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Neben einer gesicherten und transparenten Grundfinanzierung müssen sich Universitäten endlich zu modernen und progressiven Arbeitgeberinnen entwickeln, um weiter exzellente Forschung und Lehre liefern zu können. Neben organisatorischen Reformen müsste das Prinzip der akademischen Selbstverwaltung hinterfragt werden.

Von Christoph Krainer.

So berechtigt die aktuellen Forderungen der Uniko sind, dass Universitäten eine ordentliche Grundfinanzierung bekommen1, so berechtigt sind auch die Forderungen an Universitätsleitungen und deren Aufsichtsorgane, ihre Häuser professionell aufzustellen.  

Das Universitätsgesetz 2002 hat die österreichischen Universitäten vor große Herausforderungen gestellt. Die Unis mussten sich von einem ministerialen Amt hin zu einer autonomen Organisation von beachtlicher Größe wandeln. Rektor:innen wurden zu Geschäftsführer:innen und Universitäten müssen seit 2019 mit der Universitätsfinanzierungs- verordnung am Bildungsmarkt um Studierendenzahlen buhlen, um ihre Budgets zu konsolidieren. 

Allen ist klar, dass Universitäten Orte der Wissenschaft und Forschung sind. Entwicklungspläne, Strategien, Evaluierungen, Kommissionen usw. sind darauf ausgelegt, Qualitätsstandards in der Wissenschaft und Forschung sicherzustellen. Seit der Universitätsfinanzierungsverordnung 2019 gibt es ein Bewusstsein dafür, dass sich Universitäten um ihre Studierenden kümmern müssen, was zuvor jahrelang vernachlässigt wurde — man bemüht sich nun um Attraktivierungen für Neuanfänger:innen und achtet auch darauf, dass Studierende ihre Studien abschließen und „prüfungsaktiv“ sind. Dass Universitäten sich ständig damit auseinandersetzen müssen, wie exzellente Wissenschaft, Forschung und Lehre stattfinden können, ist vielen bewusst. Darüber hinaus sind die Freiheit der Wissenschaft als auch die Freiheit der Lehre verfassungsrechtlich geschützt. Hier braucht es keine Weisungen und Lenkungen, sondern Finanzierung und entsprechende Rahmenbedingungen.

Perspektiven statt Befristung 

Seit 2002 sind Universitäten große Arbeitgeberinnen von Privatangestellten in Österreich, sie wurden aus dem öffentlichen Dienst ausgegliedert, auch wenn sie von der öffentlichen Hand finanziert werden. So sind an der Universität Salzburg allein im allgemeinen Personal ca. 800 Personen angestellt, die die Wissenschaft, Forschung und Lehre täglich administrativ zu verantworten haben. Dazu kommen noch ca. 2000 Personen im wissenschaftlichen Personal. Beamt:innen, Vertragsbedienstete und Privatangsetellte sitzen Seite an Seite, was aus Verwaltungsperspektive herausfordernd ist. In den letzten Monaten kommt es mittlerweile vermehrt zum Widerstand aus dem sogenannten Mittelbau, da im österreichischen Universitätssystem mit Befristungen, Kettenverträgen und mangelnden Karrieremöglichkeiten einen Nährboden für Frustration und prekäre Arbeitsverhältnisse geschaffen wurden. Und hier müssen sowohl die Universitätsleitungen als auch die Aufsichtsorgane und innerorganisationalen Gremien konkreten Ideen entwickeln, wie man aus diesem entstandenen und geschaffenen System ausbricht und wie man Mitarbeiter:innen positive Perspektiven bieten kann. Entfristungen allein sind kein Karrieremodell, sondern eine drängende Notwendigkeit bei den überschießenden Befristungspraktiken an öffentlichen Universitäten in Österreich.

Interessen und Bedürfnisse aller in den Vordergrund stellen 

Innerhalb von Universitäten gibt es mit dem Senat, in dem die Professor:innenschaft die Hälfte der Mitglieder stellt, eine starke Lobby für die Interessen eben dieser Gruppe, das allgemeine Personal ist jedoch nur mit einer einzigen Stimme, die Stimm- und Rederecht hat, vertreten. Allein dies zeigt eine deutliche Schieflage und führt unweigerlich zu unzureichender organisationaler Entwicklung. Dass in den Entwicklungsplänen nur die Stellen der Professor:innen strategisch und transparent mitgedacht werden, ist ein Indiz dafür. Transparente und vorausschauende Personalstrukturpläne für die gesamte Universität sind im Entwicklungsplan nicht vorgesehen, werden nicht eingefordert und daher von der Universität nicht geliefert. Und ein Personalstrukturplan ist nur eines von vielen Instrumenten, die einen Schritt in Richtung Professionalisierung darstellen können.

Akademische Selbstverwaltung führt zu Arbeitsüberlastungen 

Neben der traditionellen „Betriebsdemokratie“ in Form von Kollegialorganen kommt noch hinzu, dass Universitäten nach dem Prinzip der „akademischen Selbstverwaltung“ geführt werden. Zentrale Führungspositionen — Rektorat, Vizerektorat, Dekanat etc. —  werden traditionellerweise im Sinne der akademischen Selbstverwaltung mit wissenschaftlichem Personal besetzt. Überlastung ist vorprogrammiert, da diese Positionen meist neben der wissenschaftlichen Arbeit (und den damit verbundenen Leistungsdruck) ausgeführt werden muss und sie nicht mit den notwendigen unterstützenden Ressourcen ausgestattet werden. Daneben bleibt kaum Zeit, dass die notwendigen Kompetenzen in Arbeitsrecht und Personalführung in ausreichendem Maß angeeignet werden kann. Akademische Selbstverwaltung führt hier zu Arbeitsüberlastungen, und die müssen abgefangen werden. Es gibt auch ähnliche Probleme in administrativen Organisationsheiten, die meist hinlänglich bekannt sind.  

Dies führt dazu, dass Probleme mit Vorgesetzten, verbesserungswürdiges Management und ausbaufähige Personalführungskompetenzen zu einem der Hauptbelastungspunkte im Mittelbau und allgemeinen Personal werden. Hier braucht es neben qualifizierten Unterstützungspersonal vor allem konsequente Schulungen und Fortbildungen für Führungskräfte, regelmäßige Evaluierungen und die Durchführung von Mitarbeiter:innengesprächen, deren Inhalte Zielvereinbarungen enthalten müssen: über Aufstiegsmöglichkeiten, Weiterbildungsangebote, Karriereförderung und Gehaltseinstufung.  

Universitäten müssen sich konsequent den Herausforderungen stellen, mit denen sie als Arbeitgeberinnen konfrontiert sind und Schritt für Schritt Mängel beseitigen. Mängel, die in regelmäßigen Abständen zu Verletzungen von Arbeitsschutzgesetzen und Arbeitsrecht führen. Mängel, die unnötige Reibung zwischen Abteilungen, Fakultäten und Menschen verursachen. Strukturelle Probleme erzeugen Konflikte und Ineffizienzen in den Prozessen und Abläufen und damit große und unnötige Mehrbelastungen für all jene, die diese am Laufen halten sollen – und auf deren Funktionieren angewiesen sind. 

Aufgabe des Bundesministeriums und der Universitätsleitung (Unirat, Rektorat und Senat) ist es, die Organisation professionell aufzustellen und auch als Arbeitgeberin zu evaluieren. Evaluierungen dürfen sich nicht bloß auf Forschungs- und Lehrleistungen beziehen, sondern müssen auch die Kompetenzen des Führungspersonals im Organisations- und Verwaltungsbereich umfassen sowie die Arbeitszufriedenheit der gesamten Belegschaft erfassen. Dazu müssen Evaluierungen periodisch durchgeführt werden und zu verbindlichen Konsequenzen im Rahmen eines noch zu formulierenden Prozesses im Qualitätsmanagement führen. Und es liegt auch an den Aufsichtsorganen wie Ministerium und Universitätsrat, anzuerkennen, dass es sich bei Universitäten nicht bloß um Unternehmen handelt, deren Budgets zu konsolidieren sind, sondern dass es sich um Arbeitgeberinnen handelt, die Verantwortung vielen Menschen gegenüber tragen. Welchen Stellenwert der Mensch innerhalb Universitäten hat, zeigt sich leider manchmal an Formulierungen, wie sie z.B. bei der Universitätsrätin der Universiät Wien, Dr. Eva Nowotny, in einem Kommentar im STANDARD zu finden sind:  Mitarbeiter:innen der Universitäten werden mit einem Schlag zum “wissenschaftlichen und administativen Apparat”2 degradiert. 

Fest steht: Ohne klare Strukturen, Prozesse, Richtlinien, Betriebsvereinbarungen, Verantwortungsbereiche und eine offene und transparente Unternehmens- und Kommunikationskultur wird es für das Personal schwieriger, den an sie gestellten Aufgaben nachzukommen: nämlich Wissenschaft, Forschung und Lehre in allen administrativen Belangen zu (unter)stützen. 

Rethinking “akademische Selbstverwaltung” 

In Zukunft müssen wir an Universitäten auch das Prinzip der akademischen Selbstverwaltung überdenken. Die Selbstverwaltung hat sich bis heute nicht als ein sinnvolles inneruniversitäres Organisationsprinzip bewiesen. Das liegt aber nicht am Prinzip selbst, sondern eher darin begründet, dass vollkommen diffus ist, was eigentlich akademische Selbstverwaltung bedeutet. Es ist mehr, als pflichtbewusst in Gremien zu sitzen und Curricula zu gestalten. Und mehr, als “nebenbei” Funktionen, wie die Leitung von Organisationseinheiten, die mit Personalverantwortung einhergehen, zu übernehmen. Es ist diese Unklarheit über das Prinzip selbst und die Unklarheit über damit verbundenen Aufgaben und Kompetenzen, die zur Überlastung der Organisation im Allgemeinen sowie dem wissenschaftlichen Personal im Besonderen beiträgt und die akadmische Selbstverwaltung ad absurdum führt. Eine mutige und offene Diskussion darüber, wo das Prinzip der akademischen Selbstverwaltung sinnvoll ist und wo man als Organsation auch anderen Prinzipien folgen könnte, fehlt bis heute, wäre aber eine Chance, um Universitäten für die Herausforderungen der Zukunft aufzustellen. 

Denn exzellente Forschung und Lehre haben nicht nur ein Recht auf exzellente Arbeitsbedingungen, sie sind auf solche angewiesen. Und genau darin besteht die Herausforderung, die Aufgabe und die Zukunftschance der akademischen Selbstverwaltung: Endliche für exzellente Arbeitsbedingungen zu sorgen. 

Einige Vorschläge, um für exzellente Arbeitsbedingungen an österreichischen Universitäten zu sorgen: 

  • Verpflichtend ein Vizerektorat für Personal-, Organisations- und Prozessentwicklung einführen. 
  • Klare Defintion und Abgrenzung, welche Aufgaben und Kompetenzen mit der akademischen Selbstverwaltung verbunden sind. 
  • Professionelles Qualitätsmanagement auch in allen administrativen Belangen. 
  • Entwicklungspläne, die alle Strukturen und Prozesse transparent mitdenken und nicht bloß minimale Ministerialvorgaben beachtet. 
  • Jährliches öffentliches Hearing, wo Rektorat und Unirat über den aktuellen Stand über die Erreichung der Ziel- und Leistungsvereinbarungen Rechenschaft ablegen. Diese Vereinbarungen müssen an Relevanz und Gewicht gewinnen und sind nicht als Empfehlungen zu verstehen. 
  • Regelmäßige verpflichtende Fort- und Weiterbildung aller Führungsorgane sowie regelmäßige Evaluierung der Managementkompetenzen sowie der Arbeitszufriedenheit aller Mitarbeiter:innen. 
  • Zugang zu Fortbildungsangeboten für alle Mitarbeiter, auch bei externen Anbietern. 
  • Verbindliche Mitarbeiter:innengespräche mit protokollierten Zielvereinbarungen. 
  • Protokollierung sämtlicher Verstöße gegen arbeitsrechtliche Normen und Konsequenzen bei solchen Verstößen. 
  • Veröffentlichung eines Einkommensberichts und Gehaltstransparenz sowie Gehaltsgerechtigkeit sicherstellen. Es darf keinen Gender-Pay-Gap mehr geben! 
  • Evaluierung der Arbeitsplatzbeschreibung und Gehaltsgerechtigkeit: Einstufung und Bezahlung nach tatsächlichem Tätigkeitsprofil und nicht veralteter Stellenbeschreibung. Gleiche Bezahlung für gleiche Leistung und faire Entlohnung. 
  • Inklusion und Gleichberechtigung auf allen Ebenen weiter fördern und ausbauen. Wir sind hier noch lange nicht am Ziel.

Darüber hinaus schließen wir uns den 9 Forderungen des Netzwerk Unterbau Wissenschaft3 an: 

  1. Wir sind alle Universitätsangestellte — für eine egalitäre Belegschaft. 
  1. Einführung eines Faculty-Modells und Abschaffung der Kurien. 
  1. Erhöhung der sozialen Diversität und Umsetzung einer Frauen*quote. 
  1. Mitspracherechte auf allen Ebenen für alle Universitätsangehörige. 
  1. Stärkung des öffentlichen Dialogs und der gesellschaftlichen Mitgestaltung. 
  1. Gleiches Arbeitsrecht für alle — ersatzlose Streichung von §109 UG. 
  1. Personalentwicklungspläne für alle Universitätsangestellten. 
  1. Gesicherte und transparente Grundfinanzierung statt weiter steigender Drittmittelabhängigkeit. 
  1. Stärkung der forschungsgeleiteten Lehre als Kernelement öffentlicher Universitäten. 

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