtschaft, haben das Denken gelernt! Hierfür steht ihnen der Weg in viele lukrative berufliche Einsatzgebiete offen: gerade keine brotlose Kunst! Ein kultureller Unterschied? Nur einer von vielen.
Heute mehr denn je braucht es Menschen, die sich nicht scheuen, sich ihres Verstandes zu bedienen. Auch daran hat Kant erinnert. Weniger Mitläufer für unsere Welt, so lautstark sie sich auch vernehmen lassen, und mehr Denker zu produzieren – diesen Auftrag müsste ein guter Unternehmensberater den Universitäten heute dringend geben. Nur leider haben Berater heute selber oft nicht mehr denken gelernt, manche niemals im wirklichen Leben praktiziert. Wir brauchen nicht noch ein wirtschaftlich orientiertes Studium, nicht noch eine scheinbar bedarfsgerechte Diversifizierung. Die Enge in den Köpfen wird dadurch nicht besser. Globales Denken? Unbedingt, aber mit dem umfassenden Weitblick, den die klassischen Disziplinen eröffnen. Wir sind stolz auf das europäische Erasmus-Programm. Aber wissen wir eigentlich noch, wer sein Namenspatron ist?
Warum nur, verehrtes Universitäts-Rektorat, wollen Sie in Salzburg die Stimme der Antike dämpfen? Sie zeigt uns keine bessere Welt, aber sie gibt zu Denken und das brauchen wir mehr denn je. Das kann ich nach Jahrzehnten beruflichen Erfolgs in anderen Kulturräumen aus eigener Erfahrung sagen. Wir sollten nicht zu tief in Statistiken wühlen, sondern hoch erhobenen Hauptes den Überblick bewahren. Nur darin beweist sich Bildung. Und das geht nur mit der Antike!
Seit diesem Semester weiß die Studierende sogar, warum ihr Irish Setter seine Nase immer so weit oben trägt. Wissen Sie es auch? Jagdinstinkt? Völlig falsch. Es geht gar nicht um seine Nase, sondern um seinen Kopf. Er interessiert sich für Platon, inbesondere den Timaios. Wer hätte das gedacht?
Susanne Tansley, BA, Studierende der Altertumswissenschaften