Einige Worte zur aktuellen Sonderausstellung zur 400-jährigen Geschichte der Uni Salzburg, fehlender Einbindung und verpassten Chancen. Eine kritische Rezension.
Von Emilia Schatzl
Im zweiten Stock der Alten Residenz, fernab der altbekannten, konventionell für größere Ausstellungen genützten Räumlichkeiten des Domquartiers, ist aktuell eine Sonderausstellung anlässlich des 400-jährigen Jubiläums der Paris Lodron Universität Salzburg zu sehen.
Betritt man das Domquartier, so gelangt man über das barocke Treppenhaus in das zweite Obergeschoss der Alten Residenz und überquert die Freiluftterrasse oberhalb der nördlichen, den Domplatz rahmenden Arkaden. So erreicht man unter anderem das Nordoratorium des Salzburger Doms, das bereits seit 27. Jänner und noch bis Ende Oktober 2022 die Sonderausstellung „PLUSpunkte. 400 Jahre Paris Lodron Universität Salzburg“ beheimatet. Der Titel verrät: Es handelt sich hierbei um den Versuch einer musealen Aufarbeitung der 400-jährigen Geschichte der Paris Lodron Universität Salzburg. Ein Thema, das bereits seit Monaten an der Universität selbst eifrig thematisiert wird und es auch geschafft hat, bis in die Lehre vorzudringen, in der sich Studierende mit der Geschichte der Universität vielleicht erstmals genauer auseinandersetzen können.
Zugangsmöglichkeiten und Bekanntheit
Zuallererst sei angesprochen, dass es für Studierende, die die Sonderausstellung in den Räumlichkeiten des Dombezirks hautnah erfahren wollen, die Möglichkeit gibt, einen Rabatt zu erhalten. Kostenlos, äußerst modern und seit der Pandemie in der Galerie- und Museumswelt eine durchaus verbreitete Möglichkeit ist es, die Ausstellung alternativ auch durch einen digitalen Walk online erkunden zu können. Voraussetzung für beide Besuchsformen ist jedoch, dass die Existenz einer solchen laufenden Ausstellung auch bis zu den Studierenden vordringt, die zusammen mit dem Universitätspersonal wohl der größten Zielgruppe des Gezeigten angehören dürften. Im Rahmen der Auseinandersetzung mit der Ausstellung musste ich feststellen, dass die Frage nach der Bekanntheit dieser Ausstellung gerade in meinem eigenen Umfeld der Geschichte- und Kunstgeschichtestudierenden – normalerweise gerade an der musealen Aufarbeitung und Auseinandersetzung mit der Geschichte der Universität Salzburg besonders interessiert – viel eher mit einem gleichartigen unwissenden Achselzucken beantwortet wird. Zu bahnbrechender Bekanntheit scheint es die Ausstellung trotz ihres Bestehens seit Jahresbeginn bisher noch nicht gebracht zu haben.
Eindrücke – Das Konzept der Ausstellung
Betritt man die Ausstellung, geleitet ein schmaler Gang Besuchende – zur Rechten von einem Trailer bespielt – zum ersten Raum. Als erstes Exponat der Ausstellung empfängt Besuchende hier eine Dauerschleife eines Zwiegesprächs zweier kuratorisch nicht weiter charakterisierter Herren. Hierbei handelt es sich – so viel erfährt man lediglich, wenn man mit Kopfhörern dem Dialog lauschen kann oder bereits einigermaßen informiert ist – um Landeshauptmann Wilfried Haslauer und Henrik Lehnert, dem Rektor der Universität. Die Möglichkeit eines parallelen visuellen Verfolgens durch Untertitel bleibt hierbei aus. Man stutzt, wenn man feststellt, dass sogar zum Anlass dieser Ausstellung Salzburg als „Festspielstadt“ charakterisiert wird – wieso, das bleibt an dieser Stelle fraglich, die Anmerkung erscheint wahrlich fehlplatziert: Was die Festspiele nun sogar mit der Universität zu tun haben sollen, scheint an mir als gebürtige Salzburgerin und Studentin der PLUS völlig vorübergegangen zu sein.
Durchschreitet man die Sonderausstellung, fällt in weiterer Folge auf, dass man nicht klar und linear durch Videoinstallationen, ausgewählte Exponate und Schautafeln geleitet wird, wodurch die Ausstellung keinen roten Faden bieten kann. Fraglich bleibt, mit welcher Intention die diversen gewählten Exponate ausgesucht wurden sowie, was diese den Besuchern suggerieren und lernen sollen. Es kommt damit viel eher zu einem schlangenlinienförmigen Umherwandeln und Suchen als dem Erfahren eines systematisch erkennbaren musealen Konzeptes – wer bei „PLUSpunkte“ eine Aufarbeitung auf chronologischer Grundlage einer Zeittafel mit den wichtigsten Anhaltspunkten zur Universitätsgeschichte, Fakultätsgründung und Unireformen erwartet hat, geht hier vollständig leer aus.
Da in diesen Räumlichkeiten jedoch gleichsam der Geschichte der Universität auch ihre Zukunft zur Sprache kommen soll, könnte man vermuten, dass auf der Vermittlung dieser der Schwerpunkt liegen könnte. Bis auf eine kolossale Leinwand, die durch einen Beamer mitten im Raum mit einem Film, der innovative Projekte an der PLUS anführt, bespielt wird, ist an der Ausstellung überwiegend historischer Exponate kaum ein Darlegen der Zukunft der Universität erkennbar. Auf der Zukunft der Institution liegt der entschiedene Fokus also schon einmal nicht.
Doch nicht nur in dieser Hinsicht erweist sich die Sonderausstellung als mager, ebenso verpasst sie zu aller Enttäuschung die Chance einer kritischen Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit.
Der museale Umgang mit dem bekannten, nicht zu unterschätzenden Einfluss von NS-Tätern auf die Gründungsgeschichte der Universität ist ernüchternd unvollständig und unentschieden. Dieser findet zwar Erwähnung, so ganz einlassen auf eine Aufarbeitung und einen kritischen Umgang mit besagter NS-Vergangenheit möchte man sich jedoch nicht. Weder werden betroffene Institute noch konkrete Persönlichkeiten genannt, denen man sich zumindest in Form einer knappen Auflistung und Charakterisierung widmen könnte. Herausgegriffen werden könnte hierbei der Gründer des Instituts für Kunstgeschichte, Hans Sedlmayr, mit dessen Vergangenheit sich im Wintersemester 2021 ein gesamtes Seminar an der Kunstgeschichte füllen ließ. Dass diese kritische Auseinandersetzung nicht unabsichtlich, sondern auch bei offensichtlich auf der Hand liegender Chance umgangen wird, zeigt deutlich das Beispiel der Nennung von Derra de Moroda auf einer Schautafel weiter links bei Besprechung des gleichnamigen Tanzarchivs am Unipark. Obwohl erst kürzlich von der Salzburger Historikerkommission die im Stadtteil Parsch gelegene Straße eines belasteten Straßennamens bezichtigt wurde, verliert man bei der Nennung dieses Namens im Rahmen der Ausstellung der NS-Vergangenheit kein Wort.
Was scheinbar vollends missverstanden und sogar verdreht wird, ist die kritische Auseinandersetzung mit Raubkunst der Universität, die knapp angesprochen wird: Exponiert wird an dieser Stelle gerade ein Buch, das von den Amerikanern der Universität Salzburg entwendet wurde und die Salzburger Universität gerade seltsamerweise als Opfer kriegerischer Raubzüge charakterisiert.
Bei allen misslungenen Versuchen scheint nicht einmal der Fokus auf die Masse derer gerichtet zu werden, die den Großteil der Universität selbst bilden: Das Universitätspersonal und die Studierenden. Diese werden weder in Zahlen genannt noch wird in einem historischen Querschnitt beispielsweise bekannt, wie sich die Studierendenzahlen während der letzten Jahrhunderte entwickelten, wer zu welcher Zeit studieren konnte oder seit wann Frauen an der Universität Salzburg zugelassen wurden.
Fazit
Besonders schade: Während museumspädagogisch, historisch und kuratorisch ausgerichtete Studiengänge sich gezielt und eifrig in Lehrveranstaltungen der Aufarbeitung der Geschichte der Universität widmen, wird die offensichtliche und naheliegende Einbeziehung dieser in die Entwicklung eines zukunftsweisenden Ausstellungskonzepts vollständig verpasst.
Nomen est omen: Wie der Name der Ausstellung bereits absichtlich oder unabsichtlich suggeriert, kommt es wohlgemerkt leider nur zu einer punktuellen, schlaglichtartigen und dadurch völlig unvollständigen und vor allem wirren Auseinandersetzung einiger vernachlässigbarer Aspekte der Universität Salzburg, wodurch jedoch gerade interessante wie brisante Aspekte der Universitätsgeschichte nicht ausreichend thematisiert oder vollständig umgangen werden. Der erkennbare Mut zur Lücke lässt den Besucher hier viel eher mager informiert, unbefriedigt und etwas verwirrt zurück. Vor allem aber entbehrt das Konzept eines roten Fadens, der Gezeigtes miteinander zu verbinden in der Lage ist. Zum Anlass des 400. Geburtstags unglücklicherweise eine verpasste Chance einer interessanten, vielseitigen und kritischen Aufarbeitung 400 Jahre Geschichte einer Institution, die vor allem auch selbst künftige Kurator*innen unterschiedlicher fachlicher Schwerpunkte ausbilden soll, diesen aber jegliche Partizipation an eigenen Ausstellungskonzepten verwehrt und stattdessen wenig zufriedenstellende Ausstellungen generiert. Einerseits diese Fachdisziplinen nicht weiter einzubinden, andererseits anlässlich einer Ausstellung zu einem solchen, vonseiten des Rektorats so umfangreich thematisierten Jubiläums keinen würdigeren Umfang und entsprechende Qualität zu schenken, grenzt allen Ernstes an eine mittelschwere bis große Enttäuschung. Dadurch bleiben die „PLUSpunkte“ viel eher bei einem halbherzigen Versuch einer Ausstellung als einer gelungenen umfangreichen und würdigen Aufarbeitung der eigenen Geschichte, die einen innovativen Blick in die Zukunft eröffnet. Ein klarer Fall von „mehr Schein als Sein“, ein leider schlecht durchdachtes Allerlei und unglücklicherweise das Verpassen einer an sich wunderbar nutzbaren Chance.
Zu sehen ist die Ausstellung PLUSpunkte noch bis 31. Oktober. Zum Eintrag des DomQuartiers zur Ausstellung und zum digitalen Museumswalk geht es hier: https://www.domquartier.at/sonderausstellung/pluspunkte/