Am Heimweg. Im Bus. Auf dem Weg zur Uni. Im Supermarkt. Sexistische Bemerkungen, zynische Kommentare oder ein bloßes – aber durchaus ausreichendes Abchecken – und wieder mal die Feststellung, dass ich mich unwohl fühle. Unwohl aufgrund einer fremden Person, die mir das Gefühl gibt, mich zu objektifizieren. Ob ich dagegenhalte? Oftmals. Nicht immer. Je nach Tagesverfassung. In diesem Artikel möchte ich aufzeigen, wie wichtig es ist, gegen sexuelle Belästigung im öffentlichen Raum laut zu sein und Personen keine Macht über das eigene Empfinden zu geben.
Von Natascha Wiespointner
Ungleichheit und die daraus resultierenden Probleme
Wir schreiben das Jahr 2024, doch von Gleichberechtigung ist noch lange keine Rede. Ganz gleich ob Gender-Pay-Gap, Gender-Care-Gap oder die bloße Sichtbarkeit und Repräsentation von Frauen in der Gesellschaft. Wie Frauen zum Teil auch in den Medien dargestellt und oftmals objektifiziert werden, ist nach wie vor ein großes Thema. Nach dem sehr medial präsenten Skandal von Thomas Gottschalk und der berüchtigten Bank im „Wetten Dass Studio“, müsste selbst am ländlichen Stammtisch, bestehend aus heterosexuellen Ü50-cis-Männern, klar sein, dass es schlichtweg kein „dienstliches anfassen“ gibt und die betroffenen Frauen „das bestimmt nicht gewollt haben“. Wie schlimm es um die sexuelle, psychische und physische Gewalt in Österreich steht, zeigt eine Erhebung aus dem Jahr 2022 vom Bundeskanzleramt. Hier wird deutlich, dass sexuelle Gewalt in unterschiedlichen Formen nach wie vor ein sehr großes Thema in der Gesellschaft ist. 23 % der Befragten gaben an, dass sie bereits Opfer von körperlicher Gewalt geworden sind und 24 %, dass sie von sexueller Gewalt betroffen waren. In Zahlen bedeutet das, dass 761.786 Frauen körperliche Gewalt erlebt haben und 770.716 Frauen Opfer von sexueller Gewalt wurden. 1. November, ein Feiertag, Allerheiligen, um genau zu sein, wenn man auf religiöse Feiertage einen Wert legt. Viel wichtiger und bedeutender in der Gesellschaft ist, dass ab dem 1. November in Österreich lebende Frauen für das restliche Jahr 2024 gratis arbeiten. Sätze wie „Wir sind doch alle längst gleichberechtigt!“ kann ich an dieser Stelle nur mit einem müden „Lieber Thomas, ich denke nicht“ beantworten. Frauen verdienen durchschnittlich 9.820 Euro weniger im Vergleich zu Männern und damit beträgt der Gender-Pay-Gap nach wie vor 16,6 %. Diese Problematik macht sich auch im Alter bemerkbar durch den daraus resultierenden Gender-Pensions-Gap, aber ich drifte ab. Was haben diese Probleme nun eigentlich mit sexueller Belästigung und der Objektifizierung im Alltag zu tun? Durch die sehr deutlichen Unterschiede im Verdienst aufgrund des Geschlechts, werden Frauen in der Gesellschaft benachteiligt und herabgestuft. Care-Arbeit ist nach wie vor Großteils weiblich, was die Ungleichheit bereits in den privaten Haushalten fördert und bestärkt. Frauen werden mit Themen rund um den Haushalt, Kindererziehung und die schönen Dinge des Lebens in Verbindung gebracht, gleichzeitig aber herabgestuft und auf das Äußere reduziert und objektifiziert. Das sind Probleme, die in der Gesellschaft zu beobachten sind und die es zu bekämpfen gilt.
Handeln – wichtig und richtig
Leichter gesagt als getan, aber Handeln ist so wichtig. An dieser Stelle möchte ich eine kürzlich erlebte Geschichte teilen, die mir vor Augen geführt hat, wie wichtig eine laute Stimme in der Öffentlichkeit ist. Ich war am Weg nach Hause mit einer Freundin im Zug – ein Freitag – und somit war der Zug sehr gut gefüllt und die Plätze von einigen älteren, schon leicht betrunkenen Herren belegt. Meine Freundin und ich suchten einen Platz und philosophierten über das Leben und wurden kurzerhand auf eine Diskussion aufmerksam, nachdem eine Frau klar und deutlich gesagt hatte, dass das sexuelle Belästigung ist und dass der Herr das lassen soll. An dieser Stelle habe ich mich eingeschaltet und bin zu den Männern hingegangen, habe etwas gesagt und der Frau angeboten, sich zu meiner Freundin und mir zu setzen. Die Dame war darüber sehr froh und ich habe sie auch beim Aussteigen zur Tür begleitet, was sie sehr dankend angenommen hat. Was ich damit sagen möchte, ist, dass Zivilcourage superwichtig ist, da die Männer gefühlt die halbe Zugfahrt noch darüber diskutiert haben, dass ihnen noch nie gesagt wurde, dass sie jemanden sexuell belästigt haben, und dass man nun ja überhaupt nichts mehr sagen dürfe. Durch ein klares Aufstehen gegen sexuelle Belästigung und den Einsatz in der Öffentlichkeit für betroffene Personen, können anfangs beängstigte Gruppenbildungen in Form von älteren weissen Männern durchbrochen und jungen Frauen eine Stimme gegeben werden, die gehört und nicht klein geredet wird.